Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Faust

Große romantische Oper
Libretto von Josef Karl Bernard

Musik von Louis Spohr

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Stammhaus Radebeul am 3. April 2010

(rezensierte Aufführung: Gastspiel im Theater Detmold am 25. März 2011
im Rahmen der 14. Deutschen Landesbühnentage 2011 in Detmold)




Landesbühnen Sachsen
(Homepage)
Der etwas andere Faust

Von Thomas Molke / Fotos von Hagen König (Landesbühnen Sachsen)

Obwohl Louis Spohrs Faust aus dem Jahre 1816 sicherlich zu den berühmtesten Werken des Wegbereiters der romantischen Oper zählt und zahlreichen Theaterbesuchern zumindest namentlich ein Begriff sein dürfte, führt dieses Werk bedauerlicher Weise ein absolutes Schattendasein im Repertoire der deutschen Bühnen. Zu übermächtig sind die Vertonungen des Faust-Stoffes von Gounod und Boito. Dabei hat Spohrs Faust  im Gegensatz zu der französischen und italienischen Variante des Stoffes außer der Titelfigur und Mephistopheles so gut wie gar nichts mit Goethes Meisterwerk gemein, dessen zweiter Teil zwar zum Zeitpunkt der Uraufführung noch einige Jahre auf sich warten ließ, dessen erster Teil sich aber 1816 schon sehr großer Beliebtheit erfreute und Spohr sicherlich bekannt war. Vielleicht liegt es aber auch gerade an der Tatsache, dass Spohr wie die nachklassischen Interpreten Grabbe und Lenau den Ansatz vertrat, Faust müsse - anders als bei Goethe - wegen seiner Verstöße gegen die Weltordnung verdammt werden und untergehen, was bei steigender Popularität des Goetheschen Klassikers dazu führte, dass Spohrs Sichtweise auf seinen Antihelden ins Abseits gedrängt wurde. Jedenfalls ist es den Landesbühnen Sachsen hoch anzurechnen, dass sie dieses Werk nicht nur auf den Spielplan genommen haben, sondern es auch noch im Rahmen der Landesbühnentage 2011 in Detmold präsentieren.

Bild zum Vergrößern

Mephistopheles (Hagen Erkrath, rechts) hat Schwierigkeiten, den gelangweilten Faust (Norman D. Patzke, vorne Mitte) bei Laune zu halten. Im Hintergrund: die Hexen (Damenchor).

Spohrs Oper beginnt nach dem geschlossenen Pakt zwischen Mephistopheles und Faust. Faust beginnt, sich zu langweilen, und beschließt, die Zauberkräfte des Bösen zu nutzen, um Gutes zu tun. Dazu will er dem zuvor von ihm verführten Röschen Treue und ewige Liebe schwören. Doch Mephistopheles zwingt ihn, seinen Pakt mit dem Teufel zu erneuern, da er sonst von der Dorfgemeinschaft als Mörder und Vergewaltiger gelyncht wird. Folglich sucht er weitere Heldentaten und plant, gemeinsam mit Graf Hugo dessen Verlobte Kunigunde aus den Fängen des bösen Gulf zu befreien. Doch Faust verliebt sich in Kunigunde und lässt sich von der Hexe Sycorax einen Zaubertrunk brauen, der ihn für Frauen unwiderstehlich macht. So gelingt es ihm, Kunigunde kurz nach ihrer Trauung mit Hugo zu verführen. Der Graf schwört Rache und fällt im Kampf gegen Faust. Kunigunde ist verzweifelt über den Tod des Gatten und damit für Fausts Liebe verloren. Röschen hat sich mittlerweile das Leben genommen, weil Faust sie im Stich gelassen hat. So gibt es für Faust keine Rettung mehr, und die Hölle rechnet erbarmungslos mit ihm ab.

Bild zum Vergrößern

Franz (Michael Axelsson, vorne links) tröstet Röschen (Judith Hoffmann). Aber die will nichts hören. Da hat wohl Mephistopheles (Hagen Erkrath, hinten) seine Finger im Spiel.

Das Regieteam um Horst Otto Kupich hat sich bei seiner Inszenierung die Frage gestellt, was Fausts moralischer Absturz in die Hölle eigentlich bedeutet, und ist zu dem Entschluss gekommen, Fausts Fall als scheinbaren grenzenlosen Aufstieg auf der Karriereleiter zu deuten. So gewinnt er im Laufe des Stückes immer mehr Macht und Reichtum, bis er am Ende einsam und isoliert in den obersten Chefetagen der Machtzentralen sitzt und dort seine ganz persönliche Hölle erlebt. Diesen Ansatz findet man im Bühnenbild von Stefan Wiel, der den ersten Akt unterirdisch in den Wurzeln eines Baumes ansiedelt. In dieser Hölle befindet sich Faust, nachdem er den Pakt mit dem Teufel geschlossen hat, und von hier bricht er in die Welt auf, um die geplanten Heldentaten zu vollbringen. Nachdem er Kunigunde befreit hat, findet der zweite Akt nun auf der Erde statt. Angedeutet wird im Bühnenprospekt die Rinde des Baumes, die Fausts gesellschaftlichen Aufstieg symbolisiert. Im dritten Akt befindet man sich in der Chefetage eines Wolkenkratzers. Die letzten Zweige des Baumes reichen noch bis zu dem Schreibtisch der Machtzentrale. Auch wenn dieser Ansatz nachvollziehbar bleibt, werfen einige Details des Bühnenbildes doch unbeantwortete Fragen auf. Kann man das überdimensionale Auge auf der Rückseite des Kerkers, in dem Gulf die entführte Kunigunde gefangen hält, noch als Instrument der Bewachung auffassen, bleibt die Zaubertrunkszene im zweiten Akt doch etwas nebulös. Die Hexe Sycorax entsteigt einem riesigen Zylinder, auf dem futuristische Rohre thronen, der auf den ersten Blick wie eine große Dusche aussieht. Zumindest tragen die Hexen alle Handtücher, was den Bezug zu einer Badeanstalt nahelegt. In diesem Ambiente lässt sich Faust nun für das weibliche Geschlecht unwiderstehlich machen. Wieso er die Hexe im Anschluss erwürgt, bleibt dabei ein unnötiger Regieeinfall.

Bild zum Vergrößern

Faust (Norman D. Patzke) hat von Sycorax (Hanna Schlott) den Zaubertrunk bekommen. Im Vordergrund: die Hexen (Damenchor).

Auch die Kostüme von Ella Späte tragen dem Inszenierungsansatz in ausgeklügelten Details Rechnung. Mephistopheles wird während des ganzen Stückes nur von Faust und den Hexen wahrgenommen. Daher ist seine Kleidung stets den Farben des Bühnenbildes angepasst, so dass er sehr unscheinbar erscheint. Im Kontrast dazu stehen die knallroten Handschuhe, die er trägt und mit denen er zum Drahtzieher der Handlung wird. Faust entwickelt sich von einem gut gekleideten Dressman mit schwarzer Hose und schwarzem Hemd optisch zu einer immer strahlenderen Figur. So trägt er nach dem Zaubertrunk im zweiten Akt einen goldenen Anzug, der symbolisiert, dass er dem "silbernen" Grafen Hugo überlegen ist. Doch wie bei König Midas wird auch Faust das Gold zum Verhängnis. Im dritten Akt ist sein ganzer Körper vergoldet, bis er am Ende auf dem Höhepunkt seiner Karriere wie eine hässliche in Gold gewickelte Mumie zurückbleibt. Während des ganzen Stückes symbolisiert ein schwarzer Handschuh, den er an der linken Hand trägt, sein Bündnis mit dem Teufel. Ganz am Ende legt Mephistopheles seine roten Handschuhe ab, um ebenfalls schwarze Handschuhe zu entblößen, mit denen er nun ein neues Opfer für einen neuen Kontrakt suchen will. Der Damenchor, der im ersten Akt die Hexen der Unterwelt, im zweiten Akt die Gäste der Hochzeit und im dritten Akt die Sekretärinnen des Büros darzustellen scheint, trägt trotz unterschiedlicher Kostüme stets die gleiche weiße Perücke mit einer rosafarbenen Strähne, so dass das Volk als Spielfiguren der Hölle entlarvt wird.

Musikalisch hat der Abend Höhen und Tiefen. Das von Sparzwängen bedrohte Orchester der Landesbühnen Sachsen stellt unter der Leitung des GMD Michele Carulli sehr deutlich seine Leistungsfähigkeit unter Beweis. Carulli arbeitet mit den Musikern sehr nuanciert und klangschön den melodischen Reichtum der Partitur heraus und ist stets bemüht, die Sänger nicht mit einem Klangteppich zuzudecken. Warum einige Passagen über Lautsprecher eingespielt werden, bleibt fraglich. Ist der Orchestergraben zu klein gewesen, dass nicht alle Musiker Platz hatten? Gerade die erste Szene nach der Ouvertüre zieht sich daher sehr lang, weil der Klang über die Lautsprecher auch nicht gerade der beste ist. Vielleicht ist es aber auch ein Regieeinfall, um deutlich zu machen, warum Faust mit dem geschlossenen Pakt unzufrieden ist. Der Hörer wird es an dieser Stelle nämlich auch.

Bild zum Vergrößern

Mephistopheles (Hagen Erkrath) steht kurz vor dem Ziel.

Während die kleineren Partien gesanglich nicht duchgängig überzeugen können, werden die Hauptpartien der Oper auf gutem Niveau gesungen. Der Tenor Guido Hackhausen wurde zu Beginn der Vorstellung vom Intendanten Kay Metzger zwar als leicht indisponiert entschuldigt, meisterte die Partie des Grafen Hugo aber sehr heroisch, wobei er in den hohen Tönen, wahrscheinlich bedingt durch die Indisposition, ein wenig quetschte. Hagen Erkrath stattet den Mephistopheles mit einem sehr profunden Bass aus, der für den Teufel über ausreichend Schwärze verfügt. Warum die Regie in den ersten beiden Akten relativ lieblos auf der Bühne agieren ließ, bleibt fraglich. Wenn er nämlich in seiner Arie des dritten Aktes mit viel Bühnenzauber seinen bevorstehenden Triumph über Faust feiert, zeigt Erkrath, dass er durchaus schauspielerisches Talent besitzt. Judith Hoffmann verleiht Röschen mit ihrem leuchtenden Sopran sehr mädchenhafte Züge, die wie ihr Schulmädchenkostüm die Naivität dieser Figur unterstreichen. Dass sie im dritten Akt alkoholisiert über die Bühne wanken muss, bevor sie stirbt, zerstört ein bisschen die Vorstellung die man von dieser Rolle hat und die Judith Hoffmann sowohl stimmlich, als auch darstellerisch sehr gut vermittelt. Anna Erxleben stattet Kunigunde mit einem sehr lyrischen und fülligen Sopran aus und weiß ebenfalls, darstellerisch zu überzeugen.

Norman D. Patzke gibt darstellerisch und optisch ein großartiges Rollenporträt der Titelfigur. Optisch ein bisschen an den jungen Ted Herold oder Horst Buchholz erinnernd, vermittelt er sehr glaubhaft, dass er die Frauenherzen wie ein Don Giovanni höher schlagen lassen kann. Auch seinen Wettstreit mit Mephistopheles legt Patzke sehr authentisch an. Wie er sich dann im dritten Akt zwar vergoldet aber kraftlos auf die Bühne schleppt, ist sehr überzeugend gespielt. Dabei stattet er den Faust mit einem sehr kräftigen Bariton aus, der nur in den Tiefen noch ein bisschen an Volumen gewinnen könnte. Alles in allem bleibt die Aufführung folglich sowohl musikalisch, als auch szenisch ein großes Erlebnis, das am Ende mit lang anhaltendem Applaus des Publikums belohnt wird.


FAZIT

Es muss nicht immer Fidelio oder Freischütz sein. Auch dieses Werk hat durchaus seine Meriten, so dass es schön wäre, wenn auch andere Bühnen diese Oper ins Repertoire übernähmen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Carulli

Inszenierung
Horst Otto Kupich

Bühnenbild
Stefan Wiel

Kostüme
Ella Späte

Licht
Peter Becker

Choreinstudierung
Sebastian Matthias Fischer

Dramaturgie
Gisela Zürner



Opernchor der
Landesbühnen Sachsen

Orchester der
Landesbühnen Sachsen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Mephistopheles
Hagen Erkrath

Faust
Norman D. Patzke

Wohlhaldt, Fausts Freund
Kay Frenzel

Moor, Fausts Freund
Michael König

Kaylinger, Fausts Freund
Dietmar Fiedler

Wagner, Fausts Freund
David Sitka

Röschen, ein junges Mädchen
Judith Hoffmann

Franz, ihr Beschützer
Michael Axelsson

Gulf
Iikka Leppänen

Graf Hugo
Guido Hackhausen

Kunigunde
Anna Erxleben

Sycorax, eine Hexe
Hanna Schlott

Dienerin
*Christiane Günther /
Katharina Zachhuber



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Landesbühnen Sachsen
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -