Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Das Testament der Tante Karoline

Operette in einem Akt
Libretto von Nino, Deutsch von Joseph Heinzelmann
Musik von Albert Roussel


in deutscher Sprache 

Aufführungsdauer: ca. 1h 5' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Schauspielhauses Düsseldorf am 24. Februar 2012


Homepage

Rheinoper
(Homepage)
Der verlorene Sohn

Von Thomas Molke / Fotos von Frank Heller

Seit Beginn dieser Spielzeit bietet die Deutsche Oper am Rhein im Opernstudio erneut sieben jungen Gesangstalenten die Möglichkeit, für zwei Spielzeiten zum einen eigene Projekte im kleineren Rahmen zu erarbeiten, zum anderen in Meisterkursen bei ausgesuchten Dozenten - in diesem Jahr unter anderem bei Deborah Polaski - und in kleineren Partien im Opernhaus weitere Erfahrungen zu sammeln, bevor sie, wie der letzte Jahrgang gezeigt hat, sich entweder für Festengagements an anderen Häusern empfehlen - erwähnt sei an dieser Stelle Jaclyn Bermudez, die seit dieser Spielzeit im Theater Hagen unter anderem als Mimi zu erleben ist - oder ins eigene Ensemble der Deutschen Oper am Rhein übernommen werden - zu nennen sind hier Lukasz Konieczny, Dmitry Lavrov und Alma Sadé. Die erste Produktion des Opernstudios in dieser Spielzeit beschäftigt sich mit einem Spätwerk von Albert Roussel, einem Komponisten, der zu seinen Lebzeiten zwar große Erfolge verbuchen konnte, nach seinem Tod 1937 jedoch schnell in Vergessenheit geriet, da sein tonaler Stil im Gegensatz zu den prägenden Strömungen der damaligen französischen Musikwelt stand und deshalb in der Rezeptionsgeschichte eher vernachlässigt wurde.

Bild zum Vergrößern

Kann es eine gemeinsame Zukunft für Lucine (Luiza Fatyol) und Noël (Ovidiu Purcel) geben?

Das Testament der Tante Karoline nimmt im Rahmen von Roussels musikalischem Schaffen eine besondere Stellung ein, da diese Operette sich inhaltlich deutlich von den ansonsten mythologischen oder asiatischen Themen seines restlichen Oeuvres abhebt. Erzählt wird die Geschichte eines Streits um das Erbe der Tante Karoline. Nachdem die Nichten Béatrice, Noémie und Christine sehr schnell nach dem Ableben der Tante damit begonnen haben, das Erbe untereinander aufzuteilen, entdeckt der Notar Maître Corbeau im Tresor ein Testament, das besagt, dass das gesamte Vermögen dem ersten Sohn zufalle, den eine der drei Nichten zur Welt bringe. Da die Nichten bis jetzt noch kinderlos sind, wird ihnen eine Frist von einem Jahr gesetzt, bevor das komplette Erbe der Heilsarmee zufallen soll. Während die verheirateten Nichten Noémie und Christine rätseln, ob sie in ihrem Alter noch schwanger werden können, präsentiert die Nonne Béatrice den Chauffeur der Tante, Noël, als ihren verlorenen Sohn, den sie als Fehltritt vor 22 Jahren heimlich vor einem Waisenhaus ausgesetzt hat. So wird der bis dahin mittellose Noël auf einen Schlag vermögend und kann unter großem Protest der enterbten Verwandtschaft mit seiner Geliebten, der Krankenschwester Lucine, glücklich werden.

Bild zum Vergrößern

Doktor Patogène (Bogdan Baciu) scheint über das Ableben der Tante Karoline recht überrascht zu sein (links: Luiza Fatyol als Lucine).

Inhaltlich lassen sich einige Parallelen zu Puccinis Gianni Schicchi ziehen. So versucht in beiden Werken die geldgierige Verwandtschaft, wie sie ein für sie ungünstiges Testament zu ihrem Vorteil auslegen kann. Die Nonne Béatrice zeigt sich bei Roussel dabei ähnlich verschlagen wie der eigentlich unbeteiligte Schicchi bei Puccini, dessen Spiel die Verwandten zu spät durchschauen. Als Béatrice bei der Entlassung und Auszahlung der Dienstboten im Gespräch mit dem Chauffeur Noël erkennt, dass er ihr Sohn sein könnte, gibt sie sich nicht als Mutter zu erkennen, sondern spielt diesen Trumpf erst aus, nachdem das Testament gefunden worden ist. Daher lässt sich vermuten, dass es keine plötzlichen Muttergefühle sind, die die Nonne überkommen und die Wendung herbeiführen, was der Geschichte noch mehr Zynismus verleiht. Die übertriebenen Kostüme von Stefanie Grau lassen dabei die geldgierigen Verwandten als Figuren der Commedia dell'arte erscheinen. So erinnert Noémie mit ihrer Halskrause an einen Harlekin und ihr Mann Jobard in seiner blauen Pumphose an einen eitlen Geck. Auch Christine und ihr Mann Ferdinand werden recht extravagant gezeichnet. In diesem Ambiente wirkt nur der Chauffeur Noël bodenständig.

Bild zum Vergrößern

Christine (Cornelia Berger, rechts), Noémie (Maria Kataeva, 2. von links) und ihre Männer Ferdinand (Raphael Pauß, hinten) und Jobard (Attila Fodre, rechts) glauben Béatrice (Jessica Stavros, Mitte) nicht, dass sie ein uneheliches Kind hat.

Das Bühnenbild, für das ebenfalls Stefanie Grau verantwortlich zeichnet, besteht lediglich aus einem großen geschlossenen Kubus, der durch schwarze gespannte Fäden das Ein- und Austreten ermöglicht. Ob dieser Kubus das Totenzimmer der Tante darstellt, aus dem die Krankenschwester Lucine zu Beginn erscheint, oder den geknackten Tresor, wenn der Kubus an einer Schnur nach oben gezogen wird, bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Überhaupt arbeitet Mechthild Hoersch viel mit dem Erhöhen und Absenken der einzelnen Bühnenebenen. Zunächst sitzt das Orchester hinter dem hochgefahrenen Bühnenpodest, auf dem die Handlung spielt. Im Verlauf des Stückes wird dann aber dieses Podest herabgefahren und das Orchester dahinter erhöht, wobei der Kubus nach Bekanntwerden des Testaments in der Luft hängt. Erst als Noël sich als Alleinerbe entpuppt, wird das Bühnenpodest wieder hochgefahren und die protestierenden Verwandten nahezu vom Kubus eingeschlossen. Während dieses Konzept noch nachvollziehbar erscheint, bleibt unklar, wieso Hoersch Noël stets mit einem roten Jojo spielen lässt oder Lucine verträumt auf einem imaginären Seil balanciert. Auch der Regieeinfall, den Doktor Patogène mit großen Ohrringen und lackierten Fingernägeln recht feminin darzustellen, obwohl er der Krankenschwester eindeutige Avancen macht, erschließt sich genauso wenig wie die Rolle des Chors, der mit einer Theatermaske in einem dunklen Umhang über die Seitenbühne wankt.

Das soll der Alleinerbe sein? Jobard (Attila Fodre, links), Noémie (Maria Kataeva, links), Ferdinand (Raphael Pauß, rechts) und Christine (Cornelia Berger, rechts) mustern Noël (Ovidiu Purcel, Mitte).

Musikalisch lässt sich bei den jungen Sängerdarstellern viel versprechendes Potenzial entdecken. An erster Stelle ist hier Ovidiu Purcel als Chauffeur Noël zu nennen, dessen heller Tenor bereits enorme Durchschlagskraft besitzt und der bereits im letzten Jahr in Il matrimonio segreto begeisterte. Bogdan Baciu setzt als Doktor Patogène mit kräftigem Bariton und effeminiertem Spiel zahlreiche komische Akzente. Auch David Jerusalem gefällt als Notar Maître Corbeau mit expressivem Spiel und dunkler Stimmfärbung. Maria Kataeva und Attila Fodre stellen die geldgierige Nichte Noémie und ihren Ehemann Jobard sehr überspitzt dar, wobei Kataevas Mezzo und Fodres Bariton den Figuren voll gerecht werden. Luiza Fatyol stattet die Krankenschwester Lucine mit einem kräftigen Sopran aus. Jessica Stavros gibt die Nonne Béatrice mit warmen lyrischen Bögen, wobei nicht ganz klar wird, ob es nur Regieanweisung ist, dass diese Figur so brav angelegt ist, obwohl sie es doch faustdick hinter den Ohren hat. Ergänzt werden die Solisten des Opernstudios von dem langjährigen Ensemblemitglied Cornelia Berger, die als Christine darstellerisch und stimmlich ein überzeugendes Rollenportrait der geldgierigen Nichte abgibt, und von Raphael Pauß, der sich als Christines Gatte Ferdinand nicht weniger habgierig präsentiert.

Das Altstadtherbstorchester Düsseldorf vermag es, unter der Leitung von Christoph Stöcker die musikalische Klangvielfalt der Partitur, die bisweilen an Strawinsky erinnert, an anderen Stellen wiederum größere klassische Bögen aufweist, präzise herauszuarbeiten, und lässt so Roussel als einen verlorenen Sohn der Musikgeschichte wiederentdecken, von dem man eventuell mehr hören möchte.

FAZIT

Eine lohnenswerte Produktion, die zum einen neues Sängerpotenzial präsentiert und zum anderen einen vergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts wieder ins Bewusstsein des Publikums bringt.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Stöcker

Inszenierung
Mechthild Hoersch

Bühne und Kostüme
Stefanie Grau

Licht
Volker Weinhart

Dramaturgie
Bernhard F. Loges




Altstadtherbstorchester
Düsseldorf


Solisten

Lucine
Luiza Fatyol 

Christine
Cornelia Berger

Béatrice
Jessica Stavros

Noémie
Maria Kataeva

Noël
Ovidiu Purcel

Maître Corbeau, Notar
David Jerusalem

Patogène, Arzt
Bogdan Baciu

Jobard
Attila Fodre

Ferdinand
Raphael Pauß

Chor
Susanne Heidt
Eva Koch
Anna Laufen
Charlotte Reese
Scott England
Andreas Hall
Walter Rösler
Thomas Stenzel



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -