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Große Oper für mehr PublikumVon Michael Cramer / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage PicturesHausherr Benoît und zahlungsunwillige Mieter
Ein Regisseur tut sich immer schwer mit der Boheme; entweder man macht es klassisch, dann ist es halt wie immer, oder versucht mühsam und risikoreich eine alternative Interpretation der Geschichte, die dazu aber zu einfach und gradlinig ist. Intendant Jens-Daniel Herzog bemüht sich, mit publikumswirksamen Stücken und Inszenierungen das Vertrauen der Operngänger zurück zu gewinnen; hier hat er klar gepunktet, wie auch aus den Kommentaren auf der Webseite der Oper zu lesen ist. Allerdings lies die abendliche Besucherzahl trotz hervorragender Kritiken in der Lokalpresse zu wünschen übrig; aber das kann ja noch kommen. Zehn Minuten Verspätung wurden in der hier besprochenen Aufführung angekündigt, ein Ersatz-Rodolfo, allerdings der Interpret bei der Premiere, musste im letzten Moment eingeflogen werden, kein Problem. Trotz aller Routine spürte man jedoch zunächst die Unruhe aller Akteure, die ein solcher Stress mit sich bringt. Oper ist halt immer eine Gratwanderung. Rodolfo und Mimí
Katharina Thoma, die in Dortmund jüngst bereits die selten gespielte Barockoper L'Eliogabalo von Cavalli (unsere Rezension) sehr erfolgreich in Szene gesetzt hat, wagte wohl auch im Hinblick auf das Publikum keine Freestyle-Interpretation, sondern brachte eine konventionelle, hübsche Inszenierung auf die Bühne, mit allerlei netten kleinen Gags und vor allem einer exzellenten Sängerriege. So richtig eine Oper zum Duschen, wenngleich der Dirigent Michael Gielen diese seine Formulierung immer mit einen nicht versehen hatte. Die Bude der Bohemiens (Julia Müer) ist knapp möbliert, Türen rechts und links, das Übliche halt. Die Rückwand hebt sich dann mit Blick auf das verschneite Quartier Latin, das Zimmer wird geschickt in die gesamte Szene integriert. Musetta und Alcindoro
Dirigent und erster Kapellmeister des Hauses Lancelot Fuhry hatte Musiker und Sänger sehr gut im Griff, von kleinen Wackeleien mit dem Chor und gelegentlicher Übertönung der Sänger abgesehen. Es klang wie man es sich wünscht: Samtige Geigen, klangvolle saubere Bläser, sensibel, aber auch mit Drive und ohne Schmalz. Wunderbar. Star des Abends war die Mimi der Armenierin Ani Yorenz mit einer in den Mittellagen breit aufgefächerten und runden Stimme, mit unangestrengter, blühender Höhe und perfekter primadonnenhafter Darstellung der tragischen Gestalt auf der Bühne. Schon ihretwegen lohnt der Besuch der Aufführung; man darf auf ihre weitere Kariere gespannt sein. Herrlich ihr berühmtes Duett mit Rodolfo um das eiskalte Händchen, wenngleich man ihn gerne gelegentlich mit etwas mehr Aktion auf der Bühne gesehen hätte. Der junge Ramè Lahaj sang die Partie mit frischer, heller und sicher geführter, wenn auch in den Höhen noch recht schlanker Stimme. Schaunard (Morgan Moody) und Marcello (Gerardo Garciacano) standen ihm ebenbürtig zu Seite, besonders muss der markante und wunderbar füllige Bass des Chinesen Wen Wei Zhang als Colline erwähnt werden. Die Personenführung und Aktionen des Quartetts wirkten dagegen einstudiert und aufgesetzt, die Bewegungen klischeehaft vorhersehbar. Mimi und auch der stimmschöne Hannes Brock als Vermieter Benoît und Galan Alcindoro hingegen traten deutlich natürlicher und überzeugender auf. Trauriges Finale
Den Maler Marcello hatte die Regie zum Fotografen umfunktioniert, er hantierte fleißig mit einer großen Plattenkamera, vor der sich seine Kumpel selbstdarstellerisch posierten. Beleuchtet von dicken modernen Scheinwerfern, die nicht wirklich in die Jahrhundertwende der Inszenierung und auch zur mühsamen Kerzenbeleuchtung der Mansarde der Bohemiens passte. Aber zu den Farben der Weihnachtsszene vor dem Café Momus, die Figuren alle als fotografisches Negativ, mit dunklen Gesichtern und weißen Zylindern. Dazu passt auch die Choreografie des von Granville Walker gut einstudierten Chores, der immer wieder in die notwendige Zeitlupe und Starre wie bei alten Fotoshootings verfällt. Video gab es damals noch nicht und ein Fotograf sieht die Welt halt anders. Bestrickend dann die Idee im dritten Akt, wo ein riesiges weißes Tuch von oben auf die Szene fällt, als Schnee, welcher die heile Welt um das Café verdeckt, und als Leichentuch für die todkranke Mimi. Diese stirbt dann auch opernhaft schön, das Leichentuch senkt sich in den Untergrund, die menschliche Beziehung ist unwiederbringlich zu Ende. Eine bestechendes Szene mit subtilem und schlichtem Spiel, ganz ohne Pathos, herrlich zerbrechlich gesungen, für den Rezensenten das Highlight des Abends. Sicher kam so manches verstohlene Tränchen, lange Stille, dann ausgiebiger und begeisterter Applaus. FAZITKonventionelle, schöne Inszenierung ohne besondere Ecken und Kanten, mit nur kleinen Schönheitsfehlern, mit prächtigem Orchester und vor allem mit herrlichen Stimmen und einer herausragenden Mimi. Oper halt, wie es gemeine Opernbesucher sicher mag und hoffentlich ein weiterer Baustein zur besseren Akzeptanz des Dortmunder Hauses. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Solisten
Rodolfo, Poet
Schaunard, Musiker
Marcello, Maler
Colline, Philosoph
Mimì
Musetta
Benoît, der Hausherr
Alcindoro
Parpignol
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