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Ottone, Re di Germania

Oper in drei Akten (HWV 15)
Libretto von Nicola Francesco Haym nach Stefano Benedetto Pallavicini
Fassung der Uraufführung 1723
M
usik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere in der Oper Halle am 3. Juni 2011
(im Rahmen der Händel-Festspiele vom 02.06. - 12.06.2011 in Halle (Saale)) 

 

 



Opernhaus Halle
(Homepage)

Deutscher Kaiser zwischen starken Frauen

Von Thomas Molke / Fotos von Gert Kiermeyer

Händels Ottone kann sicherlich als die "deutscheste" Barockoper des Wahl-Londoners bezeichnet werden, die mit ihren realen historischen Figuren der frühen deutschen Geschichte ganz ohne den üblichen Apparat der barocken Zauberoper auskommt. Händel selbst stieß auf das Sujet der Ottonenkaiser 1719 in Dresden, als er auf der Suche nach Sängern für seine Royal Academy of Music einer Aufführung von Antonio Lottis Teofane beiwohnte, die August der Starke anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohnes Friedrich August von Sachsen mit der Erzherzogin Maria Josepha von Österreich in Auftrag gegeben hatte. Da Händels Dienstherr, der Welfenkönig Georg I., sich genauso als Nachfahre Ottos I. verstand wie der damalige sächsische Hof, verließ Händel Dresden also nicht nur mit den angeworbenen Sängern, sondern auch mit dem Libretto zu Lottis Teofane im Gepäck, das er in London von Nicola Francesco Haym umarbeiten ließ. Mit seiner Bearbeitung des Stoffes gelang ihm in London ein riesiger Erfolg, so dass sich die Oper zu Händels Lebzeiten zu einer seiner meistgespielten Werke entwickelte.

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Adelberto (Alon Harari) umwirbt Teofane (Ines Lex, Mitte). Mama Gismonda (Romelia Lichtenstein, hinten links) beobachtet ihren Sohn.

Thema der Oper ist die geplante Hochzeit des deutschen Kaisers Otto II. (Ottone) mit der byzantinischen Prinzessin Teophanu (Teofane), die von Intrigen überschattet wird. So will Gismonda, die Witwe des von Otto besiegten lombardischen Königs Berengar, ihren Sohn Adelberto mit Teofane verheiraten, um Ottone Braut und Reich zu entreißen. Dazu gibt sich Adelberto als Ottone aus. Der Schwindel fliegt allerdings auf, als Ottone siegreich aus der Schlacht mit dem Piraten Emireno auftaucht. Ottone besiegt Adelberto und lässt diesen mit Emireno abführen. Ottones Cousine Matilda jedoch, die Adelberto liebt, verhilft den beiden zur Flucht, bei der Adelberto auch noch Teofane entführt. Doch Emireno entpuppt sich als Teofanes verschollener Bruder Basilio, der Adelberto gemeinsam mit seiner Schwester Ottone ausliefert. Da der geplanten Hochzeit nun nichts mehr im Wege steht, wird auch Adelberto Gnade zuteil und er darf Matilda heiraten, während Gismonda ihrer Rache abschwört.

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Adelberto (Alon Harari) nimmt auf dem Weg in den Kerker tränenreichen Abschied von Matilda (Ulrike Schneider, Mitte rechts). Mama Gismonda (Romelia Lichtenstein, links) beobachtet die Szene genervt.

Das Regieteam um Franziska Severin verzichtet größtenteils auf Modernisierungen und Verfremdungen und erzählt die Geschichte sehr nah am Libretto, was für den mangelnden Bekanntheitsgrad der Oper von großem Nutzen ist. Stattdessen konzentriert sich Severin auf eine sehr ausgeklügelte Personenregie, die die Figuren ihren historischen Vorbildern nahe bringt. So war Teofane, als sie 972 nach Rom kam, um Otto II. zu heiraten, noch ein Kind im Alter von 12 Jahren, das durch die äußeren Umstände, Mitregentin mit 13 Jahren und Alleinherrscherin nach Ottos Tod mit 23 Jahren, sehr schnell erwachsen werden musste. Severin lässt Teofane zunächst mit einem Plüschlöwen als ständigem Begleiter auftreten, den sie aber ablegt, nachdem Gismondas Intrige aufgeflogen ist und sie den wahren Ottone getroffen hat. Im Verlauf des Stückes gewinnt sie immer mehr an Selbstbewusstsein, bis sie zum lieto fine sogar die Regie übernimmt und den anderen Protagonisten den zu singenden Text auf Zetteln vorgibt. Erst an dieser Stelle baut Severin eine gewisse Verfremdung auf, wenn sie Teofane die anderen Figuren mit Pappkronen ausstatten und harmonisch um den Thron gruppieren lässt. Da zeigen die anderen Figuren ein wenig Irritation über den unerwarteten Wandel zu einem nicht ganz motivierten Happy End.

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Gismonda (Romelia Lichtenstein) triumphiert über Ottone (Matthias Rexroth), findet ihn dabei aber gar nicht so unattraktiv.

Gismonda, die eigentliche Drahtzieherin der Intrige wird als starke italienische Mama gezeichnet, die ihren Sohn Adelberto fest im Griff hat. Auch wenn dieser es als Latin Lover mit seinem Charme versteht, seine für Teofane verschmähte Geliebte Matilda immer wieder um den Finger zu wickeln, macht er doch immer genau das, was Mama sagt. Kein Wunder, schließlich bereitet sie ihm liebevoll das Frühstück mit frisch gepresstem Orangensaft und Espresso zu, legt ihm seine Anziehsachen zurecht und packt auch seinen Koffer, wenn er in den Kerker muss. Romelia Lichtenstein gibt diese italienische stereotype Übermama mit einer herzerfrischenden Komik. Oft reichen allein ihre Blicke aus, um Respekt vor dieser starken Frau einzuflößen. Dass sie nach der geglückten Flucht ihres Sohnes in ihrer Arie "Trema, tiranno", in der sie über Ottone triumphiert, zu diesem eine gewisse sexuelle Anziehung verspürt, ist zwar nicht explizit im Libretto vorgegeben, wird aber insofern nachvollziehbar, da Ottone sie in diesem Moment an ihren schwachen Sohn Adelberto erinnern mag.

Ottone, die Titelfigur der Oper, ist historisch eigentlich eine Mischung aus dem erfolgreichen deutschen Kaiser Otto I. und seinem weniger ruhmreichen Sohn Otto II., und so legt Severin diese Figur recht zwiespältig an. Nach seinem Sieg über Emireno und Adelberto wirkt Ottone eher wie der ruhmreiche Vater, was sich musikalisch auch in seinen recht heroischen Arien manifestiert, während er nach dem Verlust Teofanes sehr schwach und weinerlich präsentiert wird und so eher an den Sohn erinnert. Dass diese Partie für den Starkastraten Senesino komponiert worden war, lässt Severin anklingen, wenn sie Ottone bei seiner Arie "Deh, non dir" in einem Wolkenthron über die Bühne fliegen und sich im Anschluss selbstverliebt beim Orchester bedanken lässt. Matthias Rexroth beherrscht in der Titelrolle sowohl diese Starallüren, als auch den leidenden, ängstlichen Ton.

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Teofane (Ines Lex) erkennt in dem Piraten Emireno (Ki-Hyun Park, Mitte) ihren verschollenen Bruder Basilio. Adelberto (Alon Harari, rechts) wandelt währenddessen noch auf Freiersfüßen.

Auch die Kostüme von Sabine von Oettingen tragen Severins Regiekonzept Rechnung. So wird Adelberto stereotyp in dunklem Lila, mit schwarzen langen Haaren und obligatorischer Sonnenbrille präsentiert. Mama Gismonda trägt unter einem mondänen schwarzen Umhang die gleiche kräftige Farbe wie ihr Sohn und hat die Haare streng nach hinten gebunden, wie es sich für eine echte italienische Mama gehört. Ottone tritt zunächst als siegreicher deutscher Held mit blondem Haar in einer Ritterrüstung auf. Erst wenn er sich mit weißem Unterhemd und Schlafanzughose in seine Wolldecke hüllt, nachdem ihm Teofane geraubt worden ist, wird seine Schwäche sichtbar. Besonders gelungen ist die Farbabstimmung bei Teofane und Emireno. So weisen Emirenos Hose und sein Stirnband die gleichen orange grünen Streifen auf, die sich auch auf Teofanes aufwändigem Ballonkleid finden lassen, um bereits in den Kostümen anzudeuten, dass es sich bei den beiden um Geschwister handelt. Das Bühnenbild von Helmut Brade ermöglicht durch den Einsatz der Drehbühne zahlreiche schnelle Szenenwechsel. Warum aber zu Beginn die Bühne mehrmals gedreht wird, obwohl kein Szenenwechsel stattfindet, bleibt unverständlich.

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Happy End mit Pappkrone: (von links: Gismonda (Romelia Lichtenstein), Emireno (Ki-Hyun Park), Ottone (Matthias Rexroth), davor Teofane (Ines Lex), Matilda (Ulrike Schneider) und Adelberto (Alon Harari)).

Gesungen und musiziert wird auf recht hohem Niveau. Marcus Creed führt das Händelfestspielorchester nach anfänglichen kleinen Ungenauigkeiten bei den Tempi der Ouvertüre zu einem sehr homogenen Klangkörper zusammen, der Händels affektgeladene Musik in allen Nuancen sauber ausleuchtet. Ki-Hyun Park gefällt mit sehr kräftigem Bass als scheinbarer Pirat Emireno, der sich später als Teofanes verschollener Bruder entpuppt. So zupackend wie sein Gesang ist, ist auch seine Darstellung. Ulrike Schneider gibt die kämpferische Matilda mit sehr tiefem Mezzo, die durch häufiges Nachziehen der Lippen mit rotem Lippenstift versucht, der Attraktivität der wesentlich jüngeren Teofane näher zu kommen. Kein Wunder, dass sie für Adelberto (Alon Harari mit überzeugendem Countertenor) nur zweite Wahl ist. Ines Lex überzeugt mit glockenklarem Sopran sängerisch und darstellerisch in der Rolle der jugendlichen Teofane. In ihrer Eifersuchtsarie "S'io dir potessi" zeigt sie neben herrlich perlenden Koloraturen auch großes komödiantisches Talent.

Die beiden anspruchvollsten Partien fallen Romelia Lichtenstein als Gismonda und Matthias Rexroth in der Titelpartie zu. Rexroth verfügt in seinem Countertenor über eine unglaubliche Stimmbreite, die die Koloraturen sowohl in der Höhe, als auch in den tieferen Passagen beherrscht. Bei seinem Stimmumfang bekommt man eine leise Ahnung, wie ein Kastrat in der damaligen Zeit geklungen haben mag. Auch darstellerisch vermag er es, die unterschiedlichen Facetten zwischen ruhmreichem Eroberer und ängstlich Liebendem herauszuarbeiten. Romelia Lichtenstein gestaltet die sehr tief angelegte Partie der Gismonda mit einem fast in den Mezzobereich hineinragenden voluminösen Sopran, der auch in den Tiefen noch über Dramatik und Ausdruck verfügt. Hinzu kommt ihre grandiose Bühnenpräsenz, die dem doch recht ernsten Libretto häufig komische Momente entlockt. So gibt es am Ende großen und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Eine musikalisch lohnenswerte Wiederentdeckung einer der zahlreichen Werke des Hallenser Meisters, besonders da die Regie so ausgeklügelt ist und auf jedwede unnötigen Mätzchen verzichtet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Creed

Inszenierung
Franziska Severin

Bühne
Helmut Brade

Kostüme
Sabine von Oettingen

Dramaturgie
Christian Geltinger

 

Statisterie der Oper Halle
 

Händelfestspielorchester
Halle



Solisten

*Besetzung der Premiere

Ottone (Otto II.)
Matthias Rexroth

Teofane
Ines Lex

Emireno
Ki-Hyun Park

Gismonda
Romelia Lichtenstein

Adelberto
Alon Harari

Matilda
Sandra Maxheimer /
*Ulrike Schneider

 


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