Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Medizin nach Noten
Von Roberto Becker / Fotos stellt das Theater Basel uns leider nicht zur Verfügung
Der Theaterkauz Christoph Marthaler wirkt immer so, als sei er guter Dinge. Kann er auch, denn seine Gemeinde ist treu. Sie bejubelt seine Geniestreiche, paktiert mit seinem assoziativen Verhältnis zur Wirklichkeit, ohne es bei der Binnenlogik, mit den Stellen hinterm Komma allzu genau zu nehmen. Marthaler haben die Theaterbesucher in Basel und Zürich, in Wien oder auch in der Berliner Volksbühne grandiose Abende zu verdanken. Solche, die durch überwältigenden Humor aus dem Alltag herauszutragen vermochten und die dennoch mit subversiv verschmitzter Hinterhältigkeit an die Endlichkeit alles Irdischen gemahnen. Nun kann sich natürlich auch Marthaler nicht ständig selbst übertreffen, nicht ständig Neuland vermessen. Seine Ausflüge in die Operette- und Oper waren schon durchweg Erfolge. Seine Bühnensprache ist ausgefeilt, deren Optik wiedererkennbar. Selbst wenn nicht die kongeniale Anna Viebrock an seiner Seite ist, sondern, wie jetzt bei seiner neuesten Kreation in Basel, Duri Bischoff das typische Marthaler-Treppenhaus auf die Bühne setzt und Sarah Schittek für den Look bei den Kostümen sorgt. Bei den beiden ist das alles eine Spur alltagslogischer konstruiert und eine (nein zwei) Idee(n) eleganter als bei Viebrock. Natürlich hat es Marthaler immer mit der Musik. Diesmal mit der eines der ganz Großen. Giuseppe Verdi verspricht er im Untertitel. Und liefert ihn. Der Nachteil dabei ist weniger, dass er nicht dessen Top Ten verbrät, sondern, dass es insgesamt bei dem gewaltigen Orchester- und Choraufgebot ziemlich wenig ist, was aus dem Graben und den Kehlen beigesteuert wird. Genannt hat er das Ganze Lo stimolatore cardiaco, also Der Herzschrittmacher. Geliefert hat er vor allem eine Überdosis an Beruhigungsmitteln. Die recycelt er aus dem Vorhandenen. So lässt er sein Personal emsig Schreiten, Treppensteigen, Ausrutschen, Aneinander-vorbei-Rennen oder sich verknoten. Sprechen und singen. Manchmal auch nur den Mund öffnen. Am Anfang schickt er gleich zwei Dirigenten in den Graben zum Sinfonieorchester Basel und stattet sowohl Bendix Dethleffsen als auch Giuliano Betta mit einem angeklebten Rauschebart aus. Dann aber kommt, nach und nach, das Orchester abhanden. Bis am Ende nur noch ein Cello übrig bleibt. Oder er lässt ein Klavier durch die Szene tragen. Und einen Fisch in einer Operation den Magen ausräumen, in dem sich so gut wie alles findet, was da nicht hinein gehört. Und so Marthalern sie denn allesamt ganze lange zwei Stunden vor sich hin. Liefern den eher klein dimensionierten, aber doch schmunzeltauglichen Slapstickwitz oder ein paar Déjà-vus, die die Marthaler-Gemeinde schon lange kennt und immer mal gern wieder sieht. Bei alledem kann sich der Schweizer darauf verlassen, dass seine Fans ihrem Meister auch etwas schwächere, weniger aus dem eigenen Sound heraus überzeugende, sich selbst legitimierende Arbeiten durchgehen lassen. So wie diesen Herzschrittmacher, bei dem die Batterien mit dem Vorrat an neuen Ideen etwas schwach waren. Irgendwann erwischt man sich bei der Vorstellung, was einer wie Marthaler aus einem virtuellen Besuch in Verdis liebster Schöpfung, nämlich dem Altersheim für mittellose Künstler, das er aus den Einkünften seiner Werke eingerichtet hat, hätte machen können. Vielleicht ist dieser stimolatore cardiaco tatsächlich nur die Zwischenlösung von der Marthaler im Untertitel spricht.
Marthalers neueste Kreation ist doch eher was für die eingeschworenen Fans des Schweizer Theaterkautzes. Es gab aber auch in Basel schon deutlich hintergründigere und vergnüglichere Marthalereien
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Musikalische Bearbeitung/Arrangements
Mitarbeit Regie
Licht
Chorleitung
Dramaturgie
Bühnenorchester SolistenTora AugestadKarl-Heinz Brandt Carina Braunschmidt Bendix Dethleffsen Altea Garrido Ueli Jäggi Claudio Otelli Agata Wilewska Jeroen Willems Bernhard Landau
"Bacio"- Chor
|
© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de