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Bunte SchwäneVon Joachim Lange / Fotos von Gert Kiermeyer
Doppelabende beim Ballett sind beliebt. Beim Halleschen Choreografen Ralf Rossa haben sie gegenüber seinen großen Stücken den Vorteil, dass er dabei eher beim Tanz bleibt und seltener vom Wege abkommt, um sich in einer Art von verhindertem Sprechblasen-Theater zu verheddern. Wenn er jetzt für seinen jüngsten Ballettabend Bernarda Albas Haus nach Federico Garcia Lorca und Die Vier Jahreszeiten nach Antonio Vivaldis berühmtestem Barockhit zusammenspannt, dann klingt das obendrein nach didaktischem Hintersinn, bei dem auf den ernsten, beklemmenden Fall einer Studie über verdrängte Sexualität im katholisch patriarchalischen Spanien ein von selbst losbrechendes und in Bewegung fließendes Fest des puren Tanzes folgt. Bernarda Albas Haus
Was den ersten Teil des Abends betrifft, stimmt die Erwartung sogar. Wie sehr Lorcas kurz vor seiner Ermordung durch die Faschisten 1936 fertiggestellte Tragödie nach einer musikalischen Dimension drängt, hatte im Jahre 2000 der Komponist Aribert Reimann mit seiner expressiven Opernversion unter Beweis gestellt. Rossa hat sich jetzt für (leider nur vom Band eingespielte) Musik des zeitgenössischen lettischen Komponisten Peteris Vasks entschieden. Und die liefert einen maßgeschneiderten Rahmen für die ästhetisch in sich schlüssige, zwischen dramatischer Zuspitzung in der Rebellion der Töchter gegen die Macht der Mutter und der Illustration einer Atmosphäre des Gefangenschaft wechselnden Erzählung. Bevor die Musik einsetzt, klopfen, schlagen und scharren die Frauen selbst einen Rhythmus der Tyrannei und Sehnsucht vor. Geht es doch das um Weg- und Abgeschlossensein vom wirklichen Leben, von der Liebe, den Männern und um das tragische Ende des Ausbruchs der jüngsten Tochter, die schwanger wird und sich das Leben nimmt. Bernarda Albas Haus
Erst als deren Tod beweint wird, bricht in allen Schwestern endgültig etwas auf. Als eine traumhaft utopische Sehnsucht, bei der die jungen Frauen in ihren langen schwarzen Kleidern mit ihren Traummännern tanzen. Was vorher nur durch die Ritzen der Wände aus lauter stilisierten weißen Mauersteinen andeutungsweise zu sehen war, und Erwartungen hochpeitschte, bricht jetzt ein: Im lustvoll getanzten Ausbruch bekommt jede ihren eigenen Apoll Im zweiten Teil dann folgt aber keine dahin-ba-rockte Bilderrevue (zu einer Vivaldi-Einspielung des flippigen Nigel Kennedy), sondern eine klug gebaute und mit leichter Hand zwischen den Ebenen wechselnde Hommage an den Beruf des Tänzers und an den Tanz. In souverän die Individualität der Tänzer zulassenden Videoeinspielungen äußern sich 20 Mitglieder der Company locker, den musikalischen Jahreszeiten bei Vivaldi zugeordnet, über ihren Beruf. Von den Erwartungen an den Traumberuf (Frühling) über die ersten Engagements und das was sie antreibt (Sommer), über ihre großen Herausforderungen und Rollen (Herbst) bis hin zu dem, was für jeden nach dem ja absehbaren Ende der Tänzerkarriere folgt. Diese zusammengeschnittenen Interviewantworten nehmen schnell für sich ein, wirken authentisch, stimmen, gerade wenn man die Gefährdungen der Sparte Ballett im Allgemeinen vor Augen hat, auch in den individuellen Aussagen nachdenklich. Sie sind aber ohne Wehleidigkeit und haben oft sogar Witz. Die vier Jahreszeiten
Was dann in die von Matthias Hönig perfekt ausgeleuchtete, wechselnde Atmosphäre einbricht, ist eine Mischung aus purer Lust an der Bewegung. Hier proben mehrere Paare einzeln und als Ensemble, ziehen alle klassischen Register des Tanzes, folgen dabei dicht der Musik, setzen auf Harmonie und Tempo und füllen als Corps des Ballet den Raum. Die pfiffige selbstreferenzielle Grundidee seiner Jahreszeiten setzt Rossa auch in kleinen Geschichten zwischen den Tänzern und über das Erarbeiten einer Choreographie um. Wo dann auch Hildegard Knefs melancholisches Für mich soll's rote Rosen regnen immer mal eine besinnliche Atempause in Vivaldis Furor liefert.
Selbst wenn in Sachen Synchronität noch Spielraum bleibt, ist es ein gelungener Doppelabend. Was man dabei von den Tänzern selbst erfährt hat zwar nicht gleich die düster tragische black swan Dimension der jüngsten cineastischen Ballett-Annäherung. Es stärkt aber die Identifikation des Publikums mit seinem Ballett und ruft obendrein in Erinnerung, wie sensibel und gefährdet diese Kunstform ist. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamChoreografie und InszenierungRalf Rossa
Bühne und Kostüme
Videoprojektionen
Kamera
Dramaturgie
Solisten
Bernarda Alba
Die Töchter von Bernarda Alba
Angustias
Magdalena
Amnelia
Martirio
Adela
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- Fine -