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Rätselhafte Vorgänge hinter Klostermauern
Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer / Landestheater Detmold Die katholische Kirche und der Zölibat, das ist ja so eine Sache für sich. Über die Verpflichtung zur sexuellen Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit lässt sich innerhalb wie außerhalb der Kirche trefflich streiten, und wie sich das dann auf die Psychohygiene der Betroffenen auswirkt, ist noch so eine Frage für sich. Kay Metzger, Detmolder Intendant und Regisseur dieses neuen Parsifal, scheint da seine Zweifel zu haben. Die Gralsgesellschaft jedenfalls, die da vorgeblich zölibatär in einem nüchtern weißen Klosterneubau lebt und durchaus anfechtbar für sexuelle Verlockungen erscheint, entpuppt sich als ziemlich militanter Verein, der seine verdrängte Sexualität durch erhöhte Gewaltbereitschaft sublimiert: Beim Gralsgottesdienst malt man sich blutige Kreuze auf die entblößte Brust und zieht mit erhobenem Schwert davon. Wilderei im klostereigenen Tierbestand: Gurnemanz mit Schwan, Parsifal mit BogenIm Parsifal wird ja eine, nun ja, ziemlich verschmockte Geschichte um Sinnlichkeit und Sünde zwischen Mutterkomplex und Welterlösung erzählt und gleich noch zum Bühnenweihfestspiel überhöht. Eine ausgesprochen komplizierte Angelegenheit, und Kay Metzger hat es sich offenbar zum Ziel gesetzt, da ganz entschieden für Klarheit zu sorgen. Eigentlich nicht die schlechteste Idee, nur müsste sie auch funktionieren damit hapert's aber. Metzger verlegt die Handlung in unsere Gegenwart und macht aus den Gralsrittern eine ziemlich katholische Ordensgemeinschaft. Mitbruder Klingsor, der demonstrativ sein offenbar verstümmeltes Genital entblößt (Details erkennt man nur in den ersten Reihen), betreibt hinter Klostermauern eine Art Bordell die Blumenmädchen tragen unter eleganten schwarzen Seidenmänteln knappe Berufskleidung. Das allein ist schon eine gewagte gedankliche Konstruktion, noch viel problematischer ist der Schluss: Da führt Parsifal eben jene Damen als Novizinnen in den Orden ein, und im Schlussbild signalisieren Speer und Gral, schon zuvor etwas überdeutlich als Symbole für männliche und weibliche Sexualität inszeniert, die sexuelle Vereinigung was soll man nun mit dieser Lösung anfangen? Weg mit dem Zölibat, und alles wird gut? Es lebe die sexuelle Freizügigkeit? Da sollten nicht nur in katholischen Kreisen Zweifel am Sinn dieses Konzepts aufkommen. Man darf sicher nicht alles in dieser Inszenierung so konkret deuten, wie es auf den ersten Blick aussieht, aber das Konzept wird nicht annähernd der Komplexität von Wagners Libretto, schon gar nicht von Wagners Musik gerecht. Verführungsversuche: Parsifal und die Blumenmädchen Das Theater Detmold hat in den vergangenen Spielzeiten einen musikalisch wie szenisch sehr beachtlichen Ring des Nibelungen gestemmt, ebenfalls von Metzger inszeniert (siehe unsere Rezensionen von Siegfried und Götterdämmerung). Dort hatte Metzger eine sehr freche, auch ironisch gebrochene Sichtweise gefunden, die das große Drama als Theatermärchen vorführte und dadurch die richtige Distanz wahrte, aus der man Wagners verwickeltes, mitunter auch verquastes Weltendrama genuss- wie erkenntnisvoll betrachten konnte. Das gelingt ihm in dieser Inszenierung nicht. Was im Ring an den besten Stellen federleicht entstand, hat hier einen belehrenden und zugleich übermäßig vereinfachenden Beigeschmack. So einfach, wie Metzger sich das wünscht, lässt sich der Parsifal nicht abfertigen. Im für alle Aufzüge gleichen Einheitsbühnenbild wird szenisch gar nichts verwandelt, auch nicht bei den Verwandlungsmusiken, die den Weg vom Garten in den Kirchenraum beschreiben, also ein Weg von außen nach innen (das ist mehr als nur Umbaumusik). Eben diese Verwandlungen werden hier durch lebende Bilder" unterlegt, die von Adam und Eva (der Sündenfall) bis zur Kreuzabnahme reichen und sich hart am Kitsch bewegen. Zum viel zitierten zum Raum wird hier die Zeit" sieht sich Parsifal einem Kind gegenüber, das offenbar er selbst ist. Parsifal und Kundry sind in das gleiche, ziemlich verunstaltende Kostüm gesteckt sind das Geschwister, oder findet Parsifal hier zu sich selbst? Sehr schlüssig ist das alles nicht. Und die Bildsprache, die Metzger und seine Ausstatterin Petra Mollérus hier finden, ist dann doch recht eindimensional. Kundry und ParsifalWenn die Regie auch keinen schlüssigen Deutungsansatz bietet, so lenkt sie immerhin nicht allzu sehr von der Musik ab, um die es sehr ordentlich bestellt ist obwohl die Vorzeichen keineswegs gut waren. Während der Hauptproben musste Detmolds GMD Erich Wächter aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig aus der Produktion aussteigen quasi über Nacht übernahm Uwe Sandner, Chefdirigent am Pfalztheater in Kaiserslautern (wo er auch gerade den Parsifal dirigiert), die musikalische Leitung. Der eine oder andere Wackler ist sicher diesem Stabswechsel geschuldet, aber insgesamt gelingt Sandner und dem guten Detmolder Orchester eine überzeugende, viel Ruhe und Würde ausstrahlende Interpretation. Die riesige Chorbesetzung stellt ein kleines Theater wie Detmold naturgemäß vor Probleme; zu Chor und Extra-Chor gesellen sich Sänger des freien Opernchores Coruso. Da sind gute Sänger am Werk, keine Frage; die Homogenität eines eingespielten Ensembles ist allerdings nicht zu erreichen. Marbod Kaiser hat die Chöre gut eingestellt. Wenn im ersten Aufzug die Frauenstimmen aus dem Off zugespielt werden, ist das klanglich gewöhnungsbedürftig, macht aber die Abgeschlossenheit dieses Männerbundes offenkundig. "Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug": Parsifal und Amfortas Mit Johannes Harten in der Titelpartie kann das Theater Detmold einen formidablen Heldentenor aus eigenen Reihen aufbieten: Mit leicht baritonal eingefärbter, trotzdem glanzvoller Stimme und angemessener Leichtigkeit auch in der Höhe; an Text- und Notensicherheit ließe sich wohl noch arbeiten. Das Regieteam (das ja keineswegs zum ersten Mal mit dem Sänger arbeitet) dürfte freilich mehr Wert auf ein wirklich kleidsames Kostüm legen, gerade weil der Sänger über keine Idealfigur verfügt das betrifft genauso Brigitte Bauma als Kundry: Hier werden beide mit Hosenträgern der Lächerlichkeit preisgegeben. Stimmlich ist man bei Brigitte Bauma hin und her gerissen. Das flackernde Vibrato und die unausgeglichene Stimmführung, dazu eine farblose tiefe Lage lässt diese Besetzung eher als Notlösung erscheinen, der Furor und die Unbedingtheit, mit der sie den (dramatischeren) zweiten Teil der Begegnung mit Parsifal im zweiten Aufzug angeht, nimmt dann doch für sie ein. Der markige und mitunter etwas manirierte, aber alles andere als altväterlich singende Gurnemanz von Christoph Stephinger und der klare und prägnante, sehr präsente Klingsor von James Tolksdorf, auch der ebenfalls schlanke Amfortas von Andreas Jören sind ausgezeichnete Besetzungen, zumal alle drei über die nötigen Kraftreserven verfügen.
So leicht, wie Kay Metzger sich das vorstellt, ist dem Parsifal nicht beizukommen, und so wird er szenisch unter Wert gehandelt. Sehr viel überzeugender ist die musikalische Seite. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Regiemitarbeit
Ausstattung
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Amfortas
Titurel
Gurnemanz
Klingsor
Kundry
1. Gralsritter
2. Gralsritter
3. Knappe
4. Knappe
Blumenmädchen
Stimme aus der Höhe
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