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Le Freischütz

Romantische Oper in drei Akten
Libretto von Friedrich Kind
ins Französische übersetzt von Émilien Pacini und Hector Berlioz
Musik von Carl Maria von Weber
mit Rezitativen von Hector Berlioz


in französischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 07. April 2011 in der Opéra Comique, Salle Favart, Paris


Homepage

Opéra Comique Paris
(Homepage)

Meisterlich, mitreißend, mustergültig

Von Bernhard Drobig / Fotos: © Opéra comique / Elisabeth Carecchio

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Kilians Spottlied (1. Akt)

Es ist schon bemerkenswert, wie konsequent die Pariser Opéra comique sich jenes Repertoires annimmt, das im frühen 19. Jahrhundert für dieses Haus komponiert worden ist oder in ihm zuerst die Bühne der Metropole gefunden hat. Webers Freischütz freilich, dort anno 1830, neun Jahre nach der Berliner Uraufführung von 1821, von einer deutschen Truppe mit der von Wagner verehrten Wilhelmine Schröder-Devrient als Agathe im Original aufgeführt, kehrte nun nicht als solches in die Salle Favart zurück, sondern in jener französischen Fassung, die 1841 in der Pariser Oper an der Rue Le Peletier uraufgeführt worden ist, und für die Émilien Pacini und Hector Berlioz nicht nur das von Friedrich Kind geschaffene Libretto ins Französische übertragen haben, sondern Letzterer auch die gesprochenen Texte vertont und zudem seine brillante Orchestrierung von Webers «Aufforderung zum Tanz» beigesteuert hat. Le Freischütz hat aber auch noch aus einem anderen Grunde in der relativ kleinen Opéra comique seinen angemessenen Platz, denn mit dem auch zu Mozarts Entführung und Beethovens Fidelio führenden Genre gleichen Namens war Weber während seiner Operndirigate in Prag rund zehn Mal unmittelbar befasst.


Vergrößerung in neuem Fenster Wolfsschlucht (2. Akt)

Für Sir John Eliot Gardiner als musikalischen Leiter der Neuproduktion stellte sich nun eigenen Worten zufolge die reizvolle Aufgabe, die auch in der Berlioz-Fassung treulich bewahrten und suo loco unterstrichenen deutschen Elemente der Oper, das Folkloristische etwa und Mysteriöse, ebenso zum Tragen zu bringen wie das dahinter stehende Modell der opéra comique und den Geist italienischer Bravourarien. Keine Frage, dass ihm diese spezifische Form von vermischtem Geschmack perfekt gelang, ist er doch seit Jahrzehnten mit den Subtilitäten von Berlioz' Partituren ebenso wie mit Mozarts Bühnenwerken und Kompositionen deutscher Romantiker bestens vertraut. Er machte also mit seinem wie immer höchst präzise aufspielenden Orchestre Révolutionnaire et Romantique die Partitur bis in letzte Feinheiten durchhörbar, gab den leitmotivischen, wennschon nicht systematisch eingesetzten Aussagen von Hörnern, Klarinette und Pauke ebenso zutreffendes Gewicht wie er den brillanten Orchestertutti ein Optimum an Klangzauber verlieh, zog vor allem unablässig mit seiner sich wie natürlich aus dem Notenbild ergebenden Gestaltung von Atmosphären in den Bann, ob es nun Schützenstolz und Feierlaune, Ängste und Verzweiflung oder Versuchung und ihre Folgen waren, bis hin zum abschließenden Gotteslob, nicht zu vergessen das Dämonische, das in der Wolfsschluchtszene seinen stärkste Ausprägung fand. Hier wie insgesamt überraschte Gardiner nicht zuletzt auch damit, wie sehr Berlioz sich bei der Umgestaltung der gesprochenen Dialoge und des Melodrams in orchesterbegleitete Rezitative dem Geist Weberschen Komponierens verpflichtet fühlte, und er gestaltete auch selbst einfühlsam, was Berlioz aus welchen Gründen auch immer nicht vertont hatte: die gesprochene erste Szene des dritten Aktes, in der nun zum Adagio ma non troppo aus Webers Klarinettenkonzert op. 26 Max und Gaspard pantomimisch die neu gegossenen Freikugeln untereinander aufteilen, bis für den Probeschuss um die Hand Agathes die dem Teufel gehörende letzte bleibt.

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Annettes und Agathes Heim (3. Akt)

Zur mustergültigen Wiedergabe dieser sich dem deutschen Original gegenüber durchaus ebenbürtigen und wie aus einem Guss erweisenden französischen Fassung trug selbstverständlich bei, dass Gardiner eine hervorragende Solistenriege aufbot: allen voran Virginie Pochon, die mit ihrem faszinierend klaren, soubrettenhaften Diskant und in lockerer Spielfreude Annette den Charme der Unbeschwertheit gab, in trefflichem Widerpart zu der mehr versonnen brav anmutenden Agathe, die in Sophie Karthäusers Interpretation trotz ihres makellos lieblichen Soprans etwas blass wirkte, möglicherweise aber bewusst einen Hauch von Naivität sinnfällig machen sollte. Auch Max, ihr Bräutigam, fand im lyrischen Tenor von Andrew Kennedy eine eher sentimental verhaltene, glaubhaft in Versuchung geratende als heldenhaft kämpferische Note, wie sie ansatzweise der helle Tenor Samuel Evans für den beim Preisschießen Max überbietenden Kilian bot. Mit kraft- und klangvollem Bass, zugleich starker innerer Bewegung verlieh Gidon Saks dem bösen, Satan verfallenen Gaspard nachhaltig wirkende Kontur. Auch die Träger der Nebenrollen konnten durchweg überzeugen, der Monteverdi-Choir sogar insofern, als er sich außer mit seinen gediegenen sängerischen und darstellerischen Qualitäten für die «Invitation à la valse» auch als talentierte Ballettformation empfahl.


Vergrößerung in neuem Fenster Agathes Ohnmacht (3.Akt)

Dass sich dies alles ungehindert entfalten konnte, war der auf Anhieb gefälligen Inszenierung von Dan Jemmett zu danken. Hier wurde nicht nach irgendwelchen hochaktuellen Rollendeutungen oder gar psychischen Tiefen gesucht, hier wurde moderat modernisiert ein dem Libretto entsprechendes Szenario vorgestellt: gestaffelte, geschmackvoll profilierte Holzwände, die jede ein mit bunten Lampions gerahmtes Bühnentor aussparten, zunächst zu einem Schießstand hin, dann zu einem einmal von außen, später auch von innen gezeigten Schaustellerwagen als Agathes und Annettes Wohnung, und schließlich zu einem für die Wolfsschlucht- und Schlussszene variabel ausgeleuchteten phantastischen Felsgewirr als Rückwand. Das Faszinierende an diesem Szenario war, dass sich in ihm alles wie in einem eng aufeinander bezogenen kleinbürgerlichen Bereich abspielte, im Übrigen auch in Einzelheiten sinnvolle Bezüge gestiftet wurden, wenn etwa im dunklen Schluchtbild sich statt Bäumen riesige dornenbesetzte Rosenstengel ins Bild senkten, gedacht als Symbole des Satans, im Kontrast zu den weißen Rosen, die der Eremit Agathe geschenkt hatte. Auch die unprätentiöse Kostümierung bürgerlichen Gepräges – mit den langen Damenröcken aus der Zeit zwischen den letzten Weltkriegen, und zünftiger Berufstracht nur für den Erbförster und seinen künftigen Schwiegersohn, nicht aber den Eremiten –, sie fügte sich ebenso wie manch humoriger Einfall – Festmarsch beispielsweise aus dem Schalltrichter eines Grammophons – sinnvoll in den Gesamtrahmen, der jedwede in monumental pathetischer Überhöhung entstehende Peinlichkeiten von vornherein ausschloss.


FAZIT

In einer gefälligen, extreme Modernisierung vermeidenden Szene fand ein Fest hervorragender Stimmen statt, im Orchester ein solches brillianter Klangkultur, was insgesamt die mannigfaltigen Aspekte des originalen wie französisch gefassten Freischütz in ihrer vollen Faszination aufleuchten ließ: meisterlich, mitreißend, mustergültig.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sir John Eliot Gardiner

Inszenierung
Dan Jemmett

Bühne
Dick Bird

Kostüme
Sylvie Martin-Hyszka

Licht
Arnaud Jung

Choreographie
Cécile Bon



The Monteverdi Choir

Orchestre Révolutionnaire et Romantique


Solisten

Agathe
Sophie Karthäuser

Max
Andrew Kennedy

Annette
Virginie Pochon

Gaspard
Gidon Saks

Kouno
Matthew Brook

Kilian
Samuel Evans

Ottokar
Robert Davies

L'Ermite
Luc Bertin-Hugault

Samiel
Christian Pélissier

Les desmoiselles d'honneur
Charmian Bedford
Katy Hill
Lucy Roberts
Louise Le Boutellier
Kate Symonds Joy
Vanessa Heine



Weitere
Informationen

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(Homepage)



Da capo al Fine

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