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Siegfried

Zweiter Tag aus dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 25' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt am 2. Oktober 2011
 

 

 



Staatstheater Darmstadt
(Homepage)

Held mit Gitarre

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Schon seit langem sind die beiden noch ausstehenden Premieren der Ring-Tetralogie sowie der komplette erste Zyklus in Darmstadt ausverkauft, was zum einen zeigt, wie groß das Interesse in Darmstadt an Wagners monumentalem Opus ist, zum anderen aber auch, welch großes Vertrauen in den Intendanten John Dew als Regisseur am eigenen Haus gesetzt wird. Umso überraschender war es, dass am Premierennachmittag des Siegfried keine Scharen von Wagner-Enthusiasten vor dem Haus mit "Suche Karte" - Schildern auf und ab gingen, sondern sich eher Menschen aufreihten, die in letzter Minute noch Restkarten anzubieten hatten, weil einige Besucher die bereits gelösten Karten nicht nutzen konnten. Doch die "Ausverkauft" - Meldung hatte eventuelle Karteninteressierte wohl davon abgehalten, kurz vor der Premiere noch den Versuch zu unternehmen, einen Premierenplatz zu ergattern. Natürlich kann man keineswegs garantieren, dass es in zwei Wochen bei der Götterdämmerung ähnlich sein wird. Dennoch soll den Wagner-Interessierten ohne Karte ein wenig Mut gemacht werden, bei der nächsten Premiere ihr Glück vielleicht doch zu versuchen. Denn auch für Dews Siegfried lässt sich attestieren, dass man einen musikalisch und in der Inszenierung stimmigen Opernabend erleben kann.

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Mime (Norbert Schmittberg, links) und Siegfried (Christian Voigt) haben sich nichts zu sagen.

Eine sichere Bank ist einmal mehr Constantin Trinks, der mit dem Staatsorchester Darmstadt schon beim Vorspiel die dunklen Schattierungen der Partitur formvollendet zum Klingen bringt. Da wird der Riesenwurm, zu dessen Höhle Siegfrieds Weg im zweiten Aufzug führen wird, bereits lautmalerisch hörbar und jagt dem Zuschauer den einen oder anderen Schauer über den Rücken. Bühnenbildner Heinz Balthes gestaltet Mimes Behausung sehr klassisch mit dem für das Schmieden des Schwertes erforderlichen Mobiliar. Im Hintergrund befindet sich ein großer Garten, der mit den riesigen Kürbissen ein wenig an Hagrids Zaubergarten in Hogwarts erinnert. Bedenkt man, dass Mime nicht nur ein guter Schmied, sondern auch ein Giftmischer ist, passt dieser Garten recht gut ins Konzept. An das Rheingold erinnern nur noch Loges Kreidezeichnung "E = mc˛" am rechten Bühnenrand und die mit Baumrinde verzierten quaderförmigen Stellwände im Hintergrund der Bühne. Der Bär, mit dem Siegfried Mimes Schmiedeversuche unterbricht, ist bei Dew kein Statist sondern Wotan. Hier deutet Dew an, dass der Lichtalbe immer noch in das Geschehen eingreift und vielleicht auf diesem Wege versucht, den jungen Siegfried für seine Zwecke zu instrumentalisieren und damit Siegfrieds Abneigung seinem Ziehvater Mime gegenüber unterstützt. Siegfried selbst wirkt mit seinen Turnschuhen und der zerschlissenen Jeans wie ein Alt 68er, der sich gegen die seiner Meinung nach überkommenen Wertevorstellungen der älteren Generation zur Wehr setzt. Warum er dabei aber mehrfach zur Gitarre greift und sich damit musikalisch feinfühliger gibt, als es ihm das Libretto zugesteht, bleibt fragwürdig.

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Mime (Norbert Schmittberg, links) im Fragespiel mit dem Wanderer (Ralf Lukas, rechts).

Stimmlich gelingt Norbert Schmittberg mit kräftigem Tenor vor allem in der Mittellage ein sehr überzeugender Mime, der keineswegs so lächerlich näselnd daherkommt, wie man ihn aus zahlreichen Inszenierungen kennt. Mime stellt für Dew eine durchaus ernstzunehmende Bedrohung dar, die keineswegs unterschätzt werden sollte. Besonders Schmittbergs Szene mit Ralf Lukas als Wanderer überzeugt musikalisch und darstellerisch, wenn kleine Gesten wie Mimes Abrutschen vom Amboss, auf den er sich lässig stützen will, seine Unterlegenheit gegenüber dem Wanderer manifestieren. Ralf Lukas gefällt als Wanderer mit profundem Bass und sehr klarer Diktion und wirkt auch in den Höhen sicherer als in den vorangegangenen Ringteilen. Christian Voigts Siegfried klingt bei seinem Auftrittsruf "Hoiho" noch ein wenig belegt. Wenn er aber die Partie etwas baritonaler anlegen kann, erreicht seine Stimme eine Strahlkraft, die eines jungendlichen Helden würdig ist, und besitzt auch die erforderlichen Reserven, um diese Kräfte zehrende Partie bis zum Ende durchzuhalten. Die Schmiedeszene wird zwar recht klassisch inszeniert, lässt aber im Ergebnis zu wünschen übrig, da das geschmiedete Schwert Nothung doch sehr mickrig wirkt. Auch nicht nachvollziehbar bleibt, wieso Siegfried am Ende des ersten Aufzugs einen Stier mimt, der im Spiel auf Mime als Torero losgeht, bevor sich die beiden dann am Ende in die Arme fallen. Solch eine Gefühlsregung dürfte Siegfried bei aller Freude über das gewonnene Schwert am Ende des ersten Aufzugs dennoch fremd sein.

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Siegfried (Christian Voigt) im Kampf mit Fafner als Drachen.

Der zweite Aufzug beginnt nicht nur musikalisch genauso finster wie der erste. Fafner Höhle wird von den Baumrindenstellwänden angedeutet. Vor der Höhle wartet Alberich. Olafur Sigurdarson stattet den Nachtalben mit sehr dunklem Bass aus. Dew gibt der Figur mehr Spielraum als im Libretto vorgesehen. So lässt er ihn Siegfried sogar bis zum Walkürenfelsen folgen und Zeuge werden, wie Siegfried Wotans Speer zerschlägt. Auf diese Weise wird erklärt, wieso in der Götterdämmerung Alberichs Sohn Hagen genauestens über Brünnhilde und ihre Verbindung zu Siegfried informiert ist. Fafner erscheint zunächst nur in Form von zwei grün leuchtenden Scheinwerfern, die als Augen in den Zuschauerraum strahlen. In der späteren Auseinandersetzung mit Siegfried taucht er als Drache in einer Videoprojektion (Karl-Heinz Christmann) auf einer Leinwand auf. Dabei sind die Bewegungen des Drachen aber keineswegs auf den Text und den Gesang abgestimmt und wirken nahezu dilettantisch. Während des Kampfes verfügt der Drache plötzlich über zwei Köpfe, und wenn Siegfried ihm dem tödlichen Stoß versetzt, spritzt es auf der Leinwand Geldscheine statt Blut. Thomas Mehnert, der Fafner mit profundem Bass bisher aus dem Off über Lautsprecher gesungen hat, durchbricht ein Bühnenelement und fällt in seiner ursprünglichen Riesengestalt schwer verletzt auf die Bühne.

Der Waldvogel, der von Aki Hashimoto mit sehr leuchtendem Sopran aber leider nicht sehr textverständlich gesungen wird, ist ein blauer Papagei, der wie eine Marionette von Hashimoto an Strippen gehalten wird. Hashimoto erinnert dabei in ihrer Fliegermontur an die Walküren aus dem ersten Abend. Ihr kurzer Blickaustausch mit dem Wanderer, nachdem sie Siegfried im dritten Aufzug zum Walkürenfelsen geführt hat, legt nahe, dass auch der Waldvogel als Werkzeug Wotans eingesetzt worden ist, um Siegfried seiner Bestimmung zuzuführen. Dews Deutung ist hierbei ebenfalls nachvollziehbar. Welche Motivation sollte der Waldvogel auch sonst haben, Siegfried zu Brünnhilde zu führen? Schließlich ist es Wotans Absicht, mit Siegfried und Brünnhilde eine neue Weltordnung zu schaffen.

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Der Wanderer (Ralf Lukas) ruft ein letztes Mal Erda (Elisabeth Hornung) herbei.

Der dritte Aufzug führt in ein Bild zurück, das man bereits aus dem Rheingold kennt. In dieser roten Sofaecke und an diesem Schreibtisch haben die Götter einst auf die Fertigstellung der Burg Walhall gewartet. Die Spinnweben, die das Mobiliar jetzt überziehen, weisen darauf hin, dass hier lange niemand mehr gewesen ist. Wotans Speer liegt als Relikt einer vergangenen Zeit in einer Glasvitrine. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, dass er ihn im Kampf gegen Siegfried ein letztes Mal einsetzen. muss. Erda erscheint aus dem Bühnenboden. In den Händen hält sie immer noch den Schicksalsfaden aus dem Rheingold, der durch ihren Bauchnabel geht nun aber rot leuchtet, was als Zeichen für die fortschreitende Zerstörung der Natur betrachtet werden kann. Elisabeth Hornung klingt als Erda in den Tiefen sehr schön, in der Mittellage wackelt ihre Stimme aber ein wenig und wird in den Höhen extrem schrill. Für den Walkürenfelsen wird der rote Vorhang vor die Bühne gezogen, der als Feuerzauber die schlafende Brünnhilde eingekreist hatte. Alberich, der Zeuge der Auseinandersetzung zwischen Siegfried und dem Wanderer wird, nimmt nach Wotans Abgang die Speerspitze an sich. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Regieeinfall in der Götterdämmerung wieder aufgegriffen wird.

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Siegfried (Christian Voigt) hat Brünnhilde (Katrin Gerstenberger) erweckt.

Zum letzten Bild lässt sich festhalten, dass Brünnhilde mittlerweile mit langen offenen Haaren und einem weißen Satinunterkleid unter der Fliegermontur, die Siegfried aufbricht, wesentlich weiblichere Züge aufweist, als ihr in der Walküre zugestanden wurden. Katrin Gerstenbergers Sopran kann in dieser recht kurzen, dafür aber umso anspruchsvolleren Partie mit sehr leuchtendem und kräftigem Sopran vor allem in den Höhen überzeugen. Da hat es der sichtlich erschöpfte Voigt nicht immer leicht, dagegenzuhalten, zumal Trinks das Orchester in diesem Schlussbild auch keineswegs zurücknimmt, um die Sänger zu unterstützen. Dennoch gelingt beiden ein fulminantes "Leuchtende Liebe, lachender Tod", das den Abend furios enden lässt und beim Publikum eine Welle der Begeisterung für alle Beteiligten auslöst.

FAZIT

Dew hält die Spannung und lässt dem Abschluss der Tetralogie in zwei Wochen mit großer Spannung entgegenfiebern.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Constantin Trinks

Inszenierung
John Dew

Bühne
Heinz Balthes

Kostüme
José-Manuel Vázquez

Videoprojektion
Karl-Heinz Christmann

Licht
Dieter Göckel

 

 

Statisterie des
Staatstheaters Darmstadt

Staatsorchester Darmstadt


Solisten

Siegfried
Christian Voigt

Mime
Norbert Schmittberg

Der Wanderer
Ralf Lukas

Alberich
Olafur Sigurdarson

Fafner
Thomas Mehnert

Erda
Elisabeth Hornung

Brünnhilde
Katrin Gerstenberger

Die Stimme des Waldvogels
*Aki Hashimoto /
Margaret Rose Koenn

 


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