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Lola Blau sitzt in Mönchengladbach fest und singt Lieder und bleibt wirkungslos vom eigenen Klang berauscht
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Matthias Stutte
"Im Theater ist was los": Debütantin Lola Blau (Gabriela Kuhn) träumt von der großen Karriere.
Ziemlich traditionell, aber handwerklich solide hat Jürgen Pöckel das 1971 uraufgeführte, autobiografisch gefärbte Georg-Kreisler-Musical über die jüdische Theaterdebütantin in Szene gesetzt, die sich nach eigenen Angaben überhaupt nicht um Politik kümmert, aber Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts eben doch in den Sog der nationalsozialistischen Judenverfolgung und schließlich in Amerika in die Mühlen der Unterhaltungsindustrie gerät, ihre Vereinsamung im Alkohol zu ertränken sucht und bei ihrer Rückkehr nach Wien erkennt, dass man dort die jüngste Vergangenheit völlig ignoriert und sich letztlich nichts geändert hat. Lola Blau trifft ihren Geliebten nicht mehr wieder, sie nimmt in dieser Produktion am Ende nicht nur eine Handvoll Pillen ein, sondern verlässt die Bühne mit aufgekrempelter Jacke und Rasierklinge. Lola Blau (Gabriela Kuhn) gibt sich jüdisch.
Die verschiedenen Handlungsorte begrenzen vier bewegliche Bühnenelemente, die gleichzeitig als Projektionsfläche für verschiedene Fotos dienen. Ergänzt werden sie durch Dutzende Telefone (sinnstiftend nimmt Lola als Veranschaulichung ihrer wachsenden Isolation viele Hörer ab, am Ende hört man viele Sekunden lang im Dunkeln ein Tuten), jede Menge Koffer natürlich, ein Schminkspiegel, ein paar Einrichtungsgegenstände. Wirkt die Vielzahl der Requisiten anfangs erschlagend und überflüssig, so erkennt man im Laufes Abends, dass Ausstatterin Martina Lüpke auf diese Weise vergangene Szenen beim Publikum präsent halten möchte (von ihr stammen auch die Kostüme, für die der Etat nicht riesig gewesen sein kann). Lola Blau (Gabriela Kuhn) gibt sich "typisch österreichisch" bei ihren Auftritten in den USA.
Gabriela Kuhn ist eine erfahrene Musicalinterpretin mit Opernausbildung (zu ihrem Repertoire gehörten neben den Musicalrollen Maria und Eliza und Lehárs Prinzessin Mi auch Mozarts Despina und Zerlina), sie hat die Lola Blau am Landestheater Schleswig-Holstein bereits fast fünfzig Mal gespielt, von wo aus sie zusammen mit ihrem Mann, dem neuen Generalintendanten (der sich bei den diversen Einspielern etwas mehr Mühe hätte geben können), an den Niederrhein gekommen ist und von wo man die Produktion übernommen hat. Die Sängerin ist stets um eine sorgfältige musikalische Gestaltung, präzise Diktion und leise Töne bemüht und enthält sich auch darstellerisch erfreulicherweise jeglicher Outrage, sie versucht nicht wie viele Kolleginnen und auch männliche Kreisler-Interpreten von Rang, um jeden Preis originell zu sein und allzuviel eigene Akzente zu setzen, sondern lässt die bemerkenswerten Songs eher für sich wirken, was in den ruhigeren Momenten fast durchgängig überzeugt (etwa bei den "Alten Tränen", das sehr dicht geriet). In manch anderen - etwa den vermeintlich oberflächlichen Showszenen - vermisst man indes einen etwas handfesteren, zupackenderen, aggressiveren, direkteren Ton, in den Szenen, in denen die Künstlerin sich mit Gin zu trösten versucht, Intensität über Schauspieler-Routine hinaus - wobei sie da vielleicht auch mehr Hilfe vom Regisseur gebraucht hätte. Ihre Wandlungsfähigkeit beweist die Künstlerin in den sehr überzeugend präsentierten jiddisch angehauchten Songs, in ihrer deftigen Parodie der Frau Schmidt und natürlich im berühmten "Im Theater ist nichts los", das dem anfangs sehr trägen, am Ende aber lange applaudierenden Publikum am besten gefällt. Die leere Bühne von Martina Lüpke
Großen Anteil am Erfolg eines so intimen Abends in einem nicht ganz kleinen Haus (in dem es übrigens eiskalt und ziemlich zugig war) hat natürlich die Tontechnik, und da gab es erhebliche Probleme: Im ersten Teil fiel das Mikroport der ohnehin nicht sehr präsent ausgesteuerten Hauptdarstellerin phasenweise ganz aus, im zweiten Teil hielt das Pflaster nicht, mit dem es im Gesicht der Sängerin fixiert werden sollte, und da ging dann trotz des zurückhaltenden, aber flexiblen und pianistisch erstklassigen Spiels von Karsten Seefing manches unter (und ich saß in der zweiten Reihe!).
Etwas mehr hätten sich Regisseur und Hauptdarstellerin bei ihrer Annäherung an Kreislers Stück schon trauen können, das ein bemerkenswertes bleibt und hoffentlich - anders als in der einen der Songs zitierten Überschrift - nicht ganz wirkungslos bleibt. Der Autor selber übrigens ist nach wie vor sehr aktiv und liest im gesamten deutschsprachigen Raum aus seinem ersten Gedichtband "Zufällig in San Francisco" vor (Termine und viele Informationen mehr auf www.georgkreisler.de), seine damalige Hauptdarstellerin Topsy Küppers, mit der er eine ebenfalls im Chansonbereich tätige Tochter hat und mit der er sich vor langer Zeit schon überworfen hat, steht ihm da in nichts nach (www.kueppers.at). Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
SolistenLola BlauGabriele Kuhn
Klavier
Sprecher
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