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Musiktheater
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Lohengrin

Romantische Oper in drei Akten
Musik und Text von Richard Wagner

Aufführungsdauer: 5 Stunden (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Kassel am 7. Mai 2011

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Staatstheater Kassel
(Homepage)

Der Held, der keiner war

Von Bernd Stopka / Fotos N. Klinger

Lorenzo Fioroni ist am Staatstheater Kassel zum Wagner-Spezialisten ernannt worden. Nach seinen eigenwilligen, aber charismatischen Inszenierungen des Fliegenden Holländers und der Meistersinger von Nürnberg greift der Regisseur nun zum Lohengrin - und greift kräftig daneben.

Vergrößerung in neuem Fenster Heerrufer (Mark Morouse) König (Mario Klein), Telramund (Espen Fegran), Chor

Den ersten Akt hat Fioroni in die Zeit der französischen Revolution verlegt. Üppige Kostüme (Sabine Blickenstorfer) und ein wunderschönes Bühnenbild (Paul Zoller) schmeicheln dem Auge. Die Revolution klopft nicht nur lautstark an die Tür, sie dringt auch mit aller Macht in den Thronsaal. Bauern mit Heugabeln plündern und verwüsten, nehmen Adelige gefangen und werden erst durch die Erscheinung eines himmlischen Helden wieder beruhigt. Sie  unterwerfen sich mit Handküssen dann doch wieder ihrem König.

Das ist weder Zufall noch göttliche Fügung, sondern ein abgekartetes Spiel. Während des Vorspiels berichtet Elsa dem König von den anstehenden Problemen. Dieser engagiert einen Schauspieler, der als deus ex machina mit viel Brimborium und barockem Bühnenzauber samt Feuerwerk im Flugwerk aus dem Schnürboden herabschweben soll. Der Plan geht auf. Die Himmel öffnen sich, die Monarchie ist gerettet. Ach ja, da ist auch noch Elsa, die bei der ganzen Geschichte fast in den Hintergrund gerät. Um den Helden ist sie nicht zu beneiden: Lohengrin ist in seiner arroganten Selbstverliebtheit ein Ekelpaket – aber in seinem barocken Kostüm mit Pumphosen, Puffärmeln und Strahlenkranz zumindest ein güldenes. Das mittelalterliche Gottesgericht wirkt hier arg deplaziert, vielleicht wird deshalb zum a -capella-Quintett Menuett getanzt. Lohengrin kämpft nicht, sondern wehrt durch andere Mächte Telramunds Schläge ab.

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Telramund (Espen Fegran), Ortrud (Lona Culmer-Schellbach)

Telramund und Ortrud verbleiben am Schluss als vereinsamte Anführer der Revolution, die verzweifelt aber jetzt unbeachtet die Fahne der Freiheit schwenken. Wasser, Wolken und der Schwan auf dem Flugwerk werden mit den Mitteln der barocken Bühnentechnik dargestellt – sind aber im heutigen Comic- bzw. Computeranimations-Stil gezeichnet. Das Haupt-Szenenbild reicht nicht ganz bis an die Seiten des Proszeniums, so dass auch die Arbeit hinter der Bühne sichtbar wird. Kostümschneider, Maskenbildner, und Bühnentechniker werden von Lohengrin instruiert. Das verdeutlicht, dass kein Wunder geschieht, sondern eines vorgegaukelt wird. Die Bühnenarbeiter sind fast alle dunkelhäutig und tragen Sklavenkleidung. Das kann eine ironische Anspielung auf die Rollenverteilung eines Theaterbetriebes sein, führt uns aber vor allem in den zweiten Akt.


Vergrößerung in neuem FensterChor (Beginn 2. Akt)

Hier befinden wir uns in den amerikanischen Südstaaten, kurz vor dem Bürgerkrieg und der Sklavenbefreiung. Telramund wird von einem Aufseher (dem Heerrufer) vor den Augen der anderen Sklaven, die als Dienstmädchen und Butler kostümiert sind, ausgepeitscht und ist nicht verbannt, sondern zum Sklaven degradiert. Während des Duetts mit Ortrud müssen beide beim Vorbereiten eines Picknicks mitarbeiten. Elsa lässt sich sehr romantisch im Kreis des nun wie eine grüne Lichtung beleuchteten, die Bühne im halbrund begrenzenden Streifenvorhangs nieder. Einen kurzen Moment denkt man an die Bühnenbilder Neu-Bayreuths. „So zieht das Unheil in dies Haus!“ singt Telramund nicht für sich, sondern verstellt Elsa dabei den Rückweg ins Haus. Die ankommenden Gäste errichten ein Kreuz in der Mitte der Bühne, an das Elsa ihren Brautstrauß steckt (der dann später von Lohengrin wieder abgenommen und Elsa zurückgegeben wird. Duldet er keinen Gott neben sich?).

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Elsa (Edith Haller), Ortrud (Lona Culmer-Schellbach), Chor

Elsa veranlasst alle, vor der Ankunft Lohengrins die Hände zu falten. Während der Chor ihr huldigt, liebkost sie einen Säugling (in Hoffnung auf ihr eigenes zukünftiges Familienglück?). Ortrud kocht vor Wut und rebelliert. Daraufhin werden alle Sklaven gefangen genommen und auf den Bühnenhintergrund wird ein Film projiziert, der zeigt, wie zunächst ein Sklave, dann ein Aufseher zusammengeschlagen wird. Ein bisschen erinnert das an die Überwachungskamerabilder von U-Bahn-Überfällen. Zum schlechten Schluß des Aktes tragen die Sklaven zwei schwarze Särge über die Bühne nachdem Elsa und Lohengrin durchs Picknick wohin auch immer geschritten sind.


Vergrößerung in neuem FensterLohengrin (Marin Homrich), Elsa (Edith Haller)

Jahre später treffen sich Lohengrin, König Heinrich und Elsa (alle stark gealtert) zu einem Fototermin in einem Museum wieder. Vor Bildern von Rubens, Boucher und Tizian erinnern sich Lohengrin und Elsa an „damals“, als sie sich kennen lernten. Elsa stochert in der alten Wunde und versucht Lohengrin davon zu überzeugen, ihr nun doch freiwillig seinen Namen zu verraten. Dabei setzt sie auch erotische Verführungsmittel ein, doch in ihrem scheußlich muttchenhaften Kostüm bleibt dies ein zum Scheitern verurteilter Versuch. Natürlich fragt sie doch – auch wenn man sich wundert, dass sie so viele Jahre stillgehalten haben soll. Ein Angriff Telramunds findet nicht statt, aber der schwarze Tod schreitet durch die Szene.

 König (Mario Klein), Chor (2. Akt, 2, Bild)Vergrößerung in neuem Fenster

Inzwischen sitzt der König erblindet im Rollstuhl. Das Volk wartet in heutiger Alltagskleidung, aber mit Militärausstattung auf dem Schoß in Reih und Glied auf der Bühne. „Will dir so nah die Trennung geh’n?“  fragt der König einen Soldaten, nicht Elsa, denn die wird erst später mit Lohengrin zusammen im Ehebett hereingefahren. Vor drei Särgen trauern ein Mann und eine Frau – auch Verschwörer haben Eltern. Nachdem Lohengrin sich durch das Vorzeigen seines Reisepasses legitimiert hat, entschließt er sich zusammen mit Elsa in den Tod zu gehen, indem sie sich gemeinsam vergiften. Über allen drei Akten schwebt eine bühnenbreite, kreisförmige Himmelsscheibe, die nun zerbricht. Auch die vorangegangene Projektion der Menschenrechte kann nicht verhindern, dass Ortrud  - wie eine Hexe gealtert - als Gevatter Tod wie wild mit ihrer Sense wütet, bis sie erschöpft, aber zufrieden auf einen Stuhl sinkt. Der Chor ist inzwischen in den Zuschauerraum geflüchtet und singt ein letztes „Weh!“- und hat damit so Recht.

Vergrößerung in neuem FensterElsa (Edith Haller), Ortrud (Lona Culmer-Schellbach), Chor

In dem ganzen Wust von aneinander gereihten Ideen gibt es einige kurze Momente von großer Spannung und ausgefeilter Personenregie, die jedoch nur kurz trösten, aber nicht darüber hinweg helfen können, dass sich hier jemand in seinen eigenen Ideen verrannt hat, mit denen er dem Werk auch nicht ansatzweise gerecht wird. Es wäre müßig und lästig, all die Widersprüche aufzuzählen, die sich zwischen Text und Bühnengeschehen auftun. Am besten kommt man sicher zurecht, wenn man die ursprüngliche Handlung nicht kennt und den Text nicht versteht. Dann wird man vielleicht – aber auch nur vielleicht – ganz nett unterhalten. Hilfreich wäre es auch, die Musik nicht zu mögen, dann würde man sich nicht darüber ärgern, dass die schönsten und leisesten Stellen (z. B. das Vorspiel und der Brautchor) durch die Geräusche eingefügter Bühnenaktionen zerstört werden. Revolution und Krieg sind die Elemente, die die einzelnen Akte mühsam miteinander verbinden, die Gemälde des dritten Aktes verweisen auf den ersten. Das Bemühen der Menschenrechte im dritten Akt setzt dem ganzen „Gewolltsein“ eine peinliche Krone auf. Die Projektionen von pathetischen Weisheiten auf den Vorhang vor jedem Akt können den Abend auch nicht retten.
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 Telramund (Espen Fegran)

Den Sängern gelingt dies auch nur sehr bedingt. Martin Homrich gibt sein Debüt als Lohengrin und demonstriert mit einer sehr unausgewogenen Leistung, dass er für diese Rolle noch sehr viel Entwicklungspotenzial besitzt. Mario Klein verfügt über schönes Material, doch die Stimme ist zu klein für den König. Er klingt fast immer angestrengt und zu schwach. Lona Culmer-Schellbach gehört seit Jahrzehnten zum Ensemble und man hat ihr viele großartige Abende zu danken. In der vorletzten Lohengrin-Produktion stand sie als Elsa auf der Bühne, hat aber schon vor vielen Jahren die Sopranpartien verlassen und sich dem Mezzo-Fach gewidmet. Zwischenzeitlich hat sie eine Stimmkrise glücklich bewältigt, stößt jetzt aber immer stärker auf stimmliche Grenzen, die sie auch mit ihrer immer noch enormen Bühnenpräsenz nicht kaschieren kann. Die Partie der Ortrud liegt nunmehr jenseits ihrer Möglichkeiten. Einen soliden Heerrufer lässt Mark Morouse hören. Edith Haller überzeugt mit intensiver szenischer Gestaltung als Elsa und lässt dabei wunderschöne, zumeist kristallklare Töne hören. Ihr Sopran klingt dabei allerdings eher unbeweglich, wie zu fest aneinander gereihte Perlen, die auch schon mal scharfe Kanten haben können. Den besten Eindruck hinterlässt Espen Fegran, der als Telramund mit seinem kernigen Bariton eine ideale Verbindung von kultivierter Stimmkraft und eindrucksvoller Bühnenpräsenz demonstriert. Ein besonderes Lob gebührt Marco Zeiser Celesti, der den Chor für eine grandiose Leistung vorbereitet hat. GMD Patrik Ringborg hat keine Scheu vor bombastischen Klängen und klanglichen Effekten durch Platzierung von Blechbläsern im Zuschauerraum, kann aber auch mit den sanften Klängen des zweiten Aktes berühren und bewegen. Das Staatsorchester folgt ihm willig und engagiert. Kleinere Patzerchen und Ungenauigkeiten fallen da kaum ins Gewicht.


FAZIT

Wieder einmal hat ein Regisseur eine Idee über ein Werk gestülpt. Wer so etwas mag, möge sich sein eigenes Urteil bilden. Ich finde es scheußlich. Sängerisch gibt es mehr Schatten als Licht – aber einen grandios singenden Chor.



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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Patrik Ringborg

Inszenierung
Lorenzo Fioroni

Bühnenbild
Paul Zoller

Kostüme
Sabine Blickenstorfer

Chor
Marco Zeiser Celesti
Merle Clasen

Dramaturgie
Dorothee Hannappel


Staatsorchester Kassel

Opernchor, Extrachor
und Kinderchor des
Staatstheaters Kassel

Statisterie des
Staatstheaters Kassel


Solisten

Heinrich der Vogler,
deutscher König
Mario Klein

Lohengrin
Martin Homrich

Elsa von Brabant
Edith Haller

Friedrich von Telramund
Espen Fegran

Ortrud, seine Gemahlin
Lona Culmer-Schellbach

Der Heerrufer des Königs
Mark Morouse

Vier brabantische Edle
Manfred Bettenhäuser,
Seong Ho Kim
Ji Hyung Lee
Bernhard Modes
Andrzej Tymczuk

Vier Edelknaben
Mitglieder des
Kinderchores CANTAMUS



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Kassel
(Homepage)




Da capo al Fine

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