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Zündeln im Biergarten Von Joachim Lang / Fotos von Charles Duprat / Opéra national de Paris Am Ende ist Günter Krämer bei seinem metaphorischen Fitnesstraining an seiner germanischen XXL-Walhall-Treppe in der Bastille-Oper doch noch aus der Puste gekommen. Den ersten kompletten Pariser Nibelungen-Ring nach mehr als fünfzig Jahren hat er jetzt nämlich mit einer szenisch schwachen Götterdämmerung abschlossen. Was Krämer diesmal auf Jürgen Bäckmanns spartanischer Bühne und in Falk Bauers abendgarderobigen Kostümen anbietet, ist für sich genommen dürftig und verreckt intellektuell geradezu zwischen ausführlichem statischem Rampensingen und illustrativen Video-Kitsch. Siegfried mit der Weltkugel
Als wichtiger Teil eines Großen und Ganzen aber beschränkt es sich nur auf eine halbherzige Resteverwertung von Motivbruchstücken der drei anderen Ringteile. Es ist besonders schade, weil Krämer mit seiner gewaltigen XXL-Treppe gen Germania-Walhall nicht nur eine große Behauptung aufgestellt hatte, sondern ihr besonders in der Walküre und im Siegfried auch klug aus verschiedenen Perspektiven gefolgt war. Doch wenn hier Gunthers Saal von feschen männlichen Dirndlträgern als Biergarten möbliert wird, und Maibäume und bunte Bänder irgendwie auf irgendwas verweisen, oder, wenn dann Hagens Mannen nur in Appell-Formation im Treppengerippe aufgestellt sind und Fähnchen mit Trauben schwingen, dann kommt das über einen verunglückten Festwiesen-Auftritt nicht hinaus. Wenn sich der tote Siegried dann aber als Projektion auf der sonst, je nach Bedarf, wogendes Wasser und züngelnde Flammen beisteuernden Projektionswand, wie eine aufsteigende Seele, Stufe für Stufe gen Nibelungenhimmel entfernt, dann wird dieser Kitsch nur noch von dem Götterabschießen wie im Computerspiel zum Finale übertroffen. Auf der Bühne erledigen indessen die drei Damen mit dem zerbrochenen Wotans-, respektive geflickten Hagen-Speer in einem plötzlichen Ausbruch von Entschlossenheit den Ring-Grapscher Alberich mit energischem Zustechen selbst. Die grandiose Treppe und die glänzende Götterbrut werden hier nur noch vorgezeigt, aber sie spielen keine Rolle mehr - weder als analytisches Sinnbild, noch als böse scheiternde Utopie in Sachen Welt. Dunkelmänner sind am Werke (Alberich)
Im Graben freilich dirigierte Pilippe Jordan eines der besten Wagnerorchester der Welt. Weder er noch seine exzellenten Musiker müssen da die Konkurrenz aus Berlin, München und Dresden oder aus Wien und Mailand fürchten. Jordans Feinarbeit ist auch in der Götterdämmerung akribisch, der transparente und sich doch stets betörend sinnlich entfaltende Klang ist nie lärmig. Er ist der Bastille gemäß groß dimensioniert, aber immer so, dass auch kleinere Stimmen, wie die von Torsten Kerl, eine Chance als Siegfried haben und nicht untergehen. Jordans auf den großen Bogen setzender und die leisen Momente auskostender Götterdämmerung konnte auch das zwischen Schlamperei und Sabotage changierende akustische Leck nichts anhaben, durch das bei der Premiere ausgerechnet kurz vor Siegfrieds Tod eine zeitversetzte Tonspur in den Saal eindrang. Orchestral gehört dieser Ring also zu den Schmuckstücken seiner Art. Die vokale Ausstattung kann da nicht ganz mithalten aber wo kann sie das schon. Hans-Peter König räumt als Hagen im Rollstuhl und mit Weltkugel auf dem Schoß und Vater Alberich im Nacken, natürlich ab. Iain Paterson liefert einen eloquenten Gunther, und auch Katarina Dalayman vermag als (wenn auch etwas einfarbige) Brünnhilde Weite zu entfalten, vor allem aber mit Kondition zu imponieren. Vokalen Luxus verbreiten die Waltraute Sophie Koch und das Nornen- und Rheintöchtertrio (Nicole Piccolomini, Caroline Stein und Daniela Sindram). Den Damen ist zu Beginn auch die einzig wirklich überzeugende Szene dieses Abends vorbehalten. Da wandeln sie orakelnd wie mondäne Witwen des Weltwissens über die leere Drehbühne vor angedeutetem Ruinenhintergrund und verwandeln sich dann, vor aller Augen, in jene Rheintöchter, die in Paris am Ende zu rächenden Mörderinnen werden.
Für Philippe Jordan wurde der Ring zu einem Höhenflug mit weicher Landung. Leider stürzte Günter Krämer ausgerechnet mit der Götterdämmerung szenisch ab. Insgesamt bleiben von diesem neuen Pariser Ring der kühn in Angriff genommener Ansatz und eine Reihe von hinreißenden poetischen Bildern. Musikalisch wurde er zu einem überzeugenden Heimspiel für Philippe Jordan, der dafür nicht nur eines der besten Wagner-Orchester der Welt zur Verfügung hat, sondern die Partitur gleichsam auf der Suche nach ihrem verborgenen Charme durchwanderte, auch den aufrauschenden Bombast bediente, aber keine Chance vorübergehen ließ, Wagner auch als einen Piano-Könner herauszustreichen. Vokal ist Paris das getreuliche Abbild von spärlichem Glanz und häufigem Elend des heutigen Wagnergesangs. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Video
Choreographie
Chor
Solisten
Siegfried
Brünnhilde
Gutrune
Gunther
Alberich
Hagen
Waltraute
1. Norn
2. Norn
3. Norn
Wellgunde
Woglinde
Floßhilde
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