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Musiktheater
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Grand Hotel

Buch von Luther Davis nach Grand Hotel (Menschen im Hotel) von Vicki Baum
Musik und Liedertexte von George Forrest und Robert Wright
Zusätzliche Musik und Liedertexte von Maury Yeston
Deutsch von Roman Hinze

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater am Gärtnerplatz in München am 03.02.2011
(rezensierte Aufführung: 28.07.2011)



Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)

Tanz auf dem Vulkan

Von Thomas Molke / Fotos von Hermann Posch

Es ist viel darüber diskutiert worden, ob Vicki Baums Roman Menschen im Hotel als literarisch wertvoll eingestuft  oder als Trivialliteratur abgetan werden kann. Nichtsdestotrotz hat der große Erfolg sie veranlasst, den Roman ein Jahr später in eine Theaterfassung in 16 Szenen umzuwandeln, die 1930 unter der Regie von Gustav Gründgens in Berlin eine umjubelte Premiere erlebte, so dass auch MGM auf das Werk aufmerksam wurde und die Verfilmung mit Greta Garbo als in die Jahre gekommene Primaballerina Gruschinskaja zu einem Kassenschlager machte. Die erste Musical-Version unter dem Titel At the Grand wurde 1958 jedoch ein absoluter Misserfolg. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass der Autor Luther Davis sich mit den Komponisten und Textdichtern George Forrest und Robert Wright zu weit von der Romanvorlage entfernt und die Handlung von Berlin in das zeitgenössische Rom verlegt hatte. Dennoch wagten sich die drei dreißig Jahre später an eine erneute Bearbeitung. Gemeinsam mit Maury Yeston, der einige Songtexte bearbeitete und zusätzliche Musik komponierte, näherte man sich wieder mehr der Romanvorlage an und gewann mit dem in Grand Hotel umbenannten Musical fünf Tonys, unter anderem für die beste Regie und Choreographie. Nachdem auch die europäische Erstaufführung 1991 im Theater des Westens in Berlin ein großer Erfolg geworden war, hat sich das Staatstheater am Gärtnerplatz nun entschieden, auch in München dieses erfolgreiche Musical über die ausgehenden 20er Jahre zu präsentieren.

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Baron von Gaigern (Lucius Wolter) flirtet beim Tanz mit Flämmchen (Milica Jovanovic).

Das Musical erzählt in lose aneinander gereihten Szenen von den Träumen und Sehnsüchten, der Menschen, die im Grand Hotel, das für das in der damaligen Zeit berühmte Hotel Adlon in Berlin steht, logieren und arbeiten. Da ist die ehemals erfolgreiche Primaballerina Elisaweta Gruschinskaja, deren Karriere auf dem absteigenden Ast ist, weil sie mit dem Nachwuchs nicht mehr mithalten kann. Während sie mit ihren Launen Ihrer langjährigen Dienerin Raffaela das Leben schwer macht, träumt diese in absoluter Ergebenheit davon, Elisaweta auffangen zu können, wenn keiner mehr für sie da sein wird. Dann trifft man auf den kleinen Buchhalter Otto Kringelein, der erfahren hat, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und deshalb mit seinen gesamten Ersparnissen einmal wie die Reichen und Schönen ein Leben in Luxus führen möchte. Ähnlich geht es der attraktiven Sekretärin Flämmchen, die davon träumt, durch die richtigen Kontakte ein glänzender Stern in Hollywood zu werden und somit aus dem Armutsviertel Berlins zu entkommen. Ganz andere Probleme plagen den Industriellen Preysing, der um seine Position und Existenz bangen muss, falls der Übernahmevertrag einer amerikanischen Firma in Boston nicht zustande kommen sollte. Doch auch die Sorgen und Nöte der Angestellten kommen nicht zu kurz. Man erlebt Eric, den Assistenzportier, dessen Frau gerade im Krankenhaus in den Wehen liegt und der nicht bei ihr sein kann, da er dann seinen Job verlieren würde. Obendrein macht ihm sein Vorgesetzter auch noch Avancen, durch deren Zurückweisung er noch weitere Nachteile zu fürchten hat.

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Ihre Karriere neigt sich dem Ende: Elisaweta Gruschinskaja (April Hailer).

Als verbindende Elemente zwischen diesen ganzen Einzelschicksalen treten der Kriegsveteran Oberst Dr. Otternschlag und der verarmte Baron Felix von Gaigern auf. Während der erste das Geschehen im Hotel größtenteils nur beobachtet und zynisch kommentiert, zwar täglich mit dem Gedanken spielt, das Hotel zu verlassen, von ihm aber nicht loskommt und deshalb permanent in der Hotellobby sitzt, tritt der zweite in aktiven Kontakt zu den genannten Figuren, wenn auch nicht aus sehr edlen Motiven. Der Baron hat sich nämlich von einer sehr zwielichtigen Gestalt Geld geborgt, um sein ausschweifendes Leben in der High Society finanzieren zu können. An eine Rückzahlung ist aber nur durch Diebstahl zu denken. Die erste Option stellt dabei ein wertvolles Diamantencollier der Gruschinskaja dar. Doch als er dieses aus dem Zimmer der Primaballerina stehlen will, wird er von ihr überrascht. Nachdem er sie zunächst mit seinem Charme umgarnen kann, verliebt er sich jedoch wirklich in sie und plant, mit ihr Berlin in Richtung Wien zu verlassen. Also sucht er sich Kringelein als sein nächstes Opfer. Aber auch bei dieser treuen Seele bringt er es nicht über sich, das benötigte Geld zu stehlen. Der letzte Ausweg, Preysing zu berauben, als dieser Flämmchen sexuell bedrängt, endet tödlich für ihn, da Preysing ihn in einem Handgemenge erschießt. So wartet die Gruschinskaja am Ende vergeblich am Bahnhof auf das Eintreffen des Mannes, der ihr ihren Lebenswillen zurückgegeben hat.

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Otto Kringelein (Gunter Sonneson) sehnt sich nach einem kleinen bisschen Glück (im Hintergrund: Stephanie Götz und David Koglin).

Das Regieteam um Pavel Fieber belässt die Handlung in den ausgehenden 20er Jahren. Christian Floeren hat auf der mehrfach drehbaren Bühne ein sehr aufwändiges Bühnenbild konzipiert, dass den Charme eines Nobelhotels der Zeit sehr gut widerspiegelt. Der Orchestergraben ist verkleinert, so dass rechts über dem Orchestergraben eine sehr detailgetreue Rezeption angebracht ist und links vom Orchestergraben ein stilechtes schwarzes Ledersofa Oberst Dr. Otternschlag die Möglichkeit bietet als Kommentator und Zuschauer des Geschehens auf der Bühne zu fungieren. Das Bühnenbild auf der Drehbühne erstreckt sich über zwei Etagen, wobei eine kunstvoll geschwungene Treppe nach oben zu den einzelnen Zimmern führt. Auf der Rückseite befinden sich in der oberen Etage die einzelnen Zimmer, während darunter die Bar angedeutet wird. In der Mitte prangt eine große Schwingtür, die fast die ganze Zeit in Bewegung ist und die Hektik der ausgehenden 20er Jahre beschreibt. Sehr eindrucksvoll gestaltet ist der Auftritt der Gruschinskaja im Theater. Vom Schnürboden werden vor dem Hotelkomplex hohe Spiegelwände herabgelassen, auf denen der Zuschauerraum des Gärtnerplatztheaters sichtbar wird. Vor diesen gibt die Gruschinskaja ihre letzte Vorstellung, in der sie gnadenlos ausgebuht wird. Auch am Ende der Aufführung verschwindet der Hotelkomplex und gibt den Blick auf ein nächtliches Berlin-Panorama der damaligen Zeit. Die Personen drehen sich dabei alle wie Spielfiguren auf einer Drehscheibe.

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"Wir trinken auf das Leben": Otto Kringelein (Gunter Sonneson) und Baron von Gaigern (Lucius Wolter) schwimmen im Erfolg (mit dem Musical-Gastensemble).

Musikalisch orientiert sich der Abend, obwohl die Lieder Ende der 50er bzw. Ende der 80er Jahre komponiert worden sind, stilistisch an den 20er Jahren. So überwiegen in den Songs Jazz, Walzer, Foxtrott und Charleston. Und zu den meisten Liedern schwebt ein Tanzpaar (Stephanie Götz und David Koglin) im Stil von Fred Astaire und Ginger Rogers über die Bühne, ohne dabei in irgendeinem Zusammenhang zu der Szene zu stehen. Überhaupt wird sehr viel getanzt in diesem Hotel, was die Ruhelosigkeit und die Sehnsucht nach Harmonie und Freude ausdrückt. Während beim Chor und dem Musical-Gastensemble die Aussteuerung der Mikroports nicht immer optimal ist, so dass der Text teilweise schlecht oder gar nicht zu verstehen ist, da er von der Musik überdeckt wird, gelingt die Aussteuerung bei den Solisten besser. Vor allem Philip Moschitz und Vladimir Maxim Korneev überzeugen als Barkeeper Jimmy 1 und 2 in ihrer an die amerikanische Minstrel Show angelegten Nummer "Maybe My Baby", in der sie mit Milica Jovanovic als Flämmchen einen flotten Charleston aufs Parkett legen, Steppeinlagen inklusive. Als besonders gelungene Choreographie von Hardy Rudolz, der auch den recht unsympathischen Preysing sehr glaubhaft präsentiert, ist Flämmchens Traum von ihrer Karriere in Hollywood zu erwähnen. Zu dem Lied "Mädchen im Spiegel" schiebt das Musical-Gastensemble zahlreiche drehbare Spiegel um Flämmchen auf die Bühne, deren Rückseiten die schäbigen Backsteinfassaden der Realität offenbaren.

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Raffaela (Marianne Larsen, rechts) bringt es nicht über sich, Elisaweta (April Hailer, links) die Wahrheit zu sagen: Baron von Gaigern wird nicht zum Bahnsteig kommen.

Darstellerisch ist dem gesamten Ensemble große Spielfreude zu bescheinigen. April Hailer interpretiert die Gruschinskaja mit großem Pathos und erinnert, wenn sie einsam auf der herabführenden Treppe steht, optisch ein wenig an Hildegard Knef. Hervorragend gelingt ihr der Wechsel von der verbitterten Primaballerina, die erkannt hat, dass ihre Zeit abgelaufen ist, zu der wie ein junges Mädchen neue Hoffnung schöpfenden glücklichen Frau, mit der man trotz all ihrer Schrullen als Zuschauer am Ende großes Mitgefühl empfindet, weil man weiß, dass ihr Traum vom Glück nur eine Seifenblase ist. Begünstigt wird dieser großartiger Wandel sicherlich auch durch das einfühlsame Spiel von Lucius Wolter als Baron von Gaigern. Absolut überzeugend stellt er die Gratwanderung zwischen oberflächlichem Lebemann und im tiefsten Innern seines Herzens sehr gutherzigem Menschen  dar, der es nicht über das Herz bringt, Otto Kringelein zu bestehlen. Gunter Sonneson gibt den Buchhalter mit sehr glaubhafter Bescheidenheit. Anrührend gestaltet er die Schlussszene mit Flämmchen, wenn er ihr trotz ihrer Schwangerschaft anbietet, mit ihm nach Paris zu kommen. Ob Flämmchen wirklich bei ihm bleiben oder ihn verlassen wird, wenn sein Geld aufgebraucht ist, wird der Fantasie des Zuschauers überlassen. Das Musical-Gastensemble überzeugt in zahlreichen Rollen mit punktgenauen und schmissigen Choreographien. Der flotte Sound aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Andreas Kowalewitz rundet den Abend zu einem sehr erfolgreichen Erlebnis ab, so dass das Publikum den Einsatz aller Beteiligten mit großem Beifall belohnt.

FAZIT

Ein emotional bewegender Abend mit großartigen Choreographien und flotter Musik im Stil der 20er Jahre. Für die nächste Spielzeit auf jeden Fall empfehlenswert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Andreas Kowalewitz / Liviu Petcu

Regie
Pavel Fieber

Bühne und Kostüme
Christian Floeren

Choreographie
Hardy Rudolz

Licht
Rolf Essers

Chor
Inna Batyuk

Dramaturgie
Christoph Maier-Gehring 



Orchester des
Staatstheaters am Gärtnerplatz

Chor und Musical-Gastensemble des
Staatstheaters am Gärtnerplatz


Solisten

*rezensierte Aufführung

Elizaweta Gruschinskaja
April Hailer

Otto Kringelein, Buchhalter
Gunter Sonneson

Flämmchen
Milica Jovanovic

Baron Felix von Gaigern
Lucius Wolter

Generaldirektor Preysing
Hardy Rudolz

Raffaela Ottanio, Elisawetas Vertraute
Marianne Larsen

Oberst Dr. Otternschlag
Dirk Lohr

Sandòr, Impresario / Zinnowitz, Anwalt
Hansjörg Hack

Rhona, Empfangschef / Der "Chauffeur"
Thomas Peters

Eric, Assistenzportier
Mario Podre
čnik

Jimmy 1
Tom Schimon / *Philip Moschitz

Jimmy 2
*Vladimir Maxim Korneev /
Philipp Moschitz

Zimmermädchen, Tellerwäscher etc.
Michaela Grundel
Eve Rades
Nina Steils
Katrin Wunderlich
Christoph Hanak
Michael Kitzeder
Gero Wendorff

Tanzpaar
Stephanie Götz
David Koglin

Telefonistinnen / Gesellschafter
Alpinia Albesteanu
Christa Schneider
Margot Schneider
Ute Walther
Claudia Wettengel
Sylvia Wiberg
Dirk Driesang
Markus Heissig
Uwe Kindler
Janus Kluczewski
Dirk Lüdemann
Marcus Wandl

Ein Pikkolo
Georgina Wismeyer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)





Da capo al Fine

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