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L'Inimico delle Donne

Dramma giocoso in drei Akten
Libretto von Giovanni Bertati nach Zon-zon. principe di Kibin-kan-ka von Giovanni Gazzaniga
Musik von Baldassarre Galuppi

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Palais Opéra in Liège am 28. Januar 2011



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Kanakinkara Kinkinkara

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Baldassarre (in zahlreichen Quellen auch Baldassare mit nur einem "r") Galuppi, genannt "Il Buranello" dürfte heute den wenigsten Opernbesuchern ein Begriff sein, da seine Opern, mit Ausnahme einiger Wiederbelebungsversuche beispielsweise in Venedig 2006 anlässlich seines 300. Geburtstags, weder auf den Spielplänen erscheinen, noch in den gängigen Opernführern ausführlich erwähnt werden. Dabei gehörte Galuppi im 18. Jahrhundert zu den populärsten Musikern, dessen Werke sich von Spanien bis Russland, vor allem aber in England, großer Beliebtheit erfreuten und der für die Verbreitung der Opera buffa eine unüberschätzbare Bedeutung erlangte. Grund genug für den Intendanten der Opéra Royal de Wallonie, Stefano Mazzonis di Pralafera, nicht nur den Versuch zu unternehmen, diesen Komponisten der Vergessenheit zu entreißen, sondern auch als Regisseur selbst Hand anzulegen. Ferner bietet die Opéra Royal de Wallonie als besonderen Service allen Interessenten, die es nicht nach Liège zu dieser Produktion schaffen, an, eine Liveübertragung im Internet am 3. Februar um 20.00 Uhr unter www.dailymotion.com/orw zu erleben.

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Die Minister Si-Sin (Daniele Zanfardino, links) und Ly-Lam (Juri Gorodezki, rechts) rätseln, welche Heiratskandidatin der Prinz wohl auswählen wird: Xunchia (Liesbeth Devos, links), Kam-Si (Priscille Laplace, Mitte) oder Zyda (Federica Carnevale, rechts).

Die Handlung spielt in der fiktiven chinesischen Region Ki-Bin-Kin-Ka zu einer nicht näher datierten vergangenen Zeit. Prinz Zon-Zon weigert sich, eine Ehefrau auszuwählen, da ihm alles Weibliche zuwider ist. Erst als die Italienerin Agnesina mit ihrem Onkel Geminiano am Ufer von Ki-Bin-Kin-Ka strandet, entdeckt er in der Europäerin ein weibliches Wesen, das seine bisherige Abneigung brechen könnte. Allerdings denkt Agnesina über alles Männliche ebenso schlecht. Erst mit der Zeit findet auch sie Gefallen an dem fremdländischen Monarchen. Zu einer Heirat, die Zon-Zon gleichzeitig die Vormachtstellung auf den Thron sichern soll, fehlt jetzt aber noch die Zustimmung des Gottes Kin Kin, der in Form einer Statue im Tempel von Ki-Bin-Kin-Ka verehrt wird. In diese Statue schlüpft der Onkel, um seiner Nichte eine gute Partie zu ermöglichen. Die Minister durchschauen zwar den Betrug, entscheiden sich aber auch in eigenem Interesse, auf das Spiel einzugehen und der Hochzeit des Prinzen mit Agnesina zuzustimmen. Agnesinas einzige Bedingung ist, dass Zon-Zon keine andere Frau neben ihr haben darf und ihr bis ans Ende seines Lebens treu sein muss. Zon-Zon stimmt zu und macht Geminiano zum einen zum höchsten Mandarin, zum anderen auch zum Ehemann, indem er ihm eine seiner potenziellen Bewerberinnen, Xunchia, zuteilt. So wird am Ende in freudiger Stimmung Doppelhochzeit gefeiert.

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Agnesina (Anna Maria Panzarella) und ihr Onkel Geminiano (Alberto Rinaldi, am Tisch) werden vom Prinzen zum Essen eingeladen (links: Ly-Lam (Juri Gorodezki), rechts: Si-Sin (Daniele Zanfardino)).

Die kurze Inhaltsangabe macht schon deutlich, dass das Libretto durchaus seine Tücken hat und bei einer modernen Umsetzung der Prinz Zon-Zon sehr leicht als Homosexueller interpretiert werden könnte. Diesen Ansatz wählt Stefano Mazzonis di Pralafera, wenn überhaupt, nur sehr unterschwellig. In erster Linie ist ihm daran gelegen, ein vergessenes Werk in möglichst authentischer Form wiederzuentdecken, und deshalb verzichtet er größtenteils auf irgendwelche Verfremdungseffekte oder platten Modernisierungen. So öffnet sich schon zu Beginn der Ouvertüre der Vorhang und gibt den Blick frei auf ein chinesisches Ambiente, wie ein europäischer Tourist sich diese ferne orientalische Welt wohl vorstellt. Auf der rechten und linken Seite stehen Säulen, an denen rote und grüne chinesische Drachenfiguren prangen. Dahinter sieht man auf beiden Seiten Wandschirme und in der Mitte ein überdimensionales Bild mit einem großen chinesischen Löwen, welches zu einer Leinwand oder einem Fenster aufgeklappt werden kann. Eine rote Statue des Gottes Kin Kin, die optisch eine Mischung aus Buddha und Shiva ist, wird hereingeschoben. Ihr Kopf ist abnehmbar, so dass ein Priester in die Statue schlüpfen und diese scheinbar zum Leben erwecken kann. Bühnenbildner Jean-Guy Lecat zeigt auch bei den weiteren Bühnenrequisiten große Detailverliebtheit und bedient mit den im dritten Akt aus dem Schnürboden herabhängenden roten Lampions die stereotype Vorstellung einer vergangenen chinesischen Welt. Kostümbildner Frédéric Pineau kann ebenfalls aus dem Vollen schöpfen. Die Chinesen zeichnet er in sehr aufwendigen langen Gewändern verspielt orientalisch - zu erwähnen sind hier die  Perücken der drei Heiratskandidatinnen Kam-Si, Xunchia und Zyda, sowie der überdimensionale Hutschmuck der beiden Minister und des Prinzen -, während er die Europäer vom Kopfputz bis zu den Schuhen mit sehr ausladenden Kostümen des ancien régime ausstattet, wobei man sich fragt, wie die schiffbrüchigen Europäer diese Roben eigentlich haben retten können, zumal sie ja zu Beginn doch ein wenig zerrupft in China ankommen.

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Das Orakel (Geminiano (Alberto Rinaldi) als Kin Kin) wird vom Prinzen Zon-Zon (Filippo Adami, Mitte) befragt, ob er Agnesina (Anna Maria Panzarella, Mitte) heiraten darf. Der Hof (Ensemble) schaut gebannt zu.

Dennoch strebt Mazzonis di Pralafera keine museale Aufführung an. Dazu hat Anusc Castiglioni die Handlung begleitende Schattenspiele entworfen, die Mitglieder des Teatro Gioco Vita hinter der Leinwand zum besten geben. Während die Minister noch über die mögliche Damenwahl des Prinzen spekulieren, sieht man im Hintergrund auf der Leinwand bereits das nahende Schiff der Europäer, welches die baldige Ankunft Agnesinas avisiert. Wenn Zon-Zon von seiner Abneigung gegen alles Weibliche spricht, fungiert die Leinwand als überdimensionaler Fernseher, in dem er sich lieber die körperlichen Ertüchtigungen männlicher Sportler ansieht. Dies ist übrigens die einzige Stelle, an der man eine homosexuelle Neigung des Prinzen annehmen könnte. Abgemildert wird dieser Eindruck aber gleich von mehreren ironischen Regieeinfällen: wie der Prinz auf oder neben seinem Bett die Posen der muskelbepackten Sportler imitiert, dann aber den Streit um die 'Fernbedienung' gegen Agnesina verliert und dann auch noch die Gewichte, die die Sportler nur hatten mit Mühe heben können, von einer Frau mit einer Hand aus dem Bild getragen werden, öffnet den Blick des Zuschauers eher auf einen noch seiner eigenen Sexualität unsicheren Charakter des Prinzen, der bisher Leitbilder im Machismo gesucht hat aber nicht übernehmen konnte. Als weiterer Gag wird die Statue des Gottes Kin Kin im zweiten Akt mit einer roten Lichterkette ausstaffiert, die eine Art Disco-Effekt erzeugt. Warum der Prinz im dritten Akt auf einem überdimensionalen Kamel mit weißer Wuschelmähne, welches auch noch mit den Augen zwinkern kann,  auftritt, wird nicht klar. Vielleicht hatte man es noch im Fundus und wollte es gerne einmal wieder in eine Inszenierung einbauen. Am Ende sitzt jedenfalls Agnesina auf dem Kamel und gibt ihm die Peitsche, um anzudeuten, dass sie nun die Herrschaft in der Ehe übernommen hat.

Bilder zum Vergößern

Agnesina (Anna Maria Panzarella) fordert von Zon-Zon (Filippo Adami) ewige Treue.

Seit das Théâtre Royal in Liège renoviert wird, finden die Aufführungen in der Regel in dem eigens dafür aufgebauten Palais Opéra am Boulevard de la Constitution statt. Auch wenn man im Foyer ein sehr theaternahes Ambiente erreicht hat und der Zuschauerraum ausreichenden Platz bietet, bleibt die Akustik ein Problem. Zum einen stört während der Aufführung eine Lüftung oder eine Heizung mit recht lautem Gebläse den musikalischen Genuss. Bisweilen ist auch an Pianostellen Straßenlärm von draußen zu hören. Juri Gorodezki und Daniele Zanfardino, die die beiden Minister darstellen, kommen mit ihren Stimmen kaum über den Orchestergraben, so dass ihre zahlreichen Arien und Duette beim Publikum relativ emotionslos und ohne Szenenapplaus verpuffen. Priscille Laplace, Liesbeth Devos und Federica Carnevale als die drei Heiratskandidatinnen Kam-Si, Xunchia und Zyda harmonieren sehr schön miteinander und erinnern ein wenig an die drei Damen der Königin der Nacht aus der Zauberflöte. Alberto Rinaldi hat schon oft in Liège sein komödiantisches Talent in den Buffo-Rollen zur Schau stellen können. Auch als Geminiano weiß er musikalisch und szenisch zu überzeugen. Filippo Adami, seit vielen Jahren Stammgast bei den Rossini-Festspielen in Bad Wildbad, bewältigt mit seinem kräftigen Tenor die Rolle des Prinzen Zon-Zon sehr gut. Lediglich in einer sehr anspruchsvollen Koloraturarie im letzten Akt zeigt sich seine Stimme noch ausbaufähig. Anna Maria Panzarella glänzt mit strahlendem Sopran in der Rolle der Agnesina. Darstellerisch präsentiert sie sie als eine Art Katharina aus Der Widerspenstigen Zähmung. Schmunzeln muss man schon, wenn sie das Gestell für den Reifrock anlegt und dabei darüber singt, dass sie doch ein bescheidenes, armes Mädchen sei.

Rinaldo Alessandrini hat das Orchester der Opéra Royal de Wallonie voll im Griff und zaubert aus dem Graben einen pointierten Klang, der teilweise an Mozart erinnert, aber auch schon Anklänge an Mayr und Rossini heraushören lässt. An einigen Stellen hätte man sich ein kleineres Orchester gewünscht, dass die Sänger, besonders die beiden Minister, weniger zudeckt. Vielleicht lag es aber auch einfach an der Halle. Auf jeden Fall wäre ein kleinerer Raum mit besserer Akustik für diese Oper vorteilhafter. Andererseits ist es aber wichtig, dass auch während der Renovierung in Liège weiter Musiktheater produziert wird. Da muss man schon einmal kleine Abstriche machen. Die Begeisterung des Publikums, das sich während der Aufführung recht zurückhaltend gab, war am Ende der Aufführung für alle Beteiligten jedenfalls nicht zu überhören. Was von dem Werk im Ohr bleibt, ist eine Melodie der Chinesen: "Kanakinkara Kinkinkara", eine Passage, die die Übertitel unübersetzt ließen. Im Sanskrit gibt es die Formulierung "Tanhara Kinkara", was soviel bedeutet wie "Wir sind seine Diener". Berücksichtigt man, dass die Gottheit des Stückes Kin Kin heißt, könnte man vielleicht zu einer Übersetzung kommen wie "Wir sind die Diener des Gottes Kin Kin". Aber das soll nur Spekulation sein.



FAZIT

Eine großartige Inszenierung in einer sehr üppigen Ausstattung und gut aufgelegten Darstellern. Ob das Werk den Aufwand rechtfertigt, bleibt fraglich.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rinaldo Alessandrini

Inszenierung
Stefano Mazzonis di Pralafera

Bühne
Jean-Guy Lecat

Kostüme
Frédéric Pineau

Licht
Franco Marri

Choreographie
Anusc Castiglioni

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

Schattenspiele des

Teatro Gioco Vita


Solisten

Agnesina
Anna Maria Panzarella

Kam-Si
Priscille Laplace

Xunchia
Liesbeth Devos

Zyda
Federica Carnevale

Zon-Zon
Filippo Adami

Geminiano
Alberto Rinaldi

Ly-Lam
Juri Gorodezki

Si-Sin
Daniele Zanfardino





Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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