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Lohengrin

Romantische Oper in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)

Premiere am 15. April 2012 an der Deutschen Oper Berlin


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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Ein Weihnachtsengel für die Zombies

Von Roberto Becker / Fotos: © Marcus Lieberenz

So richtig Glück mit ihren „Lohengrin“-Inszenierungen haben sie in Berlin nicht. Selbst der gefeierte Regiestar Stefan Herheim hatte im Falle von Wagners Schwanenritter-Saga Schwierigkeiten, einen stringenten Zugang zu finden. Große, originelle Bilder standen ihm an der Lindenoper gleichwohl zu Gebote. Und ein Lohengrin der Spitzenklasse. Diese Position hat derzeit Klaus Florian Vogt inne. Alles, was man gegen die engelsgleiche Körperlosigkeit der Stimme des Tenor-Strahlemanns einwenden könnte, gilt beim Gralsritter auf Rettungsexkursion nicht. Zu Lohengrin passt sie nun mal auch in ihrer Unbestimmtheit. Auch wenn dem Norddeutschen eine so anrührende, atemverschlagend „andere“ Gralserzählung wie Jonas Kaufmann in der Münchner Inszenierung von Richard Jones verschlossen bleibt.

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Der Retter in der Not – für die Deutsche Oper springt Startenor Klaus Florian Vogt kurzfristig ein, und für Elsa ist er der trügerische Ritter mit den Engelsflügeln

Dabei war Vogt an der Deutschen Oper eigentlich gar nicht vorgesehen, sondern Marco Jentzsch. Aber der war klug genug, sich selbst vor der Überforderung am Anfang der Karriere zu schützen, und trat von dem Vertrag zurück. Vogt kam also in Berlin gleich in doppelter Hinsicht als der Retter im weißen Gewand. Als Bühnenfigur war er allerdings nicht ganz so unschuldig wie er aussah. Da er von Elsa in lichter Waffen Scheine angekündigt wird und vom Schwan gezogen an Land geht, setzt er sich halt die Schwanen-Flügel auf die Schultern und gibt den Helden, den man von ihm erwartet. Er scheint aber immer mal wieder an der Wirkung seiner Rolle zu zweifeln. Offenbar hat er sogar mehrere Varianten im Kopf bzw. auf Karteikarten in der Tasche; der Gral sorgt vor mit diversen Einsatzplänen. Da der Griff nach den Karteikarten kurz vor der Monsalvat-Erzählung nur ein Regieeinfall von Kasper Holten sein kann, fragt man sich spätestens da, wer oder was dieser Gral eigentlich sein soll, der ihn entsandt hat. Eine irgendwie plausible Antwort erhält man aber nicht.

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Elsa in Bedrängnis und im Zweifel - die Engelsflügel waren nur Staffage

Zumal in der Welt, in der er landet, sowieso alles zu spät ist. Da gibt es gleich zum Vorspiel ein mit Leichen übersätes Schlachtfeld. Immer mal taucht ein wohl im Krieg verkohlter Wald als Hintergrund auf. Die Uniformen stammen hier aus verschiedenen Zeitepochen und sind allesamt mit Blut verschmiert. Obendrein gibt es eine Verrohung der Sitten in Brabant. Die des Brudermordes beschuldigte Elsa wird nicht nur gefesselt und mit verbundenen Augen vor den König geführt, auch das Schwert eines Übereifrigen ist gezückt. Der würde ohne Verfahren vor den Augen des Königs der rechtmäßigen Erbin von Brabant den Kopf abschlagen, wenn nicht ihr Retter in buchstäblich letzter Sekunde auftauchen würde.

Dass der König nach Brabant gekommen ist, um sich für einen eventuell bevorstehenden Angriff von außen der Hilfe der Brabanter zu versichern - was tut's? Krieg ist Krieg. Und das sieht auf der Bühne allemal bedeutend aus. Dass da nach einem glücksverheißenden Kometen aus dem Nichts ein Fremder auftaucht, der nicht bestreitet, von Gott gesandt worden zu sein, absolute Gefolgschaft verlangt und sich selbst mit einem Engelsoutfit für seine öffentlichen Auftritte versieht, den man irgendwie einordnen müsste (ob als Marionette der Kriegspartei oder als utopische Alternative oder eben als nicht erklärbares Wunder) – was tut's? Oper ist Oper. Da kommt es auf Stringenz im Detail nicht so an.

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Groß inszenierte Hochzeit mit dem Münster im Goldrahmen

Bei Holten wird einfach ungefähr das gemacht, was so aussieht, wie Wagner es gedichtet und komponiert hat. Also viel „Heil Dir" und viel „Weh uns" eben. Mit seinem letzten Coup, dem aus dem Hut gezauberten Gottfried, versagt der Mann, den sie gerade alle wie einen Engel auf einer kitschigen Erbauungspostkarte angebetet haben, kläglich. Was Elsa da anbringt und aus den Tüchern wickelt, und was ihr Bruder und der Retter des Landes sein soll, ist tot. Lohengrin steht dazu an der Rampe und streckt uns oder dem Gral oder dem Regisseur die geballte Faust entgegen. Vielleicht hat er auch nur einfach keine Lust zu entschwinden und will lieber Ortrud durch eine Aufenthaltsverlängerung auf Erden ärgern.

Das ist aber eigentlich egal bei dieser Inszenierung, die intellektuell und leider auch handwerklich schlichtweg ein Ärgernis ist. Durchweg alle Lohengrin-Inszenierungen der letzten Jahre, auch die an kleineren Häusern, haben mehr Spannung, Stringenz, Enthüllungs- oder Irritationspotential als die von Holten. Der Stellwände samt der Hintergrundprospekte, der schwebende Kreuzweg, das goldgerahmte Münsterportal und das Brautbett, das natürlich ein Grab ist, und das historisierende Kostümkauderwelsch leisten dem szenischen Ärgernis Vorschub. Selbst wenn Berlin nicht die Hochburg der klugen Lohengrin-Interpretationen ist - als letztem gelang das Harry Kupfer - eine so peinlich kneifende, sich auf Verlegenheitsmätzchen herausredende Personen- und Chorregie ist (zum Glück) auch in Berlin selten.

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Die Stunde der Wahrheit: der König inmitten seiner Krieger aus allen Zeiten. Vorne am Boden Elsa.

Musikalisch freilich sieht die Bilanz dieser Produktion vor allem, aber nicht nur, dank Klaus Florian Vogts Ausnahmestimme anders aus. Auch seine Gegenspielerin Ortrud ist mit Petra Lang furios besetzt. Sie muss zwar allzu dümmlich die Intrigantin spielen, doch sie gebietet auch im wuchtigsten Orchestertosen über eine Stimmkraft, die singend artikuliert und sich nicht aufs Keifen verlegen muss. Petra Lang ist – sogar noch knapp vor Vogt – beim Publikum der Star. Auf der Gegenseite hat Ricarda Merbeth als Elsa leuchtende Töne für die traumselige Magd, aber auch die Kraft für das glaubwürdige Aufbegehren. Als vierter Aktivposten kommt Bastiaan Everink als darstellerisch charismatischer Heerrufer hinzu, dem man sein militärisches Gehabe wohl auch deshalb abnimmt, weil er in seinem früheren Leben Elitesoldat war.

Ein geballte Ladung Unmut bekamen Albert Dohmen und Gordon Hawkins zu hören. Vor allem Dohmens Diktion als König Heinrich wirkt – besonders bei den Vokalen – recht eigentümlich gequält. Und den Telramund in der Artikulation so zu verschlampern wie Hawkins, das ist auch schon wieder eine Leistung. Aber das ist letztlich zu verschmerzen, weil neben den vier genannten Protagonisten auch der Chor in Hochform war. Und weil auch Donald Runnicles und sein Orchester aus dem Graben und einzelne Musiker auch noch aus ganz anderen Ecken des Hauses einen betörenden Raumklang herbeizauberten und musikalisch jeden Fantasieraum für eine märchenhaft spannende, politisch ins Martialische ausufernde und psychologisch in die Figuren bohrende Geschichte bot, die man auf der Bühne auch gerne gesehen hätte.


FAZIT

Der neue Lohengrin an der Deutschen Oper Berlin ist szenisch indiskutabel. Er hat aber mit Klaus Florian Vogt und Petra Lang zwei wirkliche vokale Glanzlichter zu bieten und ein Orchester, das sich offenbar mit seinem GMD in der Zuneigung zu Wagners Romantik einig ist


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Donald Runnicles

Inszenierung
Kasper Holten

Bühne und Kostüme
Steffen Aarfing

Licht
Jesper Kongshaug

Chor
William Spaulding

Dramaturgie
Miriam Konert



Der Chor der
Deutschen Oper Berlin

Das Orchester der
Deutschen Oper Berlin


Solisten

Heinrich der Vogler
Albert Dohmen

Lohengrin
Klaus Florian Vogt

Elsa von Brabant
Ricarda Merbeth

Friedrich von Telramund
Gordon Hawkins

Ortrud
Peter Lang

Der Heerrufer des Königs
Bastiaan Everink

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