Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Company

Musical Comedy in zwei Akten
Buch von George Furth, Originalproduktion und Regie am Broadway von Harold Prince
Deutsche Fassung von Michael Kunze

Musik und Gesangstexte von
Stephen Sondheim


In deutscher Sprache   

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45'  (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 5. Mai 2012 


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Ehe-Neurosen in der Großstadt

 Von Thomas Molke / Fotos von Matthias Stutte


Stephen Sondheim dürfte in Deutschland spätestens seit der berühmten Verfilmung seines Musicals Sweeney Todd im Jahr 2007 mit Johnny Depp in der Hauptrolle eine gewisse Popularität erlangt haben. Zwar stehen seine Werke - anders als die eines Andrew Lloyd Webber - nicht auf den Spielplänen der kommerziellen Musical-Tempel, erfreuen sich aber wegen ihrer leiseren Töne unter Musical-Kennern einer wachsenden Beliebtheit. Zu nennen sind neben dem bereits erwähnten Sweeney Todd vor allem sein Erstlingswerk A Funny Thing Happened on the Way to the Forum aus dem Jahr 1962, das in Deutschland unter dem Titel Toll trieben es die alten Römer bekannt ist, A Little Night Music (Das Lächeln einer Sommernacht) aus dem Jahr 1973, das 1977 mit Elizabeth Taylor verfilmt wurde, und Into the Woods (Ab in den Wald), das erst vor zwei Spielzeiten am Theater Hagen zu erleben war. Die Musical Comedy Company aus dem Jahr 1970 wird vor allem von Musical-Ausbildungsstätten geschätzt, da sie wegen ihrer 14 nahezu gleichgroßen Rollen für Abschlussklassen eine geeignete Möglichkeit darstellt, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Bild zum Vergrößern

Robert (Alexander Franzen) zwischen April (Roberta Valentini, links), Marta (Rebecca Stahlhut, hinten) und Kathy (Karin Seyfried, rechts).

Grundlage der Geschichte ist eine Reihe von Einaktern, die der Schauspieler George Furth auf Anraten seines Psychoanalytikers als Teil seiner Therapie über die isolierende und zerstörende Wirkung des Stadtlebens auf die Ehe entwarf. Eine Umsetzung dieser Stücke am Broadway scheiterte jedoch an den finanziellen Möglichkeiten. Also wandte sich Furth verzweifelt an Stephen Sondheim, der ihm anbot, gemeinsam mit Harold Prince ein Musical daraus zu machen. Als verbindendes Element zwischen den Ehepaaren der einzelnen Einakter entstand der New Yorker Single Robert, der mit den einzelnen Paaren befreundet ist und dessen Beziehungsgeflecht zu den anderen Figuren dem Stück den Titel gegeben hat. Die Freunde planen anlässlich Roberts 35. Geburtstag eine Überraschungsparty, bei der sie Robert neben den üblichen Glückwünschen auch endlich eine Ehefrau wünschen, damit er, so wie sie selbst, endlich sesshaft wird und bei seinem unsteten Lebenswandel zwischen der attraktiven Stewardess April, der biederen Kathy und der exotischen Marta endlich eine Entscheidung trifft. Doch beim Blick hinter die brüchigen Fassaden der Ehen seiner Freunde stellt Robert fest, dass er mit seinem Single-Dasein eigentlich ganz zufrieden ist, wenn da nicht eine unerklärliche Sehnsucht nach etwas wäre, was Robert schlussendlich als feste Beziehung ausmacht. Doch die findet er weder bei seinen drei Liebschaften noch bei den Ehefrauen seiner Freunde, so dass er am Ende seiner Geburtstagsfeier beim heimlichen Ausblasen der Kerzen mit einem einzigen Wunsch allein zurückbleibt.

Bild zum Vergrößern

Robert (Alexander Franzen, vorne) mit seiner "Company" (von links: Marta (Rebecca Stahlhut), Susan (Jessica Krüger), Peter (Frank Wöhrmann), Joanne (Kerstin Marie Mäkelburg), Larry (Nico Gaik), Amy (Carolin Soyka), Sarah (Melanie Kreuter), Paul (Thomas Klotz), April (Roberta Valentini), David (Tilmann von Blomberg), Jenny (Michaela Duhme), Harry (Thomas Winter) und Kathy (Karin Seyfried)).

Timo Dentler und Okarina Peter haben für diese lose Aneinanderreihung einzelner Szenen ein recht abstraktes Bühnenbild kreiert, das von einem großen in einem Stahlrad eingebauten Kasten dominiert wird. Am Anfang und am Ende wird dieses Rad von einem schwarzen Vorhang verdeckt, der nur den inneren Kasten sichtbar macht und damit Roberts Isolation andeutet. Die anderen Figuren bewegen sich außerhalb dieses Kastens und finden mit ihren Glückwünschen keinen direkten Zugang zu Robert. Erst als dieser schwarze Vorhang sich nach der Ouvertüre hebt, wird das Rad sichtbar und auch von den anderen Figuren mitbespielt. So dient der obere Teil als Balkon, von dem aus Susan und Peter aus ihrer Hochhauswohnung einen Blick auf den East River zu erhaschen versuchen, kann der Kasten im Rad gedreht werden, um die Vernebelung der Sinne durch das Rauchen von Gras bei David und Jenny zu verdeutlichen oder Robert als eine Art Hamster im Laufrad kurz vor Ende zu zeigen. Der Einsatz der Drehbühne und das Verschieben dieses gewaltigen Bühnenelementes lassen mit wenigen Handgriffen vom Ensemble in Sekundenschnelle neue Orte entstehen, die mit Stühlen mal die Wohnung von Harry und Sarah, mal den Hochzeitsaltar andeuten, vor den Paul seine Verlobte Amy führen will. Die Kostüme, für die Dentler und Peter ebenfalls verantwortlich zeichnen, sind entsprechend der Zeit der Handlung modern gehalten und charakterisieren besonders die weiblichen Figuren recht stereotyp als spießig (Jenny im recht langweiligen Outfit), mondän (Joanne im extravaganten Kleid mit Zebralook oder rot glitzerndem Paillettenkleid), gut bürgerlich (Kathy im roten Kleid mit weißen Punkten) oder unangepasst (Marta im schulterfreien Hosenanzug). Robert wirkt in seinem silbergrauen Hemd mit weißem Kragen wie ein Lebemann, der das Leben genießt, ohne dabei an die Zukunft zu denken.

Bild zum Vergrößern

Robert (Alexander Franzen) wie ein Hamster im Laufrad.

Die Musik besteht zum einen aus kommentierenden Songs, die in die einzelne Spielszenen eingebettet sind, wenn zum Beispiel Marta in "Und wieder kommen Hundert" die Massen der Menschen besingt, die in New York aus der U-Bahn strömen, und Robert dazwischen in Gesprächen mit seinen drei Liebschaften austesten will, ob diese Beziehungen auf lange Sicht halten können. Zum anderen weist sie Monologe auf wie zum Beispiel "Irgendwer wartet", ein Lied, in dem Robert seine Sehnsucht verrät, auf der Suche nach der großen, wahren Liebe zu sein. Dann beinhaltet sie richtige Ensemble-Szenen, für die Katharina Wiedenhofer schmissige Choreographien entworfen hat, die von den Darstellern gekonnt umgesetzt werden. Als Beispiele können hier "Herz an Herz" im zweiten Akt und der Titelsong "Company" im ersten Akt angeführt werden, in denen Roberts Freunde ihm zu seinem Geburtstag deutlich machen, wie wichtig es ist, gute Freunde zu haben. Während diese Songs regelrechten Revuecharakter haben und das Musical als große Show präsentieren, erinnern andere Passagen wie der "Bobby"-Chor eher an Minimal Music. Auch Jazz-Rhythmen sind in einzelnen Songs vertreten. So wirkt der Song der drei Freundinnen "Du treibst einen glatt zum Wahnsinn" wie eine Parodie auf die Andrew Sisters. William Ward Murta spürt mit seiner Live-Band die verschiedenen Musikstile differenziert auf und sorgt für einen schmissigen Background für die Solisten.

Bild zum Vergrößern

Choreographie zu "Herz an Herz": von links: Joanne (Kerstin Marie Mäkelburg), Larry (Nico Gaik), Sarah (Melanie Kreuter), Harry (Thomas Winter), Paul (Thomas Klotz), Robert (Alexander Franzen), Susan (Jessica Krüger), Peter (Frank Wöhrmann), Amy (Carolin Soyka), Jenny (Michaela Duhme) und David (Tilmann von Blomberg).

Die Qualität einer Aufführung steht und fällt mit den darstellerischen Fähigkeiten der Sängerinnen und Sänger, da die einzelnen Rollen neben dem Gesang vor allem ein differenziertes Spiel erfordern, um die einzelnen Charaktere in ihrer Vielschichtigkeit zu durchleuchten. Das Theater Bielefeld kann hier mit einer aus diversen Musical-Produktionen am Haus bewährten Riege aufwarten, die die bitterböse Ironie und den Zynismus auch im gesprochenen Wort transportiert. Großartig gelingt es Ensemble-Mitglied Melanie Kreuter als Sarah die Spitzen gegen ihren Mann Harry und dessen Alkoholkrankheit abzuschießen, um damit von ihrem eigenen Problem mit den Pfunden abzulenken. Scheinbar gelassen kontert Thomas Winter als Harry die Angriffe seiner Frau, wobei erst der Karatekampf mit ihr die wahren Aggressionen zwischen den beiden offenbart. Jessica Krüger und Frank Wöhrmann mimen mit zuckersüßen Freundlichkeiten als Susan und Peter das scheinbar glückliche Paar, bei dem keiner auf die Idee kommen würde, dass die beiden kurz vor einer Trennung stehen und Peter plötzlich seine Neigung zum eigenen Geschlecht erkannt hat. Auch Michaela Duhme glänzt als spießige Jenny durch großes schauspielerisches Talent, wenn sie zunächst vom gerauchten Gras nicht high werden will, sich dann aber doch für einen Moment vergisst und anschließend sofort wieder zur Normalität zurückkehrt. Roberta Valentini überzeugt als naive April vor allem durch komödiantische Momente. Der Moment, in dem sie und Robert kurz vor der gemeinsamen Nacht mit zwei absolut unpassenden Geschichten den eigentlich geplanten Liebesakt gefährden, darf als einer der Höhepunkte des Stückes betrachtet werden. Alexander Franzen schafft es als Robert, auf die Neurosen der anderen Figuren einzugehen und dabei in der Rolle eines Beobachters zu bleiben.

Wenn man bei dem hohen schauspielerischen Niveau zwei Darstellerinnen noch besonders hervorheben will, sind in diesem Zusammenhang Carolin Soyka als Amy und Kerstin Marie Mäkelburg als Joanne zu nennen. Soyka begeistert als neurotische Amy, die mit plapperndem Sprechgesang vor ihrer Hochzeit mit Paul (souverän sympathisch: Thomas Klotz) kalte Füße kriegt. Erst Roberts Bitte, ihn zu heiraten, lässt Amy wieder zu sich kommen und letztendlich doch mit Paul vor den Traualtar treten. Mäkelburg fasziniert mit ihrer zynischen Art, mit der sie ihre Freundinnen und ihren Mann derart herablassend behandelt, dass man gar nicht verstehen kann, wieso sie überhaupt mit den anderen befreundet ist. Ihre beiden gescheiterten Ehen haben sie verbittert, und selbst die bedingungslose Liebe ihres Gatten Larry (Nico Gaik), der wohlhabend ist und ihre Launen mit stoischer Gelassenheit erträgt, lassen sie keine Ruhe finden, so dass sie Robert eine Affäre anbietet. Als dieser ablehnt, zieht sie sich nach diesem kleinen Ausbruch von Schwäche sofort wieder hinter ihre gefühllose Fassade zurück. Großartig gelingt Mäkelburg dabei auch ihr Lied "Auf all die gnädigen Frauen", in dem sie mit ihren Ehen und ihrem Leben abrechnet. Warum gerade nach dieser Erfahrung Robert klar werden soll, wonach er sich eigentlich im Leben sehnt, bleibt die einzige dramaturgische Schwäche des Stückes, auf die der Regisseur Roland Hüve, der das Stück ansonsten temporeich und mit viel bitterbösem Humor in Szene setzt, wahrscheinlich auch so recht keine Antwort findet. Die Begeisterung des Publikums schmälert das auf keinen Fall. So gibt es am Ende stehende Ovationen und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Diese an alte Woody-Allen-Filme erinnernde Musical-Comedy ist nicht nur ein Muss für jeden Musical-Liebhaber, sondern auch allen Paaren zu empfehlen, die ihre Beziehung einmal auf den Prüfstand stellen wollen. Das Musical-erfahrene Theater Bielefeld hat es wieder einmal geschafft, die Meriten dieser Gattung fern ab der kommerziellen Musical-Tempel zu demonstrieren. Tipp: Hinfahren! (Weitere Termine: 11., 13., 17. und 30. Mai, 1., 16., 18. und 24. Juni 2012)     



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Ward Murta   

Inszenierung
Roland Hüve    

Bühne und Kostüme
Timo Dentler
Okarina Peter

Choreographie
Katharina Wiedenhofer

Licht
Gregor Fritz

Dramaturgie
Jón Philipp von Linden


 

Live-Band


Solisten


Robert
Alexander Franzen

Sarah
Melanie Kreuter

Harry
Thomas Winter

Susan
Jessica Krüger

Peter
Frank Wöhrmann

Jenny
Michaela Duhme

David
Tilmann von Blomberg

Amy
Carolin Soyka

Paul
Thomas Klotz

Joanne
Kerstin Marie Mäkelburg

Larry
Nico Gaik

April
Roberta Valentini

Kathy
Karin Seyfried

Marta
Rebecca Stahlhut



 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -