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Musiktheater
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Die Piraten von Penzance
oder
Der Sklave der Pflicht

Operette in zwei Akten von William Schwenck Gilbert
Deutsch von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting
Musik von Arthur Sullivan

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Theater am Gärtnerplatz in München am 15. Mai 2009
(rezensierte Aufführung: Dernière am 23.07.2011)



Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)

Die Sache mit dem Pflichtgefühl

Von Thomas Molke / Fotos von Lioba Schöneck

Was für den deutschsprachigen Raum die Operetten Lehárs oder Johann Strauß' sind, sind für den englischsprachigen Bereich die Werke des wohl erfolgreichsten englischen Duos des 19. Jahrhunderts: William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan, kurz Gilbert & Sullivan, die es, inspiriert von der französischen "Opéra bouffe" eines Jacques Offenbach, erstmalig schafften, in England eine nationale Musiktheatertradition zu etablieren. Dass sich ihr Erfolg dabei hauptsächlich auf den Bereich des britischen Empire konzentrierte, hängt zum einen mit der Auswahl der Themen, die stereotype britische Verhaltensweisen parodieren, und zum anderen mit dem englischen Sprachwitz zusammen, der sich vor allem in den Patter songs schwer übersetzen lässt und auch in Form von Übertiteln die Komik kaum einfangen kann. Trotzdem ist es Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting bei ihrer Übersetzung gelungen, recht viel des typisch britischen Humors ins Deutsche zu übertragen, so dass das Staatstheater am Gärtnerplatz seit nunmehr zwei Jahren mit großem Erfolg dieses wohl bekannteste Piratenstück des Erfolgsduos präsentierte, bevor in der nächsten Spielzeit mit Der Mikado oder Die Stadt Titipu die Pflege der britischen Operette fortgesetzt wird.

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Ruth (Rita Kapfhammer) beichtet Frederic (Robert Sellier), wie es zur Lehre bei den Piraten kam.

Die Probleme der Übersetzung offenbaren sich bereits in der Ausgangssituation des Stückes. Das etwas schwerhörige Kindermädchen Ruth hat den jungen Frederic, weil sie die Ausbildungsstätte falsch verstanden hat, zur Lehre bei den Piraten statt bei den Privaten gegeben. Im englischen Original sollte es eine Ausbildung als "pilot" (Schiffslotse) statt "pirate" sein. Da Frederic aber als Sklave der Pflicht alle Verträge einhalten will und kein Versprechen gebrochen werden darf, absolviert er bis zu seinem 21. Geburtstag bei den Piraten seine Lehre, um anschließend ein ehrbares Leben an Land zu beginnen. Am Strand trifft er auf den Generalmajor Stanley mit dessen Töchtern und Mündeln und verliebt sich sofort in Mabel. Doch auch die Piraten finden Gefallen an den jungen Mädchen und wollen sie rauben. Der Generalmajor kann sich und seine Töchter nur mit dem Hinweis retten, dass er selbst eine Waise sei, da er weiß, dass die Piraten aus Mitleid keine Waisen angreifen. Doch auch ihn plagt diese Notlüge sehr, weil es gegen sein Pflichtgefühl ist, selbst Piraten zu betrügen. Als der Piratenkönig Frederic mitteilt, dass seine Lehre noch gar nicht zu Ende sei, da er am 29. Februar geboren sei und damit erst in 63 Jahren seinen 21. Geburtstag feiern könne, kehrt Frederic aus Pflichtgefühl zu den Piraten zurück und plant mit ihnen, den Generalmajor für dessen Lüge zu bestrafen. Die mittlerweile eingetroffene Polizei kann von den Piraten leicht überwältigt werden, und einer Bestrafung des Generalmajors steht nichts mehr im Wege, bis der Polizeisergeant an das Pflichtgefühl der Piraten appelliert und fordert, als treue Monarchisten die Beute der Queen auszuhändigen. So können die Piraten letztendlich besiegt werden, doch da sie laut Ruth alle fehlgeleitete Männer von edler Herkunft seien, verbietet es das Pflichtgefühl des Generalmajors, diese zu bestrafen, und es kommt für alle zum Happy End.

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Der Generalmajor (Gunter Sonneson) inmitten seiner Töchter Kate (Carolin Neukamm, vorne links), Isabel (Ulrike Dostal, links daneben kniend) und Edith (Frances Lucey, rechts vorne) (dahinter seine Mündel (Frauenchor)).

Das Regieteam um Holger Seitz hat diese ironischen Seitenhiebe auf Pflicht und Ehre sehr dezent in der Inszenierung umgesetzt und verzichtet dabei auf eine plakative Modernisierung. Stattdessen befindet man sich im ersten Akt in einer pittoresken Piratenbucht (Bühnenbild: Herbert Buckmiller) mit einem großen Piratenschiff, der "Iron Lady", die dem Namen nach zwar vielleicht Assoziationen mit Margaret Thatcher wecken mag, aber generell für eine weibliche Führungsperson mit starkem Willen stehen kann, wie sie die Queen in diesem Stück ja darstellt. Während der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang und zeigt die Piraten bei Kricket und Tee, Aktivitäten, die eher einen stereotypen English nobleman charakterisieren, was quasi das Ende vorwegnimmt, in dem Ruth den Piraten ja gerade diese adlige Abstammung bescheinigt. Die sehr detailverliebten Kostüme von Götz Lanzelot Fischer sind der Zeit angepasst, in der das Stück spielen soll, so dass die Komik ganz auf das Libretto und die Musik vertraut. Und dieses Konzept geht dank der großen Spielfreude des Ensembles auf. So sind im ersten Akt drei Höhepunkte zu nennen: die Auftrittsarie des Piratenkönigs, in der sich Stefan Sevenich mit Napoleon-Hut im roten Samtumhang als eher untypischer Freibeuter präsentiert, das Duett zwischen Frederic und seinem Kindermädchen Ruth, in dem Robert Sellier Susanne Heyng sehr theatralisch Betrug vorwirft, da sie sich ihm gegenüber als sehr ansehnliche Heiratskandidatin präsentiert hat, und die Auftrittsarie des Generalmajors, in der Gunter Sonneson sich in einem Patter song sehr eloquent vorstellt. Sehr gelungen ist auch das Wortspiel mit den Wörtern "Waise" und "Weise", im englischen Original sind es die Begriffe "orphan" und "often", da die Piraten ja stets von einem Überfall abgesehen haben, wenn es sich bei den Opfern um Waisen handelte, was merkwürdigerweise sehr oft vorkam.

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Frederic (Robert Sellier) liebt Mabel (Thérèse Wincent).

Der zweite Akt spielt an den Gräbern der Ahnen des Generalmajors in der alten Schlossruine. Auch hier hat Herbert Buckmiller mit Grabsteinen, einem laublosen, vertrockneten Baum und den Ruinen eines alten Schlosses ein sehr detailgetreues Bühnenbild geschaffen. Dass die Töchter des Generalmajors ihren Vater, während er weinend an einem Grab über seine Notlüge lamentiert, mit dem Grab zur Musik über die Bühne schieben, grenzt jedoch ein wenig an Klamauk. Am Ende allerdings eine überdimensionale britische Flagge vom Bühnenhimmel herunterzulassen, wenn alle sich der Ergebenheit zu ihrer Queen besinnen, und auf die Stange, an der die Flagge befestigt ist, Möwen zu setzen, die die Flagge mit ihren Exkrementen beschmutzt haben, gibt die Ironie der Vorlage sehr gut wieder, ohne den Bogen zu überspannen. Besonders gelungen ist in diesem Akt der Auftritt der Polizisten, wobei ihre Auftrittsarie eigentlich aus der sieben Jahre später komponierten Operette Ruddigore stammt. Mit einer von Fiona Copley gut einstudierten Choreographie zeigen die Bässe des Herrenchors gemeinsam mit Martin Hausberg als ihrem Sergeanten, dass die Piraten mit diesem Gegner durchaus leichtes Spiel haben dürften.

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Der Sergeant der Polizei (Martin Hausberg, Mitte) mit seinem Polizisten-Chor (Herrenchor) (im Hintergrund die Mündel (Frauenchor)).

Musiziert und gesungen wird auf recht hohem Niveau. Andreas Kowalewitz zaubert mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz aus dem Orchestergraben einen sehr flotten, spritzigen Sound, der die musikalische Leichtigkeit der Vorlage unterstreicht. Der von Jörg Hinnerk Andresen einstudierte Herrenchor gefällt als Polizisten und als Piraten durch Präzision, gute Textverständlichkeit und große Spielfreude. Der Damenchor präsentiert sich mit Frances Lucey,  Carolin Neukamm und Ulrike Dostal als backfischhafte Töchter- und Mündelschar des Generalmajors, die die Vorstellung, von den Piraten geheiratet zu werden, gar nicht mal so abstoßend finden. Wesentlich selbstbewusster tritt Heike Susanne Daum als Mabel auf. Mit kräftigem Sopran und sauberen Koloraturen beherrscht sie mit forschem Auftreten die Bühne. Kammersängerin Susanne Heyng spielt mit schönem Mezzo die komödiantischen Aspekte des in die Jahre gekommenen Kindermädchens sehr überzeugend aus. Mit sehr beweglicher Stimme und witzigem Spiel gibt Gunter Sonneson den nicht ganz ernst zu nehmenden Generalmajor. Stefan Sevenich überzeugt mit kräftigem Buffo-Bass als Piratenkönig, und auch Robert Sellier stellt optisch und stimmlich den jungen Frederic als einen sehr treffenden Piratenlehrling mit ausgeprägtem Pflichtgefühl dar. So gab es bei der Dernière großen Applaus und gewiss ein bisschen Wehmut darüber, dass diese erfolgreiche Produktion nun nicht mehr auf dem Spielplan stehen wird.

FAZIT

Die in der nächsten Spielzeit folgende Produktion Der Mikado oder Die Stadt Titipu, bei der ebenfalls Holger Seitz Regie führen und Fiona Copley die Choreographie erarbeiten wird, darf nach diesem Piratenstreich mit großer Spannung erwartet werden.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jörn Hinnerk Andresen /
*Andreas Kowalewitz

Regie
Holger Seitz

Bühnenbild
Herbert Buckmiller

Kostüme
Götz Lanzelot Fischer

Licht
Hans Guba

Choreographie
Fiona Copley

Chor
Jörn Hinnerk Andresen

Dramaturgie
Gabriele Brousek



Orchester, Chor und Statisterie des
Staatstheaters am Gärtnerplatz


Solisten

*rezensierte Aufführung

Generalmajor Stanley
Dirk Lohr / *Gunter Sonneson

Piratenkönig
Holger Ohlmann / *Stefan Sevenich

Samuel, sein Leutnant
*Sebastian Campione / Gregor Dalal

Frederic, der Piratenlehrling
*Robert Sellier / Tilman Unger

Sergeant der Polizei
Martin Hausberg

Ruth, Mädchen für alles bei den Piraten
*Susanne Heyng / Rita Kapfhammer

Mabel, Tochter des Generalmajors
*Heike Susanne Daum /
Thérèse Wincent

Edith, Tochter des Generalmajors
Frances Lucey

Kate
Carolin Neukamm

Isabel
Ulrike Dostal


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)





Da capo al Fine

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