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Musiktheater
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Closer than ever

Musical in zwei Akten
Text von Richard Maltby, Jr.

Übersetzung von Nina Schneider

Musik von David Shire


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier am 04. Februar 2011


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Musiktheater im Revier
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Kaleidoskop der großen und der kleinen Sorgen

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Als "Geschichten in Liedern" haben der Textdichter Richard Maltby, Jr. und der Komponist David Shire diese Sammlung von 23 Songs bezeichnet, die als musikalische Kurzgeschichten die teils kleinen und teils größeren Sorgen und Neurosen von Menschen der Großstadt beschreiben und die in jahrelanger Arbeit an den unterschiedlichsten Projekten dieser beiden amerikanischen Profis der Musical-Revue entstanden. Bereits 1984 wurden einige Songs unter dem Titel Next Time, Now! veröffentlicht, bevor das Musical in der heutigen Form mit seinem Eingangssong "Doors" und dem namensgebenden Schlusstitel "Closer than ever" 1989 an dem kleinen Off-Broadway Theater Cherry Lane seine Uraufführung erlebte und von dort einen wahren Siegeszug durch die Staaten begann, bevor es 2006 nach Europa kam. Nun ist es im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier zu erleben.

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Die Musiker: Patricia Martin (Klavier) und Günter Jackowiak (Kontrabass).

Bühnenbildner Stefan Oppenländer hat aus mehreren quadratischen Podesten unterschiedlicher Höhe, die zu einer nach rechts und links aufsteigenden Treppe zusammengestellt sind und eine Raute auf unterschiedlichen Ebenen bilden, einen Raum geschaffen, der nahezu ohne Requisiten auskommt - von einzelnen Stühlen und großen weißen Würfeln als Sitzgelegenheiten einmal abgesehen - und der den Protagonisten ermöglicht, von einer Geschichte in die nächste zu springen. Hinter diesen Podesten stehen auf der rechten und linken Seite je zwei Leuchtwände, die je nach Einsatz des Lichtes (Patrick Fuchs) die Sänger als anonyme Schatten erscheinen lassen, die genauso namenlos sind wie die Personen des Stückes. In der Mitte dieser Podeste sind die beiden Musiker platziert: Patricia Martin am Klavier, die einen dem Kleinen Haus sehr angemessenen intimen Sound entwickelt, und Günter Jackowiak am Kontrabass, der die musikalische Untermalung hervorragend abrundet.

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Das Ensemble: von links: Oliver Weidinger, Christa Platzer, Hanna Dóra Sturludóttir, E. Mark Murphy (im Hintergrund: Patricia Martin und Günter Jackowiak).

In dieses Ambiente treten nun beim ersten Song "Doors" die vier Solisten ein, zunächst in einheitlichem beigefarbenem Trenchcoat mit braunem Hut (Kostüme: Andreas Meyer), und singen von Türen, die verschlossen sind, die es zu öffnen gilt und die den Blick in ein anderes Leben freigeben. Erst nach diesem Song legen sie die Trenchcoats ab und zeigen, dass sich hinter dem Einheitslook ganz individuelle Menschen befinden. Die nun folgenden Songs erzählen in loser Aneinanderreihung teils traurige und teils amüsante Geschichten, bei denen sicherlich für jeden Zuschauer die eine oder andere Identifikationsmöglichkeit besteht. Dabei werden die Sänger mit Mikroports verstärkt, was zum einen für die Textverständlichkeit sehr förderlich ist, zum anderen aber auch so gut ausgesteuert ist, dass bei den Ensembles die Musiker nicht übertönt werden. So entsteht ein wunderbarer Musical-Klang, bei dem man auch ohne Dialoge und ohne Übertitel sehr gut die Handlungen der einzelnen Geschichten verstehen kann.

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Hanna Dóra Sturludóttir mit Günter Jackowiak bei dem Song "Gut im Spiel".

Christa Platzer, die dem Gelsenkirchener Publikum noch durch ihre grandiose Interpretation der Edith Piaf in der gleichnamigen Revue vor zwei Spielzeiten in Erinnerung sein dürfte, berührt einmal mehr, wenn sie mit einem Fotoalbum ihre "Lebensgeschichte" ("Life Story") besingt und trotz aller Schwierigkeiten, die sie als Frau in einer Zeit, in der noch nicht über Frauenquote gestritten wurde, gehabt hat, zu dem nicht ganz überzeugenden Schluss kommt, dass sie sich bei all den Tiefschlägen dennoch eigentlich nicht beklagen könne. Auch ihre sehr triste Beschreibung des Alltags geht unter die Haut. Mit dem Song "Der Bär, der Tiger, der Maulwurf und der Aal" ("The Bear, the Tiger, the Hamster and the Mole") hinterfragt sie sehr komödiantisch, ob die Bedeutung des Mannes in der Menschenwelt nicht absolut überbewertet werde, da er doch eigentlich nur für die Fortpflanzung wichtig sei, und dass die genannten Tiere ein viel natürlicheres Rollenverständnis von Mann und Frau hätten.

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Ensemble bei dem Song "Der Marsch der Zeit": von oben: Hanna Dóra Sturludóttir, Oliver Weidinger, Christa Platzer, E. Mark Murphy, hinten rechts: Günter Jackowiak.

Ensemblemitglied E. Mark Murphy zeigt mit sehr beweglichen Tenor erneut sein großes Musicaltalent. Besonders bewegend gelingt ihm die Darstellung eines gebrochenen Mannes in "Warum nur?" ("What am I Doin'?"), der sich aus Liebeskummer vom Dach stürzen will. Dass man durch die Lichtregie von Patrick Fuchs dabei zunächst nicht sein Gesicht erkennen kann, unterstützt den Ansatz, dass er mit dieser Überlegung eine relativ breite Masse vertritt. Auch wie er in grauem Outfit gefallenes Laub von der Bühne fegt und sich dabei seine Träume verbietet, immer einredend, dass er "Einer der Guten" ("One of the Good Guys") sei, ist große Schauspielkunst. Komödiantisches Talent zeigt er in "Ein etwas anderes Hochzeitslied" ("Another Wedding Song"), wenn er wie ein kleiner Schuljunge Hanna Dóra Sturludóttir einen Heiratsantrag macht und groß verkündet, dass sie zwar nicht seine erste Gattin sei, aber dafür die erste Zweite, ein Bekenntnis, das in der heutigen Zeit auch schon eine gewisse Bedeutung hat.

Dem Gast Oliver Weidinger gelingt in dem Song "Ich springe aus den Federn" ("I'll Get Up Tomorrow Morning") mit seinem fundierten Bariton eine sehr eindringliche Interpretation eines arbeitenden Menschen, der trotz aller Widerlichkeiten im Privatleben und Job sich nicht unterkriegen lassen und kämpfen will. Mit starkem Sopran rundet Hanna Dóra Sturludóttir das Ensemble ab. Furios rechnet sie mit Oliver Weidinger in dem Song "Du wärst so gern mein Freund?" ("You Want to Be My Friend?") ab, wenn er, als relativ unsympathischer Kerl, sich von seiner Partnerin trennen will, weil sie doch viel zu gut für ihn sei und er deshalb nicht ihr Partner, sondern nur ihr Freund sein wolle. Da schmeißt sie ihn einfach nach der Feststellung, dass schließlich ihr Name am Türschild stehe, aus der Wohnung. In "Da" ("There") zeigt sie die an der fehlenden Liebe ihres Gatten im Alkohol und Seitensprung Rettung suchende verzweifelte Frau, während Oliver Weidinger zu ihren Worten "Du warst niemals für mich da" eine Zeitung mit einem großen Bild von Helmut Kohl mit seinem Sohn liest. Besonders zu erwähnen sind auch Sturludóttirs Interpretation von "Frau Spatz" ("Miss Byrd"), in der sie sich von einer kleinen grauen Maus zu einem nahezu männermordenden Vamp entwickelt. Bei ihrem lasziven Spiel in "Gut im Spiel" ("Back on Base"), einem Song, der nahezu nur vom Kontrabass begleitet wird und sehr an den Song "Fever" erinnert, zeigt sie ebenfalls betörenden Sex-Appeal.

Auch die Ensembles, die von Kati Farkas sehr stimmig choreographiert sind, überzeugen auf ganzer Linie. So gibt es zum einen etwas zum Schmunzeln, wenn in dem Song "Es ist das Beste" ("There's Nothing Like It") der Fitness-Wahn parodiert wird und alle bis zur Erschöpfung Sport treiben, zum anderen aber auch Nachdenkliches im Song "Der Marsch der Zeit" ("The March of Time"), wenn alle im grauen Einheitslook mit Aktentasche und Stoppuhr vollbeschäftigt durch das Leben hetzen und für nichts anderes Zeit haben. Einzig der Schlusssong "Immer noch näher" ("Closer than ever") wirkt ein wenig aufgesetzt, da nicht ganz einsichtig wird, wieso sich die Darsteller, die am Ende wieder die Trenchcoats anlegen und somit zur unidentifizierbaren Masse verschmelzen, sich nach diesen ganzen Geschichten näher gekommen sein sollen. Vielleicht wollen David Shire und Richard Maltby, Jr. am Schluss aber auch den Zuschauer nicht in Depressionen verfallen lassen und mit der Erkenntnis, dass andere Menschen ähnliche Sorgen haben, die Menschen näher zusammenführen. Regisseur Carsten Kirchmeier jedenfalls gelingt es, mit seiner stimmigen Inszenierung, das Publikum sehr beschwingt und gut gelaunt nach Hause zu schicken.

 

FAZIT

Ein bunter Reigen musikalischer Geschichten, die mal zum Schmunzeln und mal zum Nachdenken anregen. Auf jeden Fall empfehlenswert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patricia Martin

Inszenierung
Carsten Kirchmeier

Bühne
Stefan Oppenländer

Kostüme
Andreas Meyer

Licht
Patrick Fuchs

Choreographie
Kati Farkas

Dramaturgie
Juliane Schunke



Klavier
Patricia Martin

Kontrabass
Günter Jackowiak



Solisten

Frau 1
Christa Platzer

Frau 2
Hanna Dóra Sturludóttir

Mann 1
E. Mark Murphy

Mann 2
Oliver Weidinger





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