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Musiktheater
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Vec Makropulos (Die Sache Makropulos)

Oper in drei Akten
Musik von Leos Janacek
Text vom Komponisten nach der gleichnamigen Komödie von Karel Capek


In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 50' (keine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 8. April 2012



Oper Frankfurt
(Homepage)
Vom Hühnerstall in die Kanzlei

Von Roberto Becker / Fotos von Barbara Aumüller

Leoš Janáèek ist ein Spezialist für ergreifende Frauenschicksale. Wenn die Lebens- und Liebessehsucht von Jenufa oder Katja Kabanova mit der ländlich engstirnigen Welt um sie herum kollidiert, dann lässt das niemanden kalt. Obwohl sie sich in einem ganz anderen Milieu bewegt, gehört aber auch Emilia Marty dazu. Wir lernen sie als gefeierte Opern-Diva in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kennen. Die Männer werfen sich ihr reihenweise zu Füßen. Junge Sängerinnen, wie Kristina, bewundern sie und versuchen, ihr nachzueifern. Doch ihr Glück ist nur äußerlich, denn sie hat ein Problem. Das besteht nicht im landläufigen Lebens- und Karriere-Problem einer Diva, älter zu werden. Im Gegenteil: Ihr Problem besteht darin, gerade nicht älter zu werden. In gewisser Weise neben dem menschlichen Gang der Dinge her zu leben, zu dem nun mal Jugend, Reife, Alter und Tod gehören. Sie verliert Menschen, weil diese älter werden und sterben, während sie selbst bleibt, was sie ist. Etwas älter geworden ist die mit dem Einsetzen der Opernhandlung 337 Jahre zählende Tochter des aus Kreta stammenden Arztes Hieronymus Makropulos auch.

Vergrößerung in neuem Fenster In der Kanzlei – Emilia auf dem Schreibtisch

Aber nicht mehr als dreihundert, sondern höchsten zwanzig Jahre. Als Teenager wurde sie nämlich das Opfer eines Experimentes. Kein geringerer als Kaiser Rudolf II. war, jedenfalls in Karel Èapeks dem Libretto zu Grunde liegender Komödie, auf die Schnapsidee verfallen, sein zur Neige gehendes Leben durch ein Wunderelixier verlängern zu lassen. Als sein Leibarzt dann tatsächlich mit dem Gebräu ankommt, kriegt es der Kaiser jedoch mit der Angst zu tun und erzwingt die Erprobung an der Tochter seines Arztes. Es gehört zu den witzigen Pointen des Textes, wenn Emilia darauf verweist, wie unlogisch dieses kaiserliche Ansinnen war. So unsinnig wie der gesamte Jugendwahn, der sich dem Lauf der Dinge entziehen will. Da darauf die Moral der ganzen Geschichte hinausläuft, bleibt es die größte Herausforderung für die szenische Deutung, die Geschichte, die sich rein äußerlich zwischen Anwaltskanzlei und Künstlergarderobe bewegt, in diese zeitliche und ethische Dimension zu weiten. Christoph Marthaler ist das in Salzburg letzten Sommer mit seinen assoziativ erweiternden Mitteln ebenso eindrucksvoll gelungen (unsere Rezension) wie Robert Carsen in Straßbourg mit einem tiefen Blick in die Psyche der Künstlerin und Frau (unsere Rezension).

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Das Kabinettstück: Der Altliebhaber und die Diva

Richard Jones und sein Ausstatter Antony McDonald weisen zwar in ihrem geräumig bunten, sparsam möblierten Bühnenkasten, in dem sich der Schreibtisch problemlos zur Garderobe umwandeln lässt, auch über die Handlungsebene von Uralt-Gerichtsprozess, Diven-Verehrung, Verführung und Selbstmord, Enthüllung einer rätselhaften Identität mit kriminalistischem Eifer samt melodramatischem Finale hinaus. Bleiben aber doch darin gefangen. Zum Vorspiel gibt es in Frankfurt einen etwas kauzigen Blick in die Vorgeschichte. Und das heißt in ein Gehege mit leibhaftigen Hühnern. Was wohl weniger vom österlichen Premierendatum, als von der überlieferten Vorliebe des Komponisten fürs gackernde Federvieh inspiriert war. Dort jedenfalls wird einem jungen Mädchen, das gerade die Eier einsammelt, mit Gewalt etwas eingeflößt. Könnte gut sein, dass dabei der Vater und sein Dienstherr zu Gange waren. Fernwirkung auf der Bühne hat dieser Regieeinfall nicht, wenn man mal davon absieht, dass sich Emilia Marty in ihrer Garderobe gekochte Eier servieren lässt. Und dann gibt es noch auf der oberen Kante der Rückwand eine Spielzeugstraßenbahn mit der Nummer 337, die langsam und unablässig hin und her fährt. Der Prozessalltag in der Kanzlei Kolenatý wird mit ein paar grauen Angestellten im Hinterzimmer kafkaesk angereichert.

Vergrößerung in neuem Fenster Der Preis für das Papier ist hoch: Prus sen. und "EM"

Das eifrige Pflegepersonal, das einem offenbar immer noch flinken Uraltliebhaber der Emilia auf den Fersen ist und ihn von seinen amourösen Fluchtplänen immer wieder abbringt, möbelt die Geschichte in Richtung handfester Komödie auf. Graham Clark macht aus seinem Hauk-Šendorf natürlich das entsprechende Kabinettstück. Eine poetisch geisterhafte Verbindung in die Vergangenheit bietet die immer mal wieder durchs Bild geisternde, nur für Emilia zu sehende Erscheinung des einzigen Mannes, den sie in der Vergangenheit tatsächlich geliebt hat. Der Rest ist Anwaltsalltag und Künstlerinnenattitüde. Alles auf eher hausgemachtem Niveau. Dabei gibt der wieder so exzellent spielende wie singende Frankfurter „Sänger des Jahres“ Johannes Martin Kränzle den Vater Prus und der etwas angestrengte Paul Groves den Albert Gregor. Susan Bullock bietet als Emilia Marty (EM) alle ihre im hauseigenen Ring gerade Brünnhilden-trainierte Stimmkraft auf, ist aber mehr eine Diva für die Liebhaber des handfest Lebenspraktischen als des faszinierend Künstlerischen. Womit sie sicher die Erzähl-Intention des Regisseurs erfüllt, aber weit hinter der Magie von exemplarischen Rollenvorbildern wie etwa Anja Silja zurückbleibt.

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Die große Lebensbeichte zum Schluss

Das Ende lässt Jones offen. Da will nach dem großen biografischen Abriss, der der Sängerin wider Willen abgerungen wird, und an dessen Ende ihr Entschluss steht, keinen erneuten Gebrauch von dem Elixier zu machen, niemand das Papier mit dem Rezept ihres Vaters haben. Ja schlimmer noch. Allesamt erweisen sich als so kleingeistig, dass sie die Flucht vor Emilia ergreifen, sie einschließen und dann auch noch von außen die Scheiben einwerfen. Der Zuschauer bekommt eine Aufgabe mit auf den Heimweg: Er kann darüber rätseln, ob sie nun das Rezept noch ins Feuer werfen wird, oder nicht. Und warum sie es tun oder lassen könnte.

Friedemann Layer steigt am Pult des Opern- und Museumsorchesters mit ziemlichem Furor ein, findet aber dann doch einen so überzeugenden Zugang zur suggestiven Sound von Janaceks spätem Werk, dass deren Symbiose von Wort und Musik auch hier als Vorzug zu strahlen beginnt.


FAZIT

Richard Jones macht aus der Sache Makropulos keinen großen ambitionierten Wurf, sondern verlässt sich aufs Nacherzählen. Musikalisch solide aus dem Graben begleitet, gibt es auch einige vokale und darstellerische Glanzlichter.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Friedemann Layer

Regie
Richard Jones

Bühnenbild und Kostüme
Antony McDonald

Licht
Mimi Jordan Sherin

Choreographie
Lucy Burge

Chor
Michael Clark

Dramaturgie
Norbert Abels


Chor der Oper Frankfurt

Frankfurter Museumsorchester


Solisten

Albert Gregor
Paul Groves

Emilia Marty
Susan Bullock

Vítek
Jan Markvart, Jan Markvart

Kristina
Christiane Karg

Jaroslav Prus
Johannes Martin Kränzle

Janek
Aleš Briscein

Dr. Kolenatý
Dietrich Volle

Hauk-Šendorf
Graham Clark

Maschinist
Vuyani Mlinde

Aufräumfrau, Ankleiderin
Anja Fidelia Ulrich



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

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