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Musiktheater
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Norma

Lyrische Tragödie in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 3. Dezember 2011 




Theater Dortmund
(Homepage)
Wo bleibt die Regie?

Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Während Vincenzo Bellinis Norma auf den nordrhein-westfälischen Opernbühnen in den letzten Jahren eher ein Schattendasein geführt hat, haben in dieser Spielzeit direkt drei Theater dieses Meisterwerk der Opernliteratur, das seine Berühmtheit vor allem der von nahezu jeder namhaften Sopranistin eingespielten Bravourarie "Casta diva" zu verdanken hat, auf den Spielplan gesetzt. Dabei wurde der Bellini-Fan jedoch vor das Problem gestellt, dass die Premieren in Krefeld und Dortmund zeitgleich stattfanden. Für Dortmund sprach vielleicht, dass es sich bei der Krefelder Produktion um eine Übernahme des Pfalztheaters Kaiserslautern handelte und man die Inszenierung vielleicht von dort schon kannte, während man in Dortmund eine echte Neuinszenierung erleben konnte, und dann noch als szenische Erstaufführung. Konzertant war Norma nämlich bereits schon häufiger in Dortmund zu erleben, zuletzt im Konzerthaus mit Cecilia Bartoli in der Titelpartie. Eine szenische Präsentation war also ein Novum und wurde vom Premierenpublikum im gut besuchten Opernhaus mit großer Neugier erwartet. Geboten bekam man allerdings eine Aufführung, die sich von einer konzertanten Fassung nur minimal unterschied.

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Oroveso (Wen Wei Zhang, Mitte) hat die Druiden (Herrenchor) versammelt, um durch seine Tochter Norma das Orakel des Gottes Irminsul zu vernehmen.

Die Geschichte spielt zur Zeit der römischen Besetzung Galliens im ersten Jahrhundert vor Christus. Der römische Prokonsul Pollione hat ein Verhältnis mit der Oberpriesterin Norma, der Tochter des höchsten Druiden. Doch obwohl aus dieser Verbindung schon zwei Kinder hervorgegangen sind, die Norma vor ihrem Vater und ihrem Volk versteckt hält, verliebt sich Pollione in die Priesterin Adalgisa und plant, mit ihr nach Rom abzureisen. Norma ist über diesen Treuebruch entsetzt und beschließt, sich an Pollione zu rächen, indem sie die gemeinsamen Kinder tötet. Da sie aber zu dieser Tat nicht fähig ist und trotz Adalgisas Verzicht auf den Geliebten erkennt, dass sie Pollione nicht wieder zurückgewinnen kann, entscheidet sie sich, gemeinsam mit ihm den Scheiterhaufen zu besteigen und ihrem Leben ein Ende zu setzen.

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Pollione (Mikhail Vekua) zwischen Adalgisa (Katharina Peetz, links) und Norma (Miriam Clark, rechts).

Im Programmheft wird auf die Konflikte hingewiesen, die im Zentrum der Handlung stehen und unauflöslich miteinander verbunden sind. Da geht es zum einen um die Konfrontation der gallischen und der römischen Gesellschaftsformen und zum anderen um den ganz persönlichen Konflikt einer Frau zwischen öffentlicher Funktion und individuellem Gefühl. Im zweigeteilten Bühnenbild von Henrik Ahr lässt sich jedoch, wenn überhaupt, nur der persönliche Konflikt erkennen. So teilt Ahr den Raum durch eine hohe braune Wand, die auf der linken Seite Normas Refugium darstellt, in dem sie ihre Kinder ins Bett bringt und sich auf ihren priesterlichen Auftritt vor dem Volk vorbereitet, und auf der wesentlich größeren rechten Seite einen nicht näher definierbaren Raum zeigt, der nach hinten durch ein leeres Fensterkreuz ins Nichts führt. Wenn die Druiden sich versammeln, um Normas Verkündigung der Beschlüsse des gallischen Gottes Irminsul zu lauschen, stellen sie braune Holzstühle, die beinahe an ein Klassenzimmer erinnern, in zwei Blöcken auf. Sollen das die zwei Lager sein? Immerhin sitzt Pollione bei seiner Liebeserklärung an Adalgisa in dem einen und Adalgisa in dem anderen Block. Im Duett zwischen Adalgisa und Norma geht diese Deutung aber bereits nicht mehr auf.

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Norma (Miriam Clark) zwischen Mutterliebe und Eifersucht.

Auch die Kostüme von Bianca Deigner spiegeln höchstens Normas persönlichen Konflikt wider. So trägt sie zur Ausübung ihres Amtes als Oberpriesterin einen grauen knielangen Fellmantel über einem blauen Cocktailkleid und verbirgt ihre Haare unter einer schwarzen Bubikopf-Perücke, während sie in den restlichen Szenen in einem bodenlangen gelben Strickmantel auftritt. Dass sie am Ende, wenn sie ihr ehemaliges Verhältnis zu Pollione öffentlich macht, den grauen Fellmantel offen lässt und darunter nicht das blaue Kleid, sondern ein pinkfarbenes Mieder sichtbar wird, sie ferner die Perücke ablegt und ihre hochgesteckten Haare löst, zeigt, dass sie nicht länger bereit ist, ihre Gefühle zu verbergen. Ob die Wahl der beiden Kostüme dabei gelungen ist und ob es nötig ist, dass die Darstellerin der Norma (Miriam Clark) vor ihrem Auftritt vor dem Volk auf offener Bühne bis auf das Mieder entblößt und von ihrer Dienerin Clotilde umgezogen werden muss, bleibt Geschmacksache. Auch die Kostüme der anderen Figuren wirken recht lieblos zusammengewürfelt und lassen keine tiefergehende Rollenanalyse zu. So setzen Pollione in Blau, Adalgisa in Zartrosa und Oroveso in Schwarz mit orangefarbenem Hemd recht willkürliche Farbtupfer in den ansonsten grau gehaltenen Kostümen der Gallier.

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Norma (Miriam Clark) fleht Pollione (Mikhail Vekua) an, Adalgisa zu verlassen.

Und die Regie von Enrico Lübbe? Dem Operndebütanten scheint zur Musik nicht allzu viel eingefallen zu sein. Eine der wenigen Aktionen besteht darin, Norma mit ihren Kindern und Clotilde von links nach rechts über die Bühne laufen zu lassen, wenn Oroveso gerade nicht hinschaut, um zu verdeutlichen, dass Norma ihre Kinder vor ihrem Vater versteckt. Ansonsten besteht die Personenregie größtenteils darin, die Figuren im Sitzen ihre Arien und Duette in räumlicher Distanz singen zu lassen. Ist es Absicht, dass Lübbe die Personen nahezu gar nicht interagieren lässt? Oder ist er vielleicht selbst so von der Musik ergriffen, dass er meint, es reiche, die Protagonisten einfach ohne Aktion singen zu lassen? Wenn Norma zu Beginn des zweiten Aktes erkennt, dass sie lieber selbst sterben will als ihre Kinder zu töten, gelingt Miriam Clark ein intensives Rollenportrait. Aber es ist zu bezweifeln, dass ihr inniges Spiel vom Regisseur vorgegeben worden ist. Lediglich am Schluss gelingt Lübbe ein Schockmoment, wenn er Norma und Pollione statt des Scheiterhaufens mit Benzin aus Kanistern überschütten lässt und Oroveso vor dem Blackout ein brennendes Feuerzeug auf die beiden wirft. Aber diese Momente sind Mangelware, und so wird das Regieteam am Ende mit einem regelrechten Buh-Orkan empfangen, nicht etwa, weil es provokativ inszeniert hat, sondern eher, weil es dem Publikum nahezu jegliche Inszenierung verweigert.

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Moment der Entscheidung: Norma (Miriam Clark) offenbart ihrem Volk (Chor) ihre verbotene Liebe zum römischen Feind.

So hätte der Abend eine große Enttäuschung werden können, wenn nicht die musikalische Seite für die szenischen Mängel entschädigt hätte. Mikhail Vekua hat als Pollione zu Beginn zwar noch große Probleme und trifft in seiner Auftrittsarie auch nicht jeden Ton sauber, steigert sich aber im Verlauf des Abends und wird in den folgenden Duetten besser. Dennoch neigt sein Tenor bisweilen dazu, die Höhen stark zu forcieren. Im Gegensatz zu ihm glänzt Wen Wei Zhang als Oroveso mit schwarzem, kräftigem Bass und könnte sich nach seinem grandiosen Daland im fliegenden Holländer gut zum Publikumsliebling der Spielzeit entwickeln. Lucian Krasznec gefällt in der kleinen Rolle des Flavio mit klarem Tenor.

Miriam Clark bewältigt die Herausforderung, mit großen namhaften Sopranistinnen in der Titelrolle verglichen zu werden, und legt die Rolle eher lyrisch an, wobei ihr auch die dramatischen Ausbrüche gelingen. Dabei setzt sie die Töne in den Koloraturen stets sauber an, ohne sie zu verschleifen. Besonders innig klingen die Duette mit Katharina Peetz als Adalgisa. Peetz' fülliger Mezzo harmoniert in der Stimmfärbung wunderbar mit Clarks Sopran, so dass melodisch die Szenen zwischen den beiden Frauen mehr bewegen können als die Duette mit Vekua. Auch Julia Amos stattet die Vertraute Clotilde mit kräftigem Sopran aus. Abgerundet wird der Abend von den fulminant aufspielenden Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Lancelot Fuhry, die den Abend, wenn schon nicht zu einem szenischen, dann doch wenigstens einem musikalischen Ereignis machen, das vom Publikum mit großem Beifall goutiert wird.

 

FAZIT

So laut hätte die Ablehnung für das Regie-Team nicht ausfallen müssen, da Lübbe das Stück nicht gegen den Strich bürstet, sondern nahezu konzertant präsentiert. Musikalisch hat die Produktion durchaus ihre Meriten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lancelot Fuhry

Inszenierung
Enrico Lübbe

Mitarbeit Regie
Torsten Buß

Bühne
Henrik Ahr

Kostüme
Bianca Deigner

Licht
Ralph Jürgens

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Georg Holzer

 

Opernchor des
Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Pollione, römischer Prokonsul
Mikhail Vekua

Oroveso, Druidenpriester
Wen Wei Zhang

Norma, dessen Tochter
Miriam Clark

Adalgisa, Priesterin
Katharina Peetz

Clotilde, Normas Freundin
Julia Amos

Flavio, Begleiter des Pollione
Lucian Krasznec

Normas Kinder
Felix Görgner
Dejan Hauch


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



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