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Dichtung vom Komponisten Premiere im Opernhaus Hannover am 12. Juni 2011 „Da muß sich manches Rätsel
lösen. Doch manches Rätsel
knüpft sich auch.“ – Was für die Walpurgisnacht in Goethes Faust I steht, gilt auch für Wagners Götterdämmerung,
für
Text und Musik und insbesondere auch für eine
Inszenierung, die gern jeden möglichen Hexentanz mitnimmt.
Als Vorspiel vor dem Vorspiel schiebt die
alte, nackte,
zerbrechliche Erda einen großen Pappkarton (kein Kosky ohne
Kisten…) auf die
Bühne und stellt ihren drei Nornen-Töchtern Stühle vor
den Vorhang. Deren Gesang,
der die Geschichte rekapituliert, wird durch einen gewollt witzigen,
computeranimierten Film bebildert, aus dem wir erfahren, dass Wotans
Raben
Menschengesichter haben, die Weltesche in Wahrheit ein Brokkolistrunk
ist,
Walhall eine Sandburg, dass Wotan wohl zwischenzeitlich in die
Filmproduktion
eingestiegen ist und „Walhall-Pictures“ gegründet hat und
dergleichen mehr.
Sehr bewegend bleibt der Moment in Erinnerung, in dem sich die Nornen,
die ihr
Seil bzw. Filmband selbst zerrissen haben, zärtlich an ihre
unbeteiligt
wirkende Mutter schmiegen, die derweil auf dem Souffleurkasten Platz
genommen
hatte und gleich höchstselbst den Vorhang heben wird. Siegfried und Brünnhilde sind in ihrem
schrecklich
scheußlichen Wohnzimmer – das in den wohlbekannten Kasten
eingebaut ist – mit
neckischen (Sex-)Spielchen bei laufendem Fernseher beschäftigt.
Den abreisenden
Gatten stattet Brünnhilde mit seinem Schwert und ihrem
Motorradhelm aus. In einem engen, aber hohen Salon mit vier
bullaugenbewehrten
Türen im Halbkreis und einem überdimensionalen Kronleuchter
empfangen die
Gibichungen Siegfried, nicht ohne dass sich Gunther und Gutrune laut
und
albern
lachend vorher ein Tür auf-Tür zu-Spielchen geliefert
hätten, das an störender
Albernheit kaum zu übertreffen ist. Die Szene, die nun folgt,
vereint Slapstick
und Boulevardtheater, Überzogenes und Überdeutliches -
erreicht dabei aber nie
das Niveau einer guten Parodie. Das scheint aber auch nicht gewollt zu
sein.
Siegfried benimmt sich schlecht im edlen Hause, zieht seine stinkenden
Schuhe
aus, nimmt Gutrune erst auf dem Salontisch, dann darunter. Gunther und
sich
verletzt er im Gesicht, die Blutsbrüderschaft besiegeln sie durch
einen blutigen
Kuss. Hagens Wacht auf inzwischen aufgeräumter, fast leerer
Bühne
gehört dann wieder zu den eindringlichen Momenten. Da stört
nichts die Musik –
bis auf Erda, die mal wieder einen Karton über die Bühne
schiebt. Siegfried (Robert Künzli), Brünnhilde (Brigitte Hahn)
Hagen erwartet die
Zurückkommenden vor einer schwarzen,
schreibtischähnlichen Kiste, die von einer großen
Industrielampe
beleuchtet
wird. Die Stromkabel, die sie speisen, würden dem Schicksalsseil
alle
Ehre
machen. Alberich, als überzeichnete Karikatur eines orthodoxen
Juden
dargestellt, kriecht in einem Pappkarton über die Bühne,
beschwört
Hagen,
entkleidet sich (entledigt sich der „Verkleidung“ wie schon im Rheingold) und kuschelt sich Trost suchend
an seinen Sohn, der nach seinem Abtritt die Kippa und die
Nase(-nprothese) seines
Vaters verbrennt. Ach ja, zwischendurch schleicht wieder einmal die
nackte Erda
über die Bühne, aber das ist als Selbstverständlichkeit
schon fast nicht mehr
erwähnenswert. Siegfried entsteigt der Schreibtischkiste, die
Mannen einer
bühnenhohen, halb bühnenbreiten Holzkiste. Gunther packt
stolz sein Hochzeitsgeschenk
aus: Brünnhilde aus dem Karton. Außer Brünnhilde und
Gutrune (im gleichen
Hochzeitskleid) gibt es keine Frauen bei den Gibichungen. Der komplette
Frauenchor wurde gestrichen. Das erklärt vielleicht die vor
Testosteron strotzende
brutale Energie der Mannen, die als Neonazis und Hooligans kaum zu
bändigen
sind und Brünnhilde auf erniedrigende Weise demütigen und
später dann auch
schänden.
Erda
(Statistin)
Zur zweiten Szene des ersten Bildes werden
alle
Protagonisten mit dem Bühnenboden hochgefahren. Ach so, ist Erda
zwischenzeitlich mal wieder über die Bühne geschlurft? Im
Zweifelsfalle ja. Der
Jude sitzt unter einem Tisch, der Germane liegt daneben und hat seinen
Kopf in seinen
Schoß gelegt. Mime taucht in Sieglindes Kleid mit Nudelholz auf,
der Waldvogel
ist zu einer dicken Frau im weißen Kleid mutiert (in Essen war es
pink – eine
der wenigen Varianten). Siegfrieds Erzählung wird entsprechend
bebildert. Hagen
meuchelt Siegfried bestialisch und verpackt ihn -
in einen Karton. Am Schluss wird es noch einmal spannend
und logisch. Alle
Ring-Träger müssen sterben: Das verdeutlicht Kosky auf
bezwingende und geniale
Weise: Gunther nimmt dem toten Siegfried den Ring ab, Gutrune nimmt ihn
von Gunthers
Finger, nachdem Hagen ihn getötet hat. Gutrune wird ebenfalls von
Hagen
erstochen. Von ihr nimmt Brünnhilde den Ring an sich, um ihn
später Erda zu
geben. Von solchen Ideen wünscht man sich mehr! „Wie Sonne lauter strahlt mir sein
Licht“ singt Brünnhilde – nun
im schwarz gewordenen Brautkleid – zu
Erda, ihrer Mutter, die sie zärtlich zu trösten versucht.
Dann werden noch
einmal alle Darsteller auf die Bühne gefahren, um gleich im
Zeitlupentempo
abzugehen. Die Technik der Hinter- und Seitenbühnen wird sichtbar,
bis das Licht
ausgeschaltet wird. Zerbrechlich, verletzt, ausgemergelt, müde, dabei resigniert
wirkend, verglüht Erda, die alte Mutter Erde, im strahlend hellen
Licht vor
einer dunklen Bühne. Was hat man ihr angetan! Ein ganz starkes
Bild zum
schlimmen Schluss.
Viele versuchte Provokationen laufen ins Leere – in Hannover
ist man seit Bieto einiges gewohnt – oder sind einfach nur öde.
Warum müssen Reaktionen
und Gefühle immer wieder überzeichnet, noch deutlicher als
deutlich gemacht
werden? Müssen die subtilen, feineren Mittel der Sanges- und
Schauspielkunst
vor dem Platten und Überzeichneten weichen, damit auch ja jeder es
versteht und
gut unterhalten wird? Das wird man bei Film und Fernsehen sicher
besser. Das
Theater kann mit seinen Mitteln andere, tiefer gehende Schwerpunkte
setzen. Wolfgang Bozic gibt in seiner letzten
Premiere als Hannovers
GMD alles und überzeugt mit einem bezwingenden, leidenschaftlichen
und sehr
dynamischen Dirigat, dem das Staatsorchester fast unfallfrei folgt.
Immer
wieder gestaltet Bozic Momente von größter, atemberaubender
Intensität und malt
Klangfarben, deren adäquate Umsetzung man auf der Bühne oft
vermisst. Zu einem
der schönsten Bilder dieser Produktion wird denn auch Siegfrieds
Rheinfahrt –
die bei spektakulär geschlossenem Vorhang gespielt wird. Musikalisch eindrucksvoll, szenisch mit
einigen ganz starken
und vielen wenig überzeugenden Lösungen hat sich der Ring in Hannover geschlossen. Warten wir auf den
nächsten. Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühnenbild,
Trickfilm Kostüme Chor Dramaturgie
Chor und Extrachor Statisterie der
Siegfried
Gunther Alberich Hagen Brünnhilde Gutrune Waltraute 1. Norn 2. Norn Weitere
Informationen
Götterdämmerung
Dritter Tag des
Bühnenfestspiels
für drei Tage und einen Vorabend
von Richard Wagner
Staatsoper Hannover
(Homepage)
Erdadämmerung
Von Bernd
Stopka / Fotos Thomas M.
Jauk
Robert Künzli ist auch in der Götterdämmerung
ein sehr eindrucksvoller, mit Stimm- und
Strahlkraft aufwartender Siegfried, wenn auch insgesamt nicht ganz so
begeisternd wie im zweiten Tag der
Tetralogie. Brigitte Hahn hat die Brünnhilde genau studiert, singt
sie akkurat und
stimmtechnisch ausgefeilt, doch für diese Partie fehlen der Stimme
Glanz und
Durchschlagskraft. So bleibt ihre Brünnhilde trotz intensiven
schauspielerischen
Einsatzes gesanglich blass und uncharismatisch. Kelly God wertet die
undankbare
Rolle der Gutrune mit wunderschönem Sopran und
Bühnenpräsenz auf. Den Alberich
gestaltet Frank Schneiders mit dämonischen, aber kultivierten
Tönen, Brian
Davis ist auch stimmlich ein nobler Gunther. Monika Walerowicz singt
eine ausdrucksstarke,
wenn auch in der Tiefe nicht besonders stimmschöne Waltraute. Die
eindrucksvollste sängerische Leistung des Abends zeigt Albert
Pesendorfer, der
dem Hagen mit gewaltigen Basstönen in diversen düsteren
Klangfarben Charakter
und Profil verleiht. In Vollendung harmonisch klingen sowohl die
Nornen, als
auch die Rheintöchter. Den Herren- und Extrachor hat Dan Ratiu
bestens auf
seine Aufgabe vorbereitet.
FAZIT
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Produktionsteam
Wolfgang Bozic
Barrie Kosky
Klaus Grünberg
Klaus Bruns
Dan Ratiu
Klaus Grünberg
Susanne Reinhardt
Ulrich Lenz
Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover
der Staatsoper Hannover
Staatsoper Hannover
Solisten
Robert Künzli
Brian Davis
Frank Schneiders
Albert Pesendorfer
Brigitte Hahn
Kelly God
Monika Walerowicz
Julie-Marie
Sundal
Mareike Morr
Dorothea Maria Marx
Woglinde
Carmen Fuggiss
Wellgunde
Mareike Morr
Floßhilde
Julie-Marie Sundal
Erda
Evelyn Gundlach
erhalten Sie von der
Staatsoper
Hannover
(Homepage)
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