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Katz und Ratz
Von Ursula Decker-Bönniger
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Fotos von Michael Hörnschemeyer I love Henze hieß es nicht nur im Ruhr-Kulturhauptstadtjahr 2010. Auch Münster feiert den großen zeitgenössischen Komponisten, der am 1. Juli 2011 85 Jahre alt wird. Eröffnet wird das viele Veranstaltungen umfassende Festival mit einer Inszenierung der selten zu sehenden Opera buffa The english cat in deutscher Sprache. Lord Puff (James McLean) begutachtet seine Verlobte Minette (Henrike Jacob), Miss Crisp (Jana Havranova) bleibt reserviert
Der Titel des von Edward Bond stammenden Librettos erinnert an das Theaterstück Geneviève Serreaus Peine de coeur d'une chatte anglaise ("Herzbeschwerden einer englischen Katze"), einer Dramatisierung von Balzacs Erzählung zu den Bildern aus dem Staats- und Familienleben der Tiere des Illustrators Grandville'. Die Figurentypisierungen Bonds verweisen allerdings eher auf die Gedichte T.S. Eliots aus Old Possum's Book of Practical Cats oder an Erzählungen Maupassants aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, wo Prüderie und Doppelmoral, menschliche Scheinheiligkeit und Heuchelei thematisiert werden. Erzählt wird eine Menschengeschichte mit Katzen, einem Hund, einem Schaf, einem Fuchs und einer Maus und einigen als Schöffen dem Gericht beisitzende Gänse und Enten. Es ist die Geschichte der schönen, sittsamen, vertrauensseligen und frommen jungen Katze und Landpomeranze Minette, die nach London kommt, um den alten, biederen Kater Lord Puff zu heiraten. Er ist zu diesem Schritt gezwungen, um Vorsitzender der Königlichen Gesellschaft für den Schutz der Ratten zu werden einer Gesellschaft, in der Ratten und Mäuse zur Aufrechterhaltung des Systems erzogen werden. Vorzeigewaise ist die Maus Louise, die gelernt hat, für die Interessen der Gesellschaft zu werben. Als Puffs Neffe Arnold, der auf das Erbe seines Onkels spekuliert, entdeckt, dass der attraktive Straßenkater Tom der jungen Minette schöne Augen macht, wittert er seine Chance, den Ehebund zwischen Minette und Lord Puff zu verhindern. Die Gesellschaft hat ihren Skandal. Die Gerüchteküche tobt! Der Richter notiert die mit jedem Zeugen steigende Höhe der Bestechungsgelder. Schließlich muss Minette sterben, ohne Liebesfreuden genossen zu haben. Tom, der ihr ewige Liebe schwor, tröstet sich schnell mit Schwester Babette. Als er - durch unerwartete adelige Herkunft und Erbschaft reich geworden - den Aufstand versucht, d.h. sein Geld selbst verwalten und ausgeben will, wird er auf Anordnung Lord Puffs umgebracht. Vereint im Tode singen Tom und Minette ihr Abschlussduett. Den Triumph trägt Maus Louise davon. Sie hat gelernt und will mit geraubten Spendengeldern ein neues Leben beginnen. Minette (Henrike Jacob) und Schwester Babette (Maria Rebekka Stöhr)
Henzes Musik unterstreicht die Bissigkeit der Gesellschaftssatire. Minette ist ein leichter, verspielter, zarter hoher Sopran mit verführerischen Koloraturen. Lord Puff wird trotz seines Alters von einem leichten, hohen Tenor dargestellt. Den Solisten sind parodistisch Instrumentalklangfarben zugeordnet z.B. die Zither für das Landmädchen Minette, die Orgel für Lord Puff oder das Heckelphon, eine tiefe Oboe, die den hinterlistigen Neffen Arnold charakterisiert. Henzes dramatisch spielerische, verspielte Opernkomposition folgt in Grundreihe und davon abgeleiteten Figurenreihen den Gesetzen einer Zwölftonkomposition, wo alles miteinander vernetzt ist. Mal bewegungsfreudig mit lateinamerikanischen Perkussionsinstrumenten untermalt, mal lyrisch, mal grotesk, mal heiter, mal tragisch wechseln geschlossene, oft kontrastiv angelegte Nummern mit Ensembleszenen und vom Orchester, bzw. Soloinstrument begleiteten Rezitativgesängen. Die Inszenierung dieser Volksoper ist nicht nur musikalisch eine Herausforderung. Es ist, als spiele ich mit einer kranken Puppe kommentiert Henze später, in den 1990er Jahren den eigenen, vergeblichen Inszenierungsversuch, den besonderen Charakter und Stil seines Maskenspiels zwischen Wahrheit und Fantasie hervorzulocken. Der Uraufführung 1983 in Schwetzingen, bei der Henze selbst Regie führte, war jedenfalls kein besonderer Erfolg beschieden. Und trotz gekürzter Fassung und Einfügen konzertanter Zwischenspiele in späteren Jahren spricht Henze selbst davon, man müsse wohl weiterhin auf den intellektuellen, musikalischen Regisseur warten, der den Stil der von Bond und mir einstmals intendierten Volksoper herausarbeiten könnte. Gerichtsverhandlung. Regisseur Ernö Weil erzählt die Geschichte in stimmigen, atmosphärischen Bildern gewürzt mit charakteristischen Haltungen und einem in den Perspektiven und Ebenen wunderbar surreal anmutenden Bühnenbild. Karin Fritz hat den Londoner Salon der Mrs. Halifax ganz aus der Tierperspektive zunächst in eine Bibliothek verwandelt mit auf der Erde liegenden großformatigen Zeitungsstapeln, einer Katzenklappe für die Auftritte der Katzen und Kater, einem Mauseloch im Bühnenboden für Louise und monumentalen Regalen, in denen 1,20 m große Bücher lagern und Katz" und Ratz" sich tummeln können. Flexibel, mit wenigen Handgriffen wird der Raum beispielsweise in der zweiten Szene in das Dach des Hauses umfunktioniert, wird aus Bücherstapeln mit Holzbrett einen Schreibtisch oder der Sitz, von dem aus Minette anstelle der Liebe das Cellospiel auf dem Kontrabass erlernt. Oder dieselben deuten mit aufgeklapptem Gesetzestext versehen einen Gerichtsraum an. Tiermasken, Kostüme und Personenregie Weils heben den gesellschaftlichen Klischeecharakter der Figuren hervor, ohne die Barmherzigkeit mit den Betrogenen" außer Acht zu lassen Minette ist ein silberfelliges Landschulkätzchen mit neckischem rosa Kleid und hochhackigen, zunächst etwas plumpen Pumps, die in der zweiten Szene zu den Serenadengesängen sehnsuchtsvoll mit ihrem Kuscheltier spielt, Lord Puff ein mit ausgewachsenem Backenbart das Legere, Häusliche liebende, in die Jahre gekommener Kater. Neffe Arnold, der schwarze Bösewicht-Kater, erscheint in blütenweißem Dandy-Outfit, während die Damen der Königlichen Gesellschaft für den Schutz der Ratten kamelhaarfarbene, leicht variierte Einheitskostüme tragen. Die Ratten tragen als gezähmtes Arbeitsvolk blaue Hosenanzüge und Waisenmaus Louise ein adrettes Servierschürzchen. Vereint im Tod: Tom (Alan Cemore) und Minette (Henrike Jacob)
Irgendwie schwanken die Szenenbilder Weils zwischen Gesellschaftssatire, Tierfabel und Konvention, sodass das Premierenpublikum auch bei humorvollen Szenenbildern mit eher verhaltenem Lachen reagierte, z.B. als die Geschorenen mit aufgeregtem Gänsegeschnatter auf einer breiten, leicht schwingenden Geschworenenschaukel Platz nahmen. Einige musikalische Kontraste, viele Bewegung initiierende rhythmisch-musikalische Motive und Tanzmuster greift die Inszenierung jedoch nicht auf. Klangbeispiel: Nr. 5 - Louise (Melanie Spittau)(MP3-Datei)
Klangbeispiel:
Nr. 22 - Tom (Alan Cemore), Minette (Henrike Jacob)
Klangbeispiel:
Nr. 27 - Minette (Henrike Jacob)
Ein sehr stimmig ausgewähltes, textverständlich artikulierendes engagiert darbietendes Solistenensemble, ein transparent und mit großem Spannungsbogen inszenierendes, klangfarbenreiches Orchester der Städtischen Bühnen Münster machen die Aufführung zu einem musikalischen Genuss. Überzeugend ist vor allem Alan Cemore als Tom mit einem flexiblen, in allen Tonlagen offenen, klangvollen, lyrischen Bariton sowie Henrike Jakob als Minette. Die Figur scheint ihr auf den Leib geschrieben zu sein. Wie sie nicht nur mit schwingenden Koloraturen und leichter, tonsicherer Höhe sondern auch mit einfühlsamer, differenzierter Bühnenpräsenz das Publikum in den Bann zieht, ist virtuose, hohe Verführungskunst.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Lord Puff / Serenadensänge
Arnold, sein Neffe / Serenadensänger
Mr. Jones, Geldverleiher / Mr. Fawn /
Tom / Serenadensänger
Peter / Mr. Keen / Verteidiger /
Minette
Babette, ihre Schwester / Der Mond
Louise Maus / Ein Stern
Miss Crisp / Ein Stern
Mrs. Gomfit / Ein Stern
Lady Toodle / Ein Stern,
Mr. Plunkett / Staatsanwalt /
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- Fine -