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Musiktheater
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Don Giovanni

Dramma giocoso in 2 Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart



In italienischer Sprache mit deutschen Übertexten

Aufführungsdauer: ca 3h 15' (eine Pause)   

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 15. Oktober 2011
Rezensierte Aufführung am  22. Oktober 2011


Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Düster und lastend

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Matthias Stutte

Mozarts Don Giovanni ist ein von vielerlei Ambivalenzen geprägtes, schillerndes Meisterwerk. Sieht man einmal vom historischen Entstehungszeitraum ab (der bei Da Ponte anvisierte Handlungs-Zeitrahmen ist die Mitte des 18. Jahrhunderts, uraufgeführt wurde die Oper im Oktober 1787 in Prag), so bleiben Gegensätze von Text und Musik, von Tragik und Komik, die immer Regie-Interpretationen und -entscheidungen erfordern.

Szenenfoto
Finale des 2. Aktes: von li nach re: Donna Anna (Melanie Kreuter), Don Giovanni (Daniel Billings), Masetto (Peter Maruhn) und Donna Elvira (Melanie Forgeron).

Für Helen Malkowskys Operninszenierung in Bielefeld könnte als Motto das Houellebecq-Zitat des Programmhefts gelten: "Wie der Wirtschaftsliberalimus - und aus analogen Gründen - erzeugt der sexuelle Liberalismus Phänomene absoluter Pauperisierung":

Aus dem "Dramma giocoso" dem spielerischen Wechsel zwischen "seria" und "buffa" ist in der Aktualisierung Malkowskys ein humorloses düsteres Gesellschaftsbild geworden, ein rein tragisches Musikdrama, das mit einem versuchten Mord beginnt und den Protagonisten am Leben lässt. Aus Don Giovanni, dem im Original textlich frechen, ewig scheiternden und musikalisch Frauen verstehenden Eroberer ist ein unsicherer, Mitleid erregender, gebückter, freiheitsliebender Sexualstraftäter geworden, der sich dem Diktat des Sektenoberhaupts (Komtur) nicht unterwerfen will. Die textlich und musikalisch zwischen Rache und Liebe changierende Donna Elvira kompensiert als Prostituierte mit Kind die vielen Seitensprünge ihres Ehemanns. Donna Anna scheint gleich zu Beginn für den finalen Todesstoß ihres Vaters verantwortlich zu sein. Zerlina ist eine jungfräulich zarte Schöne, die beim Junggesellinnenabschied ein besonders tragisches Schicksal erlebt. Sie hat nicht gelernt, bei Don Giovanni nein zu sagen und muss - sozusagen im Anschluß an eine mögliche Vergewaltigung - auch noch bei ihrem kindisch eifersüchtigen, zukünftigen Ehemann Abbitte leisten. Und Leporello ist im 21. Jahrhundert nicht der aufmüpfige, dem Materiellen und Sinnlichen zugeneigte Diener Don Giovannis sondern sein Psychotherapeut.

Malkowskys Kritik analysiert die Gesellschaft als anarchisch verwirrt und krank. Ihre Mitglieder suchen in patriarchalischem Sektenwesen und psychotherapeutischer Behandlung Heilung, wobei der Therapeut am Reiz des Rollentauschs mehr und mehr Gefallen findet.

Szenenfoto

Rollentausch: Don Giovanni (Daniel Billings) als Therapeut, Leporello (Torben Jürgens) sein Klient

Die zeit- und räumliche Einordnung des Geschehens  bleibt - abgesehen von Schauräumen, in denen sich Frauen/Prostituierte anbieten, abgesehen von einer Bushaltestelle, Schreibtisch, Lampe, Therapie- und Liebes-Chaiselongue - unbestimmt. Die Kostüme unterstützen die Personencharakterisierung. Das Bühnenbild stellt ein nacktes, die Einsamkeit, Leere und Gefühllosigkeit der Protagonisten spiegelndes, aus schwarzen Wänden bestehendes Seelengefängnis dar.


Die bewegte, zwischen privat und öffentlich changierende Opernhandlung zerfällt. Die Personenregie wirkt oft statisch. Viele verschiedene Motiv-, bzw. Handlungsstränge werden assoziativ aneinandergereiht, sodass Fragen offen bleiben. Warum bspw. mutieren die freudig bewegten Hochzeitsvorbereitungen - bei Malkowsky ein neugierig erwarteter JunggesellInnen-Abschied - zu einer schwarzen Messe auf Don Giovannis Schloss? Warum erfährt man nicht sofort, dass der Komtur noch lebt? Wozu werden die lächerlich wirkenden Lügendetektoren und Psychopillen eingesetzt?

Hauptproblem der Inszenierung ist jedoch die Missachtung der vielschichtigen, musikalischen Personencharakterisierungen Mozarts, ihrer auch von Leichtigkeit, Charme und Sinnlichkeit getragenen Reize.

Solistenensemble und Bielefelder Philharmoniker gestalten unter der musikalischen Leitung von Alexander Kalajdzic die Musik kontrastreich. In Anlehnung an die historische Interpretation der Klassik spielen die Musiker auf Naturtrompeten und -posaunen und einer älteren, kleinen Pauke, wodurch Brüche, düstere Stimmungen und grelle, schmetternde Stellen klanglich besonders wirkungsvoll vor Augen geführt werden.

Szenenfoto
Finale des 1.Aktes: Don Giovanni (Daniel Billings), Zerlina (Cornelie Isenbürger) und der Bielefelder Opernchor

Melanie Forgeron ist eine lyrisch-dramatisch schillernde Donna Elvira. Melanie Kreuter, die ihr Rollendebüt als Donna Anna singt, zeigt in der letzten Arie des 2. Aktes "Non mi dir" eine musikalisch anrührend und differenziert gestaltende Charakterisierungskunst. Eric Laportes schlanker, hell timbrierter Tenor stellt einen Don Ottavio dar, der vergeblich versucht unter all' den Mitwirkenden einen Adressaten für seine Arie "Il mio tesoro" zu finden. Cornelie Isenbürgers schlanker Sopran, verkörpert eine zart klingende, fast zerbrechlich wirkende Zerlina. Daniel Billings ist ein stimmlich solider Don Giovanni, Torben Jürgens ein mit wunderbar klangvollem, bass-baritonalen Timbre ausgestatteter Leporello, der textverständlich, technisch virtuos und differenziert die Rolle des Leporello gestaltet.


FAZIT

Für Don Giovanni-Fans, die sich auch für Werkstattcharakter und selten zu sehende Regie-Herangehensweisen an das Werk interessieren.      



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Kalajdzic   

Inszenierung
Helen Malkowsky    

Bühne
Harald B. Thor 

Kostüme
Tanja Hofmann    

Licht
Peter Lorenz   

Choreinstudierung
Hagen Enke

Dramaturgie
Uwe Sommer 


Opernchor des
Theater Bielefeld

Bielefelder Philharmoniker

Statisterie des Theater Bielefeld


Solisten


* Besetzung der rezensierten Aufführung

Don Giovanni 
Daniel Billings     

Komtur
Jacek Janiszewsky     

Donna Anna
Melanie Kreuter

Don Ottavio    
Eric Laporte   

Donna Elvira    
Melanie Forgeron      

Leporello   
Torben Jürgens  

Masetto 
Peter Maruhn  

Zerlina     
Cornelie Isenbürger  

Kind  
Sangavy Ravichandran/
*Yosin Weigel 





Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




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