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Musiktheater
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Die Walküre

Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 5' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus am 8. Juni 2008
(Premiere im Rahmen des Zyklus am 22.09.2010, rezensierte 3. Aufführung im Rahmen des Zyklus am 03.04.2012)

 

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Theater Freiburg
(Homepage)

Das Schwert im Eschen-Sofa

Von Thomas Molke / Fotos von Maurice Korbel

Der Abend beginnt bereits vor dem Vorspiel. Vor einem Naturholzgerüst mit weißen Plastikplanen stehen Siegmund und Sieglinde als unschuldige Kinder, sie im kurzen weißen Kleidchen, er im weißen T-Shirt mit kurzer weißer Hose, beäugt von Vater Wotan, der im Vergleich zum Rheingold in die Jahre gekommen ist. Alles, was noch an seine wilden Jahre erinnert, ist das lange Haar, das aber ebenfalls grau geworden ist. Ansonsten hat er sein rebellisches Outfit gegen einen schwarzen Anzug eingetauscht. Siegmund drückt seiner Schwester einen zarten Kuss auf die Wange, den sie erwidert. Dann zerstört Wotan das idyllische Bild und treibt die Kinder schreiend auseinander. Im Anschluss setzt die Musik ein. In einer Videoprojektion sieht man zu den aufwühlenden Klängen des Vorspiels den jungen Siegmund auf der Flucht, und während er flieht, wächst er allmählich heran, bis er erschöpft in Hundings Hütte landet.

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Hunding (Gary Jankowski, Mitte) mit Sieglinde (Mona Somm) und Siegmund (Roberto Gionfriddo, rechts).

Während bis zu diesem Zeitpunkt der Abend vielversprechend und gut nachvollziehbar beginnt, beschließt das Regie-Team um Frank Hilbrich, mit Hundings Hütte die Geschmäcker zu spalten. Volker Thieles Bühnenbild, das sich an diesem Abend größtenteils auf Naturholz und weiße Plastikplanen beschränkt, hat die Behausung in drei Zimmer geteilt, die nebeneinander wie eine Puppenstube angeordnet sind und zu denen jeweils eine braune Tür in der Rückwand führt. Das Mobiliar erinnert an die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Im linken Zimmer stehen zwei Küchenstühle, das rechte Zimmer, in dem Siegmund landet, ist leer, und im mittleren Zimmer befindet sich ein braunes Sofa, dessen Sitzpolster ein bisschen angehoben ist, mit gutem Grund, denn in ihm steckt, wie sich später herausstellt, das Schwert Nothung. Wenn Siegmund die Winterstürme besingt, die dem Wonnemond wichen, reißt er die Plane zwischen dem mittleren und rechten Zimmer herunter, so dass der Verbindung zwischen den Geschwistern keine Wand mehr im Wege steht. Hier gelingen Hilbrich eindrucksvolle Bilder, wenn Sieglinde und Siegmund ihre Kostüme ablegen und in der weißen Unterwäsche wieder an die unschuldigen Kinder aus der Anfangssequenz erinnern. Auch das Schattenspiel, mit dem sie gegenseitig ihre Körper im Liebesduett berühren, zeugt von inniger Sinnlichkeit und entschädigt für einige vorherige unfreiwillig komische Momente.

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Brünnhilde (Sigrun Schell, links) ist von Siegmunds (Roberto Gionfriddo) und Sieglindes (Mona Somm) Liebe überwältigt.

Gesungen wird in diesem ersten Aufzug auf sehr hohem Niveau. Roberto Gionfriddo beweist als Siegmund unglaubliches Durchhaltevermögen und weiß, seine Kräfte gut einzuteilen. Mit den beiden "Wälse"-Rufen vermag er es, beim Zuhörer eine Gänsehaut zu erzeugen. Dieser große Glanz gelingt ihm bei "Nothung" nicht mehr in vollem Umfang, aber das Theater Freiburg kann sich glücklich schätzen, solch einen gesanglich und darstellerisch überzeugenden Tenor im Ensemble zu haben. Mit Mona Somm steht ihm eine Sieglinde zur Seite, die in jeder Beziehung mithalten kann. Stimmlich verfügt sie über einen strahlenden Sopran, bei dem keine Höhe schrill klingt. Ihr Spiel zeigt Sieglinde als starke Persönlichkeit, die trotz allem Unbill die Hoffnung niemals hat sinken lassen. Besonders ihre Mimik im Zusammenspiel mit Hunding macht klar, dass er das Misstrauen seiner ihm zwangsverheirateten Frau gegenüber niemals ablegen konnte. Gary Jankowski ist optisch und stimmlich ein idealer Hunding. Das durchweg hohe sängerische Niveau kann das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Leitung von Fabrice Bollon nicht ganz halten, weil es an einzelnen Stellen Harmonik und Sicherheit im Rhythmus vermissen lässt.

Der zweite Aufzug führt den Gedanken der Puppenstube fort. Ein riesiger Kasten, der ähnlich gebaut ist wie Hundings Hütte, nur keine Teilung aufweist, stellt das Innere der Burg Walhall dar. Zu Beginn wälzen sich Siegmund und Sieglinde noch auf dem Boden vor einer Miniaturausgabe von Hundings Hütte. Sie scheinen dieser Welt also entwachsen zu sein. Das braune Sofa hat den Weg nach Walhall zurückgefunden, schließlich gehört es wie die Esche im eigentlichen Sinne ja zu Wotan. Auf diesem Sofa sitzen neun Puppen mit Zöpfen aufgereiht, die wohl die Walküren darstellen sollen. Auch auf Grane als braunes Plüsch-Pony wird in dem Bild nicht verzichtet. Brünnhilde wirkt mit den fein geflochtenen blonden Zöpfen und in dem blauen Kleid mit weißen Punkten wie ein Schulmädchen. Die Aufgabe der Walküren, Walhall mit gefallenen Helden zu versorgen, scheint für die Walküren ein reines Spiel zu sein, was die zahlreichen weiteren Puppen und Plüschtiere auf dem Boden erklären mag. Die Entscheidung über Leben und Tod weckt auch bei Brünnhilde erst durch die Begegnung mit Siegfried ein Bewusstsein für die Dimension ihrer Handlungen.

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Wotan (Peteris Eglitis) zieht Brünnhilde (Sigrun Schell, vorne) vor ihren Schwestern (im Hintergrund von links: Grimgerde (Jelena Milović), Rossweisse (Qin Du), Helmwige (Julia Thornton), Waltraute (Sally Wilson), Gerhilde (Kyoung-Eun Lee), Ortlinde (Jana Havranová), Siegrune (Karen Job) und Schwertleite (Anja Jung)) zur Rechenschaft.

Mag man diesen Ansatz des Regie-Teams auch platt finden, dürfte die Szene zwischen Fricka und Wotan dann doch wieder versöhnlich stimmen. Anja Jung gibt mit großer Stimme die betrogene Ehefrau im blass-grünen Kostüm mit blonder Fönfrisur. Wie sie mit bloßen Blicken und kleinen Gesten sowohl die Walküre als auch ihren Gatten in die Schranken weist, ist große Schauspielkunst. Umso mehr verwirrt wirkt das Publikum, dass Anja Jung nach dem zweiten Aufzug nicht vor den Vorhang tritt, um den verdienten Applaus für ihre überragende Leistung in Empfang zu nehmen. Der Grund mag in ihrem Auftritt als Walküre Schwertleite zu Beginn des dritten Aufzuges begründet sein, da sie vielleicht schon in das kindliche Walküren-Outfit schlüpfen musste. Beim Schlussapplaus tritt sie jedenfalls noch einmal als Fricka zur Verbeugung vor den Vorhang und erntet tosenden Beifall. Peteris Eglitis scheint als Wotan vom Vortag noch ein wenig geschwächt zu sein. Die leisen Stellen gelingen ihm sehr differenziert und eindringlich, wobei er bei den hohen Tönen arg zu kämpfen hat. Dennoch liefert auch er eine beachtliche Leistung ab, wirkt aber trotz des großen Applauses mit sich selbst nicht ganz zufrieden. Sigrun Schell legt die Brünnhilde recht tief an und schwingt sich beim "Hojotoho" zu strahlenden Höhen auf. In ihrem Spiel und Gesang wirkt sie recht jugendlich.

Während Hilbrichs Regieansätze zu Beginn des zweiten Aufzuges noch tragen und beispielsweise der Schatten Alberichs, der während Wotans Erzählung hinter der Plastikplane sichtbar wird, überzeugt, scheinen ihm zum Ende hin die Ideen auszugehen. Dass Brünnhilde als Zeichen des Bewusstseins für die wahre Liebe ihre Zöpfe löst, mag man noch nachvollziehen können. Der Kampf zwischen Hunding und Siegmund verpufft aber völlig. Wotan raubt seinem Sohn das Schwert mit den bloßen Händen, ohne es dabei zu zerstören. Siegmund eilt daraufhin wie ein Feigling durch eine Tür hinter die weiße Plastikplane, wo Hunding ihn dann für das Publikum unsichtbar tötet, um dann mit blutverschmierten Händen wieder vor die Plastikplane zu treten. Auch tötet Wotan Hunding am Ende nicht, sondern lässt ihn von der Bühne fliehen.

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Wotan (Peteris Eglitis) nimmt Abschied von Brünnhilde (Sigrun Schell).

Auch der dritte Aufzug ist ähnlich schwach inszeniert. Auf der Drehbühne befindet sich jetzt nur noch ein hoher Kasten, der von weißen Plastikplanen umgeben ist. In diesem Kasten tummeln sich mehr oder weniger sichtbar die Walküren mit den gefallenen Helden. Später werden die Plastikplanen herabgelassen und zeigen rote Grablichter, die den Ort markieren, an dem Brünnhilde in tiefen Schlaf versinken wird. Auch die weiteren Grablichter, die Wotan um die schlafende Tochter aufstellt, wirken als Feuerzauber recht mickrig. Da wäre mit den weißen Plastikplanen und entsprechenden Projektionen oder Lichteffekten ein wesentlich eindrucksvollerer Abschluss möglich gewesen. Gut ist Hilbrichs Idee, Brünnhilde in Schlaf versinken zu lassen, bevor Wotan ihrem Bitten gefolgt ist, sie mit einem Feuer zu umgeben. So liegt Wotans Motivation, dem Bitten der Tochter schlussendlich doch noch nachzugeben, vielleicht gerade darin begründet, dass Brünnhilde nicht mehr merkt, dass ihr Vater ihrem Wunsch nachkommt. Zu überzeugen vermag auch der Moment, in dem Wotan seine schon schlafende Tochter umarmt und verzweifelt eine Erwiderung der Umarmung herbeizuführen versucht, Brünnhildes Arme jedoch immer wieder matt herabsinken, bis dann schließlich die Musik den Ausschlag gibt, dass Hilbrich eine innige Umarmung zulässt. Warum Brünnhilde sich kurz vor dem Abschied erneut die Zöpfe flechten muss, bleibt hingegen als Regieeinfall eher unnötig.

Am Ende gibt es wie am Vortag lang anhaltenden und frenetischen Applaus für die Solisten, den Dirigenten Fabrice Bollon und das Philharmonische Orchester Freiburg, das besonders im Bereich der Hörner noch ein wenig verbesserungswürdig wäre, und auch den Regisseur, der sich auch nach der Walküre dem Publikum stellt.

FAZIT

Hilbrich gibt an, in der Walküre seine Figuren aus dem Rheingold weiter entwickelt zu haben. Dies ist ihm sicherlich nicht in jeder Hinsicht gelungen, bleibt aber stimmig und macht neugierig auf die Fortsetzung. Musikalisch kann sich auch diese Produktion durchaus mit größeren Häusern messen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrice Bollon

Inszenierung
Frank Hilbrich

Bühne
Volker Thiele

Kostüme
Gabriele Rupprecht

Licht
Michael Philipp

Videoaufnahmen
Maurice Hübner

Dramaturgie
Friedrich Sprondel
Dominica Volkert


Statisterie des
Theater Freiburg

Philharmonisches
Orchester Freiburg


Solisten

Siegmund
Roberto Gionfriddo

Sieglinde
Mona Somm

Hunding
Gary Jankowski

Wotan
Peteris Eglitis

Brünnhilde
Sigrun Schell

Fricka
Anja Jung

Helmwige
Julia Thornton

Gerhilde
Kyoung-Eun Lee

Ortlinde
Jana Havranová

Waltraute
Sally Wilson

Siegrune
Karen Job

Rossweisse
Qin Du

Grimgerde
Jelena Milovi
ć

Schwertleite
Anja Jung


Weitere Informationen
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(Homepage)





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