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Max und Moritz

Ballettkomödie nach Wilhelm Busch von Edmund Gleede
Musik von Gioacchino Rossini, Choreographie von Michael Kropf

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 31. März 2012


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Buntes Spektakel für Groß und Klein

Von Thomas Molke / Fotos von Mario Perricone

Jeder kennt die Geschichten von Wilhelm Buschs wohl berühmtestem Lausbubenpaar Max und Moritz. Dass Edmund Gleede zum Ende seiner Amtszeit als Ballettdirektor an der Bayerischen Staatsoper München 1984 eine Ballettkomödie kreierte, die die sieben Streiche mit der frechen und spritzigen Musik von Gioacchino Rossini unterlegte und dabei Musik und Handlung eine Einheit eingingen, als ob Rossini selbst diese Musik für die erst drei Jahre vor seinem Tod entstandenen Lausbubengeschichten komponiert hätte, ist nicht ganz so bekannt, obwohl sich zahlreiche Ballett-Compagnien Gleedes Vorlage angenommen haben und daraus einen bunten Abend für Jung und Alt konzipiert haben. Auch in Essen war die Uraufführungsfassung in der Choreographie von Peter Marcus Ende der achtziger Jahre zu erleben. Michael Kropf, der seit der letzten Spielzeit als Ballettmeister am Aalto Ballett Theater tätig ist und bei der Uraufführung den Schneider Böck tanzte, hat nach seiner Choreographie des Werkes 2007 für das Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper, die er gemeinsam mit Ferenc Barbay, der den Max in der Uraufführung darstellte, entwickelte, sich dieses Stückes nun erneut angenommen, wobei Bühnenbild und Kostüme aus der Wiener Produktion von 2007 übernommen zu sein scheinen.

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Max (Breno Bittencourt, links) und Moritz (Denis Untila, rechts) bei ihrem dritten Streich.

Das Stück beginnt mit der Ouvertüre zu der Oper Bianca e Falliero. Das Bühnenbild von Manfred Waba zeigt auf neun großen Stellwänden, die die Bühne einrahmen, auf der rechten und linken Seite jeweils einen Cartoon aus den einzelnen Streichen, der der literarischen Vorlage entnommen zu sein scheint. Um diese Cartoons herum wird eine Art Bücherregal angedeutet. Über der Stellwand ist die Nummer des jeweiligen Streiches angegeben, die an der entsprechenden Stelle aufleuchtet. Die Rückwand zeigt auf drei Stellwänden jeweils ein Konterfei der beiden Lausbuben und ihres geistigen Verfassers. Vor den Stellwänden und im Schnürboden befinden sich die einzelnen Requisiten, aus denen Heinzelmännchen zwischen den einzelnen Szenen blitzschnell Witwe Boltes Küche, die Schulbank oder die weiteren Orte der Streiche aufbauen. In der Mitte der Bühne wird ein großes Buch aus dem Bühnenboden emporgefahren, dem zunächst die beiden Lausbuben aus dem Einband, später die weiteren Figuren der Geschichte in farbenfrohen und fantasievollen Kostümen, die Friederike Singer den Zeichnungen im Buch annähert, dem Inneren des Buches entsteigen.

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Witwe Bolte (Alena Gorelcikova) und ihr Spitz (Wataru Shimizu).

Im Folgenden werden nun die sieben Streiche in chronologischer Abfolge zu Auszügen aus Rossinis Le siège de Corinthe, Maometto secondo, La gazza ladra, Guillaume Tell, Semiramide, Il viaggio a Reims und natürlich Il barbiere di Siviglia präsentiert, wobei darüber hinaus Sätze aus Werken von Benjamin Britten und Ottorino Respighi erklingen, die Rossinis Klavierstücke Péchés de vieillesse bearbeitet haben. Der Tanzstil umfasst dabei Elemente des Klassischen Balletts auf Spitzenschuhen, des Charaktertanzes, wenn beispielsweise die Opfer der beiden Lausbuben in recht steifen Bewegungen über die Bühne staksen und somit eine gewisse Komik erzeugen oder Enten mit Flossen über die Bühne watscheln, und des Stepptanzes, der schon fast an Riverdance erinnert, wenn die Figuren des Stücks am Ende zum "Soldatentanz" aus Guillaume Tell ihren Sieg über die zu Körner verarbeiteten Lausbuben feiern, bevor am Ende das Buch wieder aus dem Bühnenboden emporgefahren wird und diesem zwei neue kleine Lausbuben entsteigen. Die Gefahr der unerzogenen Kinder wird also niemals gebannt sein.

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Schneider Böck (Toshiro Abbley) und seine Frau (Yulia Tsoi).

Neben dem Ballett-Ensemble des Aalto-Theaters sind auch Kinder und Jugendliche auf der Bühne zu erleben, so dass der Ballettabend nicht nur für junge und jung gebliebene Zuschauer konzipiert ist, sondern auch die Jugend auf der Bühne einbezieht. So werden die Schulkinder, die mit Max und Moritz die Schulbank beim Lehrer Lämpel drücken, von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Essen-Werden und dem Aalto-Kinder- und Jugendchor dargestellt, die mit großer Komik auch "Von Lust belebt, gleich Zephirn schwebt" aus der Oper Guillaume Tell schmettern und damit den Lehrer zur Weißglut bringen, so dass es kein Wunder ist, dass er seinen Trost im Tabak suchen muss. Besondere Begeisterung lösen die Kinder der Rhythmischen Sportgymnastik des ETB Schwarz-Weiss Essen e. V. aus, die als kleine Maikäfer Onkel Fritz im Bett das Leben zur Hölle machen. Mit Blick auf diese entzückenden kleinen Krabbeltiere wird auch darauf verzichtet, diese vom Onkel totschlagen zu lassen. Entzückend ist auch Lara Selakovic, die als kleine Ente über die Bühne watschelt. Die Statisterie des Aalto-Theaters gibt mit Luke Forbes als Heinzelmännchen ebenfalls eine gute Figur ab.

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Onkel Fritz (Dragan Selakovic) mit der Maikäferkönigin (Maria Lucia Segalin, im Bett) und den großen und kleinen Maikäfern (Kinder der Rhythmischen Sportgymnastik des ETB Schwarz-Weiss Essen e. V.).

Der Erfolg einer Produktion dieser Ballettkomödie hängt natürlich auch zum großen Teil davon ab, ob man für die beiden Lausbuben geeignete Tänzer in der Compagnie hat. Zu Breno Bittencourt und Denis Untila lässt sich bemerken, dass sie geradezu prädestiniert für diese beiden Rollen sind, da ihnen der Schalk regelrecht im Nacken sitzt. Bittencourt zeichnet einen Max, der seinem Bruder in der geistigen Beweglichkeit ein bisschen überlegen zu sein scheint, und entwickelt bei seinen Streichen große Schadenfreude. Untila gibt den Moritz nicht weniger schadenfroh und überzeugt vor allem durch seine angedeutete Unbeholfenheit in manchen Situationen. Gemeinsam begeistern sie durch kraftvolle Sprünge und atemberaubende Pirouetten im "Walzer" zu Beginn des zweiten Aktes, bevor sie sich anschicken, dem Onkel Fritz die Maikäferplage zu schicken. Hier zeigen Bittencourt und Untila, dass sie die beiden Lausbuben nicht nur mit hervorragender Mimik und expressiver Gestik spielen können, sondern auch ausgezeichnete Tanzsolisten sind.

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Finale mit Stepptanz (von links vorne: Spitz (Wataru Shimizu), Witwe Bolte (Alena Gorelcikova), Hahn (Davit Jeyranyan), hintere Reihe Mitte: Frau Böck (Yulia Tsoi), Schneider Böck (Toshiro Abbley) und Ensemble).

Alena Gorelcikova gibt eine recht exaltierte Witwe Bolte, die meistens auf Spitze tanzt und eine innige Beziehung zu ihrem Spitz hat, der von Wataru Shimizu als reizendes Schoßhündchen sowohl auf vier als auch auf zwei Beinen beim eleganten Tanz überzeugt. Für große Begeisterung sorgen auch Elisa Fraschetti, Ana Carolina Reis und Yanelis Rodriguez als Hühner und Davit Jeyranyan als Hahn, wenn sie kurz vor dem Aufpicken des verhängnisvollen Brotes in einer Formation wie die vier kleinen Schwäne aus Schwanensee auftreten oder der Hahn genau wie die Hühner kurz vor seiner Strangulation ebenfalls ein Ei legt. Toshiro Abbley und Yulia Tsoi wirken als Schneider Böck und seine Frau in ihren Bewegungen und ihrem Äußeren wie eine Karikatur. Auch sie überzeugen durch große Spielfreude. Ein Schmunzeln rufen auch die Schwäne hervor, die auf dem Bach schwimmen, in den der Schneider stürzt und in ihren Bewegungen ebenfalls Assoziationen an Tschaikowskis Ballettklassiker hervorrufen.

Nour Eldesouki zeichnet den Lehrer Lämpel als unsympathischen Oberlehrer, wie er einem auch in der Zeichnung von Wilhelm Busch erscheint. Bei der Explosion der Pfeife zündet die Bühnentechnik ein regelrechtes Feuerwerk, was diese Inszenierung schon beinahe für eine Silvesteraufführung empfiehlt. Witzig ist auch die Idee zur berühmten Ouvertüre von Guillaume Tell die Feuerwehrleute zum Löschen antreten zu lassen. Dragan Selakovic gefällt als Onkel Fritz ebenso wie Nwarin Gad als Bäcker, der wohl an Witwe Bolte Gefallen gefunden hat, Marek Tuma als Bauer Meck und Alexey Irmatov als Meister Müller, die die Lausbuben zur berühmten Ouvertüre zu Il barbiere di Siviglia zu Körnern verarbeiten. Auch die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Volker Perplies beweisen, welcher Vorteil darin liegt, dieses Ballett mit Live-Musik zu begleiten, da so zum Beispiel die Tuba besonders aufspielen kann, wenn der behäbige Müller sich auf Max setzt, um ihn in einen Sack zu stecken. Insgesamt führt Perplies die Bochumer Symphoniker genauso federleicht und spritzig durch die Partitur, wie es von den Tänzern auf der Bühne umgesetzt wird.

So gibt es am Ende nicht enden wollenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten, in den sich neben dem Regie-Team auch Edmund Gleede als Erfinder dieser großartigen Ballettkomödie einreiht.

FAZIT

Wer Kinder und Jugendliche für das Theater begeistern möchte, sollte sich diese Ballettkomödie keinesfalls entgehen lassen, da sie einen hervorragenden Einstieg ins Handlungsballett liefert und eine Alternative zum Nussknacker darstellt. Wer klassisches Handlungsballett liebt und von den zahlreichen Neudeutungen und Modernisierungen eher abgeschreckt wird, dürfte in Essen voll auf seine Kosten kommen. Wer dieses Handlungsballett noch nicht kennt, muss diese Bildungslücke in Essen unbedingt schließen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Volker Perplies

Choreographie
Michael Kropf

Bühne
Manfred Waba

Kostüme
Friederike Singer

Licht
Manfred Kirst

Kinderballett
Nadia Deferm



Bochumer Symphoniker


Solisten

Max
Breno Bittencourt

Moritz
Denis Untila

Witwe Bolte
Alena Gorelcikova

Spitz
Wataru Shimizu

Hahn
Davit Jeyranyan

Hühner
Elisa Fraschetti
Ana Carolina Reis
Yanelis Rodriguez

Schneider Böck
Toshiro Abbley

Frau Böck
Yulia Tsoi

Schwäne
Paula Archangelo Guimaräes
Xiyuan Bai
Mariya Mizinskaya
Elitsa Zafirova

Lehrer Lämpel
Nour Eldesouki

Schulkinder
Schülerinnen und Schüler
des Gymnasiums Essen-Werden
Aalto-Kinder- und Jugendchor

Feuerwehrhauptmann
Davit Jeyranyan

Feuerwehrleute
Xiyuan Bai
Hanna Boelens
Mariya Mizinskaya
Elitsa Zafirova
Luke Forbes
Simon Schilgen
Alexey Irmatov

Onkel Fritz
Dragan Selakovic

Maikäferkönigin
Maria Lucia Segalin

Große Maikäfer
Paula Archangelo Guimaräes
Xiyuan Bai
Hanna Boelens
Carla Colonna
Elisa Fraschetti
Ana Carolina Reis
Elitsa Zafirova

Kleine Maikäfer
Kinder der Rhythmischen
Sportgymnastik des ETB
Schwarz-Weiss Essen e. V.

Bäcker
Nwarin Gad

Putzfrauen
Paula Archangelo Guimaräes
Elisa Fraschetti
Ana Carolina Reis
Michelle Yamamoto

Max / Mehldouble
Simon Schilgen

Moritz / Mehldouble
Davit Jeyranyan

Bauer Meck
Marek Tuma

Meister Müller
Alexey Irmatov

Enten
Carla Colonna
Elisa Fraschetti
Ana Carolina Reis
Michelle Yamamoto

Kleine Ente
Lara Selakovic

Heinzelmännchen
Luke Forbes
Statisterie des Aalto-Theaters




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