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Così fan tutte

(So machen's alle)

Opera buffa Oper in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

 

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 16. Oktober 2010


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Im Rausch der Sinne

Von Thomas Molke / Fotos von Foto Kühle (Rechte Theater Hagen)

Als einen erotischen Psychokrimi mit göttlicher Musik betrachtet das Regie-Team um Thomas Weber-Schallauer Mozarts letzte Da Ponte-Oper, der bei der Uraufführung 1790 kein allzu großer Erfolg beschieden war, was wahrscheinlich an dem für die damalige Zeit recht anrüchigen Thema lag. Damals war man über die Amoralität des Partnertausches entsetzt. Doch auch wenn man heute zur Zeit von Patchworkfamilien und Homo-Ehen wesentlich mehr Toleranz zu besitzen scheint, hat das Thema Treue immer noch einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert, so dass man der emotionalen Tiefe des Stückes, würde man es als putziges Amüsement in Rokoko-Kostümen spielen, nicht gerecht würde. So verspricht das Regie-Team eine behutsame Aktualisierung, die die Aussage der Oper ernst nehme. Und dass man die Oper ohne Einschnitte in den grandiosen Arien und Ensembles auf unter drei Stunden bringen wolle. Letzteres ist in Hagen nicht ganz gelungen; man hatte wohl nicht mit so lang anhaltendem einhelligem Jubel des Publikums am Ende der Aufführung gerechnet.

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Dorabella (Kristine Larissa Funkhauser, links) und Fiordiligi (Stefania Dovhan, rechts) besingen ihre Treue zu ihren Liebhabern.

Als Bühnenbild gibt das Programmheft eine luxuriöse Zweitvilla am Meer an. Bühnenbildnerin Sandra Linde schwebte ein isoliertes avantgardistisches Gebäude wie die Villa Malaparte in Capri vor. Luxuriös und avantgardistisch wirkt der achteckig angelegte Einheitsraum mit seinen aus hellem Buchenholz vertäfelten Wänden und den schräg nach oben zulaufenden Milchglasfenstern. Außerhalb dieses Raumes sieht man aber nichts. Man ist also wirklich isoliert. Auf der Bühne stehen mehrere quaderförmige Couchelemente aus hellem Leder, die zu drei großen Liegen zusammengeschoben sind. Auf der anderen Seite führt eine geschwungene Holztreppe auf eine weitere Etage, unter der sich bei Drehung der Bühne eine Terrasse befindet, die mit zwei Rettungsringen und weiteren Utensilien andeutet, dass wir uns wirklich am Meer befinden. Im Hintergrund steht eine Bar, auf der sich unzählige Flaschen mit hochprozentigem Alkohol befinden, der im weiteren Fortgang der Geschichte eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen soll. Ein großer Flachbildschirm neben der Bar zaubert bisweilen mit einem lodernden Kaminfeuer wohlige Atmosphäre. Auch die wechselnden Kostüme von Sandra Linde zeigen deutlich auf, dass die Schwestern Fiordiligi und Dorabella aus sehr wohlhabendem Haus stammen und die Modeempfehlungen der Vogue intensiv verfolgen. In diesem sehr stimmigen Ambiente kann die Handlung ihren Lauf nehmen.

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Dorabella (Kristine Larissa Funkhauser, links) und Fiordiligi (Stefania Dovhan, rechts) nehmen von ihren Liebhabern Ferrando (Jeffery Krueger, links) und Guglielmo (Raymond Ayers, rechts) Abschied (Mitte: Don Alfonso (Orlando Mason)).

Thomas Weber-Schallauer entschließt sich, die Ouvertüre direkt mitzuinszenieren: Fiordiligi (Stefania Dovhan) liebkost ihren  Verlobten Guglielmo (Raymond Ayers) auf dem Sofa, während Dorabella (Kristine Larissa Funkhauser) mit ihrem Ferrando (Jeffery Krueger) eng umschlungen tanzt. Don Alfonso (Orlando Mason) beobachtet mit Despina (Marilyn Bennett) hinter der Bar das Geschehen. Dann wechseln Guglielmo und Ferrando die Rollen. Guglielmo tanzt mit Dorabella, während sich Ferrando von Fiordiligi den Nacken massieren lässt. Damit nimmt Herr Weber-Schallauer den anstehenden Partnertausch schon vorweg, wobei die Figuren so angelegt sind, dass sie, zumindest unter dem Einfluss von Alkohol, mit diesem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel keine Probleme haben. Beim anschließenden Männerterzett "La mia Dorabella", in dem Ferrando und Guglielmo aus Vertrauen auf die Treue ihrer Bräute die Wette mit Don Alfonso eingehen, fließt weiterhin sehr viel Hochprozentiges, womit zum Ausdruck kommt, dass man solch eine Geschmacklosigkeit wohl wirklich nur unter Benebelung der Sinne beschließen kann. Wenn nach dieser Szene Fiordiligi und Dorabella auf der Terrasse ihren Liebhabern in dem Duett "Ah, guarda, sorella" ewige Treue schwören, hat Sandra Linde statt der im Libretto genannten  Miniaturporträts der Liebhaber deren Konterfeis überdimensional auf die Vorder- und Rückseite der getragenen Kleider gedruckt, ein sehr gelungener Einfall. Der Chor, der die Liebhaber zum vermeintlichen Militäreinsatz ruft, ist mit seinem Loblied auf das Militärleben "Bella vita militar" nur über Lautsprecher zu hören. Dafür sieht man auf dem Flachbildschirm zunächst den ehemaligen US-Präsidenten Bush und dann marschierende Soldaten aller Nationen, um die Allgegenwärtigkeit des Krieges zu zeigen. Als amerikanische GIs ziehen Ferrando und Guglielmo dann auch ab, um im Nahost-Outfit mit falschen Bärten und Palästinensertüchern wieder aufzutauchen. Wenn es dann hinterher zur Hochzeit mit den beiden Fremden kommt, tragen die Schwestern die Mäntel ihrer ehemaligen Verlobten und wirken bei der Hochzeitszeremonie etwas apathisch, als ob sie das Gefühl haben, das etwas nicht stimme. Auch rutschen die Paare ständig auf dem gestreuten Reis aus, was vielleicht die mangelnde Standfestigkeit dieser Beziehungen unterstreicht. Für anfängliche Verwirrung sorgt die Kostümierung des Chores, da als Hochzeitsgäste Schotten, Cowboys, eine Nonne, Hippies, ein Ölmagnat, Tennisspieler, eine Krankenschwester und sogar Herrschaften im Schlafanzug auftauchen. Erst beim zweiten Hinsehen stellt man fest, dass es sich bei diesen skurrilen Gästen auch jeweils um Pärchen handelt. Diese Pärchen sind aber eindeutig zugeteilt und nicht austauschbar: der Hippie gehört zum Hippie, der Cowboy zum Cowgirl usw. Das steht im ironischen Kontrast zu den Figuren des Stückes, bei denen die Partner ja austauschbar sind. Somit vertraut Herr Weber-Schallauer am Ende nach der Auflösung der Maskerade auch nicht darauf, die Figuren in den alten Paarungen wieder zusammenzuführen, sondern lässt sie mit Despina und Don Alfonso orientierungslos umeinander herlaufen, ständig auf der Suche nach dem richtigen Partner, aber nicht wissend, wer es sein kann. Wieso Don Alfonso und Despina in dieses Gewirr am Ende mit einbezogen werden, bleibt diskutabel, zumal man bei beiden den Eindruck hat, dass sie sowieso nicht mehr an die Liebe glauben, demnach auch nicht mehr auf der Suche sind. Vielleicht möchte Herr Weber-Schallauer auch diese Annahme als Täuschung entlarven. Bei Despina findet man Ansätze dieser Interpretation während des Stückes, bei Don Alfonso ist es Ansichtssache.

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Despina (Marilyn Bennett) offenbart ihre Einstellung zur Liebe.

Così fan tutte hat als so genannte Ensemble-Oper keine Nebenrollen. Jede Partie hat ungefähr gleich viele und gleich anspruchsvolle Arien, so dass man ein stimmlich gutes und spielfreudiges Ensemble benötigt, um diese Oper erfolgreich zu inszenieren. Das Theater Hagen kann nahezu mit einer Idealbesetzung aufwarten. Dabei überrascht zunächst die Besetzung der Despina mit der Mezzosopranistin Marilyn Bennett. Während Despina häufig als kokettes junges Mädchen gespielt wird, gibt Frau Bennett diese Haushälterin wesentlich abgeklärter und zynischer. Man glaubt ihr, dass sie vom Leben und besonders von den Männern häufig enttäuscht worden ist. Ihr kann man nichts mehr vormachen. Das macht sie in ihrer ersten Arie "In uomini, in soldati" deutlich, wenn sie konstatiert, dass es bei den Männern keine Treue gibt. Somit ist sie nicht leichtfertig, sondern lässt sich einzig und allein vom Geld bewegen, Don Alfonso in seinem Vorhaben zu unterstützen, wobei er sie aber auch ein bisschen härter anfassen muss, um ihrer Loyalität sicher zu sein. Wenn die Schwestern von ihrem Liebesleid singen, sprechen Frau Bennetts höhnische Blicke Bände, und wenn die Liebhaber in ihrer Verkleidung auftauchen, kann sie sich vor Lachen kaum halten. Als vermeintlicher Arzt kommt sie in silbernem Robotor-Outfit auf die Bühne und vermag es, auf sehr komödiantische Art und Weise die angeblich vergifteten jungen Männer mit heilenden Steinen wieder zum Leben zu erwecken. Im zweiten Akt arrangiert sie in mondäner 20er-Jahre-Robe ein Treffen zwischen den beiden Paaren, um dann bei der Trauung im 50er-Jahre-Petticoat in Rot den Chor für das Brautpaar zu arrangieren. Mit falschem Bart gibt sie dann einen näselnden Notar, der die Schwestern die Eheverträge unterschreiben lässt. Doch nachdem sie die ganze Komödie mitgespielt hat, wartet sie am Ende nur auf das versprochene Geld von Don Alfonso und zählt es verächtlich, während sich zwischen den Paaren noch die reinsten Dramen abspielen. Somit versteht sie es, eine vollends stimmige Interpretation der Rolle zu präsentieren, die auch stimmlich zu überzeugen weiß.

Orlando Mason steht als Don Alfonso nicht nur bezüglich seiner Körpergröße über den Dingen. Er spielt die ganze Zeit sehr reserviert und unnahbar und lässt nur selten Gefühlsregungen zu, wenn er zum Beispiel nach dem romantischen Terzett mit den Schwestern "Soave sia il vento", in dem sie den Liebhabern eine gute Überfahrt wünschen, das blaue Papierschiffchen wütend zerknüllt. Da hat man den Hauch einer Idee, dass auch er eine von der Liebe und vom Leben verletzte Persönlichkeit ist. Vielleicht sind bei ihm die Narben des Lebens aber auch schon besser verheilt als bei Despina. Jedenfalls bleibt er relativ emotionslos, wenn er zum einen nicht glauben will, dass ausgerechnet Fiordiligi und Dorabella treuer sein sollen als andere Frauen, und zum anderen nach seinem Sieg den Liebhabern gegenüber feststellt, dass alle Frauen so unzuverlässig sind. Spielerisch verfolgt Orlando Mason diesen Ansatz sehr gut, wobei er zu Beginn auch noch mit einem kleinen Zaubertrick glänzen kann. Sein Bass klingt schon sehr wohlig, zeigt aber Potenzial zu wachsen.

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Hochzeit mit den Fremden (von links: Dorabella (Kristine Larissa Funkhauser), Guglielmo (Raymond Ayers), Ferrando (Jeffery Krueger) und Fiordiligi (Stefania Dovhan) im Hintergrund der Chor).

Jeffery Krueger und Raymond Ayers entsprechen optisch sehr gut den jugendlichen Liebhabern Ferrando und Guglielmo, so dass es nachvollziehbar wird, dass sich die Schwestern auf die beiden einlassen. Wie chauvinistisch Raymond Ayers seinen scheinbaren Sieg auskostet, wenn er Dorabella verführt hat, während seine Fiordiligi ihm die Treue bewahrt hat, ist sehr glaubhaft und stereotyp männlich dargeboten. Genauso überzeugend spielt er anschließend den wütenden Betrogenen, wenn er erkennen muss, dass seine Braut es nun mit Ferrando treibt. Da muss ihn Don Alfonso schon zurückhalten, damit er nichts Unüberlegtes tut. Stimmlich verfügt Herr Ayers über einen kräftigen, sehr jugendlichen Bariton. Auch Jeffery Krueger hat als Liebhaber Feuer. Da Fiordiligi ja wesentlich hartnäckiger bleibt, muss er gleich zweimal Selbstmordabsichten äußern, bevor er endlich erhört wird. Aber auch dann weiß er diesen Triumph dem Freund gegenüber ebenfalls mit viel Macho-Gehabe auszukosten. Stimmlich klingt Jeffery Kruegers Tenor in den Mittellagen sehr schön. In den Höhenlagen ist seine Stimme bei den Arien "Un aura amorosa", in der er die untrügliche Liebe seiner Dorabella beschwört, und "Tradito, schernito", wenn er erkennt, dass er betrogen worden ist, an einzelnen Stellen belegt. Dabei singt er die Bögen aber sehr sauber aus und vermeidet es zu forcieren.

Stefania Dovhan und Kristine Larissa Funkhauser sind nicht nur optisch als Schwesternpaar Fiordiligi und Dorabella eine Augenweide, um die man die beiden Männer beneiden kann. Auch stimmlich harmonieren Frau Dovhans strahlender Sopran und Frau Funkhausers wohliger Mezzo wunderbar zusammen. Das drückt sich schon in ihrem ersten Duett "Ah, guarda, sorella" aus, was direkt den ersten Szenenapplaus auslöst. Mit welcher Anmut sie anschließend das Terzett mit Don Alfonso "Soave sia il vento" singen, ist einfach nur betörend schön und geht unter die Haut. Ihr Wechsel der treu liebenden Bräute zu den die vermeintlich Fremden erhörenden Frauen wird von häufigem Alkoholgenuss begleitet. Während Kristine Larissa Funkhausers Dorabella entsprechend ihrer Anlage im Stück die etwas leichtfertigere Schwester ist, zeigt Stefania Dovhans Fiordiligi in ihren zwei fulminanten Arien mehr Widerstandskraft. In "Come soglio immoto resta", in der sie äußert, dass ihre Liebe zu Guglielmo unerschütterlich ist, kann Frau Dovhan die ganze Bandbreite ihrer Stimme von einer tiefen Lage bis zu dramatischen Höhen präsentieren und das Publikum mit frenetischem Beifall regelrecht von den Sitzen reißen. Auch bei "Per pietà, ben mio, perdona", in der ihre Treue schon nicht mehr ganz so unerschütterlich ist, lässt beim Hagener Publikum Freude aufkommen, dass eine solche Ausnahmesängerin, die mittlerweile auch Preisträgerin des Richard F. Gold Career Grant ist und letztes Jahr an der New York City Opera als Donna Anna in Mozarts Don Giovanni so große Erfolge feiern konnte, dass sie 2011 dort Adina in Donizettis L'elisir d'amore interpretieren wird, in Hagen hoffentlich noch ein paar Jahre zu hören sein wird.

Bernhard Steiner weiß mit seinen Musikern die psychologische Stärke der Musik Mozarts bestens herauszuholen. So sorgt er für einen flotten, sauberen und sängerfreundlichen Mozartklang, der einige jüngere Zuschauer zu der Bemerkung verleiten konnte, dass Oper ja doch ganz schön sein könne. So gab es am Ende frenetischen Applaus für die Sängerdarsteller, das Orchester und das komplette Regieteam, was zu zahlreichen Vorhängen und einem sichtlich zufriedenen Ensemble führte.


FAZIT

Wieder eine Glanzleistung im Theater Hagen, was hoffentlich zu einer hohen Platzauslastung führt, um die Notwendigkeit des Erhalts dieses ambitionierten Theaters in seinem ganzen Umfang zu unterstreichen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Steiner

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Ausstattung
Sandra Linde

Licht
Ernst Schießl

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Anja Oeck


Opernchor des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Fiordiligi
Stefania Dovhan

Dorabella
Kristine Larissa Funkhauser

Guglielmo
Raymond Ayers

Ferrando
Jeffery Krueger

Despina
Marilyn Bennett

Don Alfonso
Orlando Mason

 

 


Weitere Informationen
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