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Dialogues des Carmélites  
(Die Letzte am Schafott)



Oper in drei Akten und 12 Bildern
Text von Francis Poulenc nach dem gleichnamigen Drama von Georges Bernanos
nach der Novelle Die Letzte am Schafott von Gertrud von le Fort
Musik von Francis Poulenc

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause) 

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen am 27. Februar 2011
Münstersche Erstaufführung   


Logo: Städtische Bühnen Münster

Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
Oper von bewegender Aktualität 

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Hörnschemeyer

Ist es das Psychodrama, die Selbstfindung einer von Lebensängsten erschütterten jungen Frau, das Thema Mitmenschlichkeit in einer verrohten, von Schrecken und Gewalt beherrschten Gesellschaft oder die Problematisierung  einer religiösen Verklärung von Tod und Leid? Für welche Interpretation des freiwilligen Opfertods von Blanche de la Force und ihren Mitschwestern auch immer man sich entscheidet - die Aktualität der in Münster zum ersten Mal zu sehenden Oper Dialogues des Carmélites von Francis Poulenc berührt stärker denn je.  

SzenenfotoBlanche und Constance     

Erstmalig griff Gertrud von le Fort 1931 in der Novelle Die Letzte am Schafott das Schicksal der Karmeliterinnen von Compiègne auf - ein Leiden, das mit Beginn der französischen Revolution einsetzte und 1794 mit dem Tod durch die Guillotine endete. Die zum katholischen Glauben konvertierte Gertrud von le Fort verband die historisch verbürgten Ereignisse mit dem autobiographisch motivierten Schicksal einer jungen Adeligen namens Blanche de la Force.  Diese sucht  - von Verfolgungsängsten geplagt - Zuflucht bei den Karmeliterinnen. Nach Plünderung und Entweihung ihrer Zuflucht flüchtet sie ins elterliche Haus, wo sie später als Dienstmagd arbeitet - ihr Vater ist guillotiniert, der Bruder ins Ausland geflüchtet. Als Blanche von der Verurteilung ihrer Mitschwestern erfährt, fühlt sie sich dem gemeinsamen Martyriumsgelöbnis verpflichtet. Um Constance, die als Letzte übriggeblieben ist, in der Einsamkeit des Todes beizustehen, stimmt sie in das Salve Regina ein und geht freiwillig aufs Schafott.

bild1Versammlung der Schwestern im Kapitelsaal

In der stimmigen, münsterschen Inszenierung von Andreas Baesler beeindruckt vor allem das Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer. Während die Begegnung zwischen dem Marquis de la Force und seinem Sohn in einem Kaminzimmer der Familie stattfindet, wählt Zwimpfer für die folgenden Bilder einen schmucklosen, nackten Raum, dessen direkte und indirekte Beleuchtung, hohe, perspektivisch ausgerichtete Wände symbolisch und eindrucksvoll Blanches Innenwelt mit all den  Sehnsüchten und Grenzerfahrungen wiederspiegeln. Wie ein roter Faden hält dieser multifunktionale Raum die schnell wechselnden Bilder der Oper zusammen, wandelt sich mit kleinsten Veränderungen - bspw. mittels eines Klausurgitters - vom Klostergarten zur Krankenzelle der Priorin, vom Gefängnis zum Richtplatz.  In seiner Mitte befindet sich - in Anlehnung an die Klosterarchitektur des mexikanischen Architekten Luis Barragan - ein himmelwärts strebender, "sakraler Turm", der im letzten Bild zum Schafott mutiert.

Szenenfotoin der Krankenzelle der sterbenden Priorin

Geschickt betont Baesler die Aktualität des Geschehens, indem er dem Zuschauer selbst die  Einordnung in einen möglichen historischen Rahmen überlässt und seine plakative Bildersprache ganz auf die dramatisch-psychologische Bewegung der Dialoge konzentriert.
Einer der imposantesten Momente der Oper - auch musikalisch - ist die finale Szene, in der die todesbereiten Karmeliterinnen über einem rhythmischen Ostinato das Salve Regina anstimmen und das Fallball hörbar niedersaust. Baesler spitzt diesen schauerlichen Moment veristisch zu, lässt Theaterblut die Turmwand herunterrinnen und laut aufplatschen. Wirkungsvoll führt er auch die Demütigung im 8. Bild vor Augen, wo eine aufgebrachte Menschenmenge hinter dem Klausurgitter positioniert Einlass fordert und die Karmeliterinnen in Reih und Glied vor ihrer einfachen Liegestatt sozusagen coram publico von Kommissaren in grauem Zivil aufgefordert werden ihr Habit abzulegen.

Packend auch die Musik.  Ob hämmerndes, gleichmäßiges Glockengeläut oder von den Streichern weich abgefederte Marschbewegungen, das Sinfonieorchester Münster lotet unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg die verschiedenen Ausdrucksebenen der Oper sensibel und differenziert aus. Dabei erinnert das als Auftragswerk 1957 an der Mailänder uraufgeführte Werk eher an die traditionelle, veristische Sprache eines Mussorgskij, Puccini oder Berlioz als an die seriellen, elektronischen und aleatorischen Kompositionen seiner Zeitgenossen.

Die Oper erklingt in deutscher Sprache. Suzanne McLeod gibt überzeugend die gebrechliche, kranke Priorin. Die Sopranistin Claudia Grundmann gestaltet mal vollmundig, mal lyrisch, mal dramatisch aufflackernd, differenziert die Angstzustände und Sehnsüchte der Blanche. Die stimmlich hell strahlende Henrike Jakob ist ihr naiv frömmelnder, gestenreiche, hüpfende Lebensfreude verkörpernder Kontrapunkt, wobei ihre lebensnahe Bühnenpräsenz mitunter ins Komische abdriftet. Susanna Pütters verkörpert klangschön die junge Priorin, während Judith Gennrich mit eigener schillernder Strahlkraft in der Charakterpartie der standfesten Mutter Marie überzeugt.
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FAZIT

Ein Fragen aufwerfendes, rundum stimmig interpretiertes, berührendes Opernerlebnis.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thorsten Schmid-Kapfenburg   

Inszenierung 
Andreas Baesler

Bühne
Kaspar Zwimpfer 

Kostüme
Caroline Dohmen 

Chor
Donka Miteva

Dramaturgie
Jens Ponath

Chor der 11 Karmeliterinnen   

Chor und Extrachor
der Städtischen Bühnen Münster 

Sinfonieorchester
der Stadt Münster


Solisten

Blanche de la Force  
Claudia Grundmann 

Marquis de la Force
Matteo Suk 

Der Chevalier
Andrea Shin
 
Mme de Croissy
Suzanne McLeod

Mme Lidoine
Susanna Pütters

Mutter Marie
Judith Gennrich

 
Schwester Constance
Henrike Jacob

 
Mutter Jeanne
Simona Maestrini

 
Schwester Mathilde
Christina Holzinger

Der Beichtvater des Karmel
Fritz Steinbacher

Ein Kommissar
Christian-Kai Sander

 
Thierry /Kommissar /Kerkermeister
Donald Rutherford

 
Javelinot /ein Offizier
Frank Göbel /
Lars Hübel


Frauen aus dem Volk
Elke Nagel, Iris Stöcker /
Viola Grötz,
Martina Große-Feldhaus


Mann aus dem Volk
Matthias Klesy


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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