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Jenufa

Oper in drei Akten
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Schauspiel
von Gabriela Preissová
Musik von Leos Janacek

In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 3 Stunden – zwei Pausen

Premiere in der Deutschen Oper Berlin am 4. März 2012




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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Im engen Gehäuse

Von Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus


Den ersten Auftritt hat die Küsterin. In den engen Raum, der als ein Kasten auf die Bühne gestellt ist, tritt sie durch eine rückwärtige Tür  herein, die von einer Wärterin unverzüglich wieder geschlossen wird. Es ist eine Zelle, außer mit Tisch und Stuhl durch nichts möbliert. Kalt, weiß, bedrückend. Von ihrem Ende her, der  Verhaftung einer Mörderin, wird diese Oper in Christof Loys Inszenierung an der Deutschen Oper gesehen. Diese Frau hat in ihrer bigotten Verblendung, ihrer rigorosen Moralstrenge und ihrem übermütterlichen Egoismus das uneheliche Kind ihrer Pflegetochter Jenufa in den Fluss geworfen, wo es am Ende des Winters, wenn das Eis zu tauen beginnt, als lebloses Bündel gefunden wird. Für diese Tat wird sie jetzt in diese enge, trostlose Zelle geführt. Sie nimmt am Tisch Platz und scheint über die Vergangenheit nachzudenken, so als sei das, was jetzt kommt, eine Reminiszenz. Denn nach einigen Augenblicken öffnet sich der Raum wieder nach hinten, gibt den Blick durch einen schmalen Ausschnitt in der Wand auf ein Kornfeld frei  und wird nun zu einem Raum in der Mühle der Buryjas, in welchem die Opernhandlung beginnt. Gefängnis und Freiheit haben derselben Platz. Hier liegt ein Schlüssel für Loys Lesart von Janaceks Oper „aus dem mährischen Bauernleben“. Ländliche Atmosphäre wird nur durch das trockene Getreidefeld und ein paar Telegrafenmaste stilisiert dargestellt, der Hauptakzent liegt auf der körperlich spürbaren Enge, einem Eingesperrtsein der Figuren in ihrer inneren Unfreiheit. Christof Loy zeigt sich wieder einmal als der Meister der psychologischen Szenenführung.

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Abwehr: Steva (Joseph Kaiser) will sie nicht als Schwiegersohn ihrer Stieftochter  (Küsterin: Jennifer Larmore)

Die Zwänge der Menschen, ihre seelische Erstarrung und die daraus erwachsenden Aggressionen bis hin zur Zerstörung zeigt die Inszenierung an den Protagonisten in beklemmender Deutlichkeit. Bezwingend Will Hartmann als Laca, der als Verlierertyp zuerst auch bei Jenufa kein Glück hat. Zwanghaft verklemmt schnitzt er mit einem Messer an einem Stecken herum, bis er, um ihre Schönheit zu zerstören, aus Eifersucht ihr damit das Gesicht entstellt. Stimmlich kommt Hartmann der Rollenkonzeption mit aggressiv-scharfer Klangfärbung überzeugend entgegen. Später im 3. Akt, wenn Laca und Jenufa sich die Ehe versprechen,  blüht sein Tenor lyrisch auf. Als lebenslustiger Steva setzt Joseph Kaiser temperamentvolle Spielfreude und weit schwingende Gesangslinien dagegen. Die Bauerntanzszene im 1. Akt verstärkt in ihrer munter choreografierten Anlage zudem diesen Ausbruch an Leichtsinn und Übermut. Mit Jennifer Larmore steht eine überraschend junge Sängerin als Jenufas Stiefmutter auf der Bühne. Sie zeigt die innere Spannung der Küsterin darstellerisch eindrucksvoll und singt, besonders in ihrem Monolog im 2. Akt, expressiv und anrührend schön. Die außergewöhnliche Strenge dieser Frau und deren verhängnisvolle Autorität – sie verbietet Jenufa die Hochzeit mit dem betrunkenen Steva – ließen sich allerdings in dieser Rolle noch zwingender vermitteln.

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Verhängnisvolles Nein zur Hochzeit: Die Küsterin (Jennifer Larmore), die schwangere Jenufa (Michaela Kaune) und ihr Geliebter Steva (Joseph Kaiser))

Hanna Schwarz als Großmutter Buryja gibt dieser in vielen Inszenierungen vernachlässigten Figur echtes Format. Die Regie hat dieser Rolle jenes Maß an mütterlicher Wärme zugemessen, zu welchem die Küsterin nicht fähig ist. Und Hanna Schwarz verstrahlt es berührend stark. Schließlich Jenufa: die junge Frau, die, zuerst Objekt und Opfer, am Schluss der Oper jedoch über den ihr eigenen Leidensweg zu sich selber findet. Symbolisch ist dieser Reifungsprozess durch ihre Kleider verdeutlicht: Als begehrte Schönheit des Dorfes trägt sie im 1. Akt ein weit dekolletiertes tiefrotes Kleid, im 2. Akt nach der Geburt ihres Kindes bezeichnenderweise unschuldiges Weiß und im 3. Akt schließlich, wenn sich ihr Schicksal zur Ehe mit Laca, ihrem einstigen Peiniger, neigt, erscheint sie in einem langen, hochgeschlossenen, strengen schwarzen Kleid, matronenhaft und geschnürt, wie vom Leben entfernt. Mit Michaela Kaune ist diese Rolle großartig besetzt, sie ist eine Jenufa auch der stimmlichen Entwicklung zwischen Zukunftsangst (1. Akt) und innerem Erstarken (3. Akt). Mit großer Intensität gestaltet sie das Gebet für ihr Kind im 2. Akt. Am Schluss blüht ihr Sopran strahlend auf. Dennoch bleibt das Glück dieses Schlusses in Frage gestellt. Das Paar geht zwar gemeinsam in seine Zukunft, deren Horizont aber pechschwarz ist.

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Die bunten Blumen signalisieren Glück, aber der Horizont ist pechschwarz: Jenufa (Michaela Kaune) und Laca (Will Hartmann) sehen ihrer gemeinsamen Zukunft entgegen.

Ein offener Schluss also, dem vom Orchester zu all seiner triumphalen Größe doch auch einige scharfe und kantige Klänge beigemischt werden. Wie Donald Runnicles überhaupt mit dem Orchester der Deutschen Oper die expressive Bandbreite von Janaceks Musik ausschöpft, viel Sinn für solistische Details beweist, stellenweise aber auch satte Klangtableaus zulässt, stets jedoch sängerfreundlich darauf bedacht ist, die Solisten durchdringen zu lassen. Auch hier eine bis in kleine Nuancen durchdachte und durchgearbeitete Leistung.



FAZIT

Nun hat auch die dritte Berliner Opernbühne in dieser Spielzeit ihre Janacek-Premiere gehabt. Nach der Komischen Oper (Das schlaue Füchslein) und der Staatsoper (Aus einem Totenhaus) reiht sich nun auch die Deutsche Oper mit dieser in allen Teilen hervorragend gelungenen und daher zurecht umjubelten Jenufa - Interpretation erfolgreich in die Janacek-Pflege der Hauptstadt ein. Längst überfällig - wie es auch das Berliner Debut von Christof Loy mit dieser Produktion gewesen ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Donald Runnicles

Inszenierung
Christof Loy

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Judith Weihrauch

Choreografische Mitarbeit
Thomas Wilhelm

Dramaturgie
Christian Arseni

Chöre
William Spaulding

Lichtdesign
Bernd Purkrabek


 

Orchester der
Deutschen Oper Berlin

Chor der
Deutschen Oper Berlin

Statisterie der
Deutschen Oper Berlin


Solisten


Die alte Buryja
Hanna Schwarz

Steva Buryja
Joseph Kaiser

Laca Klemen
Will Hartmann

Die Küsterin Buryja
Jennifer Larmore

Jenufa, ihre Stieftochter
Michaela Kaune

Altgesell
Simon Pauly

Bürgermeister
Stephen Bronk

Frau des Bürgermeisters
Nadine Secunde

Karolka
Martina Welschenbach

Barena
Jana Kurucová


Jano, Schäferjunge
Hila Fahima

Schäferin
Fionnuala McCarthy







Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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