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Und wenn das Theater plötzlich nicht mehr spielt?
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte Vor etwas mehr als zwei Jahren standen die Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld Mönchengladbach kurz vor dem Aus. Die wegen Tariferhöhungen unvermeidliche Anhebung des Etats wurde im Mönchengladbacher Stadtrat zur Koalitionsfrage aufgeschaukelt, bei der die kleine, aber sparprofilierungsentschlosse FDP beinahe das Ende des Theaters besiegelt hätte (siehe unsere Rezension von Swinging St. Pauli. Das Schlimmste konnte letztendlich irgendwie noch einmal abgewendet werden, und so spielt man glücklicherweise auch heute noch, zum Beispiel Donizettis hübsche Farce Viva la Mamma!, die (nach der Premiere in der vorigen Spielzeit) jetzt in Krefeld wiederaufgenommen wurde. Belcantokunst im Dienste des Textbuches? Der Tenor und der Librettist
Es geht um das Theater höchstselbst, dessen chaotischen Zustand Donizetti und sein Librettist Domenico Gilardoni auf die Schippe nehmen. Eine eitle Primadonna, ein überempfindlicher Tenor, ein alberner Stoff (Romulus und Ersilia, altrömisch), die schematischen musikalischen Konventionen der tragischen Oper und nicht zuletzt chronischer Geldmangel was da auf der Bühne passiert, dürfte so weit nicht entfernt sein von den Gegebenheiten im Italien des Uraufführungsjahrs 1827. Manches davon ist wohl auch heute noch aktuell, so die Spitzen gegen die Eitelkeiten der Sänger (wobei gerade in Krefeld und Mönchengladbach seit Jahren eine beeindruckende Ensemblekultur besteht, die zumindest nach außen hin das Miteinander über jeden Starkult stellt). Gänzlich gewandelt hat sich die Rolle von Komponist und Librettist: War zu Donizettis Zeiten noch das neue Stück (an dem bis zuletzt gefeilt und geändert wurde) selbst das Ereignis, so steht heute die Pflege des historischen Repertoires im Zentrum, und Uraufführungen werden vom Abonnementspublikum eher zwiespältig beäugt. Was tut's, für einen unterhaltsamen Theaterabend mit wirklich schöner Musik reicht Viva la Mamma! allemal, und der inzwischen als Intendant ans Schauspiel Essen berufene Christian Tombeil hat das seinerzeit zwar nicht brillant, aber doch recht solide in Szene gesetzt. Affären auf dem Theater: Der Impresario und Mamma Agatha
Das Geschehen ist vorsichtig in die Gegenwart übertragen, der Text vorsichtig den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Christoph Erpenbeck als agiler und stimmlich präsenter Impresario gibt durchaus hintergründig den modernen Intendanten mehr als Geschäftsmann denn als Künstler, Matthias Wippich als Librettist (im biederen Anzug) und Thomas Peter als Komponist (mit Künstlerschal á la Möchtegern-Verdi) tarieren ihre Rollen gut aus zwischen Komik und Realität. Die Marotten der Sänger zeichnet Tombeil eher nüchtern, was einen Teil der abstrusen Komik verschenkt, aber es war Tombeil offenbar daran gelegen, das Stück nicht (nur) als Farce zu geben. Isabelle Razawi hat als Primadonna im Grunde keine echte Primadonnenstimme (dazu ist die Stimme zu leicht), bewältigt die Partie aber mit Verve und schönen Spitzentönen. Susanne Seefing als 2. Sopranistin und Lilia Tripodi als Mezzo sind durch und durch solide, Tobias Scharfenberger als Gatte der Primadonna dürfte stimmlich etwas präsenter sein. Grandios ist Tenor Kairschan Scholdybajew mit glanzvollen Höhen. Bassist Hayk Déinyan spielt die Titelpartie, die groteske Mamma Agatha (die Mutter der 2. Sopranistin, die mit ihrem Schmuck das Theater vor dem finanziellen Kollaps retten soll) mit dem rechten komödiantischen Maß, ohne die Partie in Klamauk ausufern zu lassen. Allerdings hat der Armenier in den flotten Parlando-Passagen Mühen mit dem deutschen Text, was sich auch auf die stimmliche Präsenz niederschlägt. Den spielfreudigen und klangschön singenden Herrenchor hat Kostümbildnerin Gabriele Wasmuth in quitschbunte Kostüme gesteckt, die mehr an Oskar Schlemmers Triadisches Ballett erinnern als an die zu probende altrömische Tragödie Romulus und Ersilia. Große Oper: Altrömisches Drama mit Chor, dazwischen der Komponist
Und dann geht es natürlich um's Geld. Als wäre es Haydns Abschiedssymphonie, verlassen die Musiker der sehr ordentlichen, in den Prestissimo-Passagen etwas ungenauen Niederrheinischen Symphoniker (der umsichtige Dirigent Kenneth Duryea leitet mit viel Sinn für Donizettis Klangfarben) den Orchestergraben nachdem auf der Bühne festgestellt wurde, ohne Geld gebe es kein Theater und das Bühnenpersonal in alle Richtungen entschwunden ist. Kein Schlussakkord. Ein musikalisch unbefriedigendes Ende, sicher, aber genau darum geht es auch. Der herzliche und lang anhaltende Schlussapplaus zeigt, dass das Krefelder Publikum da offensichtlich hinter seinem Theater steht.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Corilla Sartinecchi, Primadonna
Stefano, ihr Gatte
Luigia Boschi, 2. Sängerin
Mamma Agatha, ihre Mutter
Dorotea Caccini, Mezzosopranistin
Antolstoinoloff, Tenor
Biscroma, Komponist
Prospero, Librettist
Der Impresario
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