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Kein Ton bleibt unbeachtet Von
Christoph
Wurzel / Fotos von Monika
Rittershaus Von dieser Tosca muss man zuerst über die Musik reden - über das
großartige Opern- und Museumsorchester, das elektrisierende
Dirigat von Kirill Petrenko und die exzellenten Solisten der
Hauptpartien.
1. Akt:
Lobpreis der reinen Schönheit (Aleksandrs Antonenko als
Cavaradossi, links: Franz Meyer als Mesner)
Zumeist erweist sich die musikalische Durchschlagskraft einer Tosca – Aufführung bereits in den ersten Takten, dann nämlich wenn ein Dirigent in der Lage ist, aus dem wilden Akkordagglomerat energetischen Schwung zu entfesseln und ohne es bloß knallen zu lassen, den musikalischen Schlag in dramatischen Fluss überzulenken. Derartige Gestaltungskraft entwickelt Petrenko mit dem Frankfurter Opernorchester von Anbeginn an, und das Orchester folgt ihm präzise. Petrenko zeigt sich perfekt aber nicht allein in der pointierten Zuspitzung musikalischer Dramatik, sondern auch im klangsinnlichen Strömenlassen von Puccinis Musik, wie sie sich wenig später („Dammi i colori!“) emphatisch aufschwingt, wenn das Orchester den als Cavaradossi strahlenden Aleksandrs Antonenko zu seinem ersten schwärmerischen Ausbruch trägt. So entsteht eine musikalisch zwingende, spannungsverdichtete und dazu noch enorm farbenreiche Auslegung dieser Musik. Im
Graben also glüht rauschhafte Musik, auf der Bühne zieht das
Geschehen eher kühl vorüber - allerdings analytisch
kühl. Andreas Kriegenburg hat das Drama in einer nicht näher
bestimmten Gegenwart angesiedelt. Die stilsicher treffenden
Kostüme von Tanja Hofmann sehen bürokratisch korrekte
Uniformen für den Polizeiapparat und eine unaufdringliche Eleganz
bei Tosca vor. Harald Thor hat dazu leicht abstrahierende
Bühnenbilder entworfen. Im ersten Akt (Sant’ Andrea della
Valle) ist vom Kirchenambiente allein eine Wand geblieben, von
einem Kreuz durchzogen und Projektionsfläche für Cavaradossis
Gemälde. Nach dem Erscheinen Toscas und ihren eifersüchtigen
Vorhaltungen kracht diese Wand ebenso wie das idealistische Trugbild
von Cavaradossis Kunstwelt zu Boden. Diese Wand bildet im zweiten Akt
(Palazzo Farnese) dann als eine Art waagerecht eingezogenes
Zwischengeschoss die Spielfläche für Cavaradossis Folterung.
Im dritten Akt schließlich ist die Bühne ein Betonbunker, in
dem die aufragenden Wände nur unten einen Spalt zum Eintreten
lassen. Entrinnen von hier ist nahezu unmöglich und so kommt es am
Schluss auch nicht zu dem legendären Sprung Toscas von der
Brüstung der Engelsburg, sondern sie verschwindet hinter einem vom
Schnürboden wie eine Feuersäule herab fallenden blutroten
Tuch, fantastisch und geheimnisvoll. 2. Akt: Bild physischer und psychischer
Gewalt (unten Erika Sunnegardh als Tosca und Jason Howard als Scarpia;
oben: Aleksandrs Antonenko als Cavaradossi u.a.) Wie
Petrenko im Musikalischen lässt auch Kriegenburg bei der
Beschreibung der Handlung kein Detail unbeachtet. Die
Personenführung ist exakt, verdeutlicht die Handlung intelligent,
und sie ist psychologisch schlüssig. Die Charaktere werden klar
ausgebildet, die Solisten spielen dies gut aus. Die bedrückende
Gewalt, unter der sich das Drama entwickelt, zeigt sich viel weniger in
schockierenden Bildern, als dass sie sich durch böse
Banalität herstellt. Besonders im dritten Akt wirkt das Geschehen
durch die pedantische Geschäftigkeit der Soldaten, die zwischen
den gestapelten Holzsärgen in routinierter
Selbstverständlichkeit ihren „Dienst“ tun, gerade deswegen so
beklemmend. Die im zweiten Akt eigentlich hinter der Szene vollzogene
Folterung Cavaradossis wird hier (freilich nur für das Publikum,
nicht aber für Tosca) zwar sichtbar, doch auch dies ohne
Sensationsattitüde. Symbolisch verfremdet zeigt Kriegenburg die
Realität des blutrünstigen Gewaltregimes Scarpias, indem sich
der in unschuldiges Weiß gekleidete Hirtenjunge nach seinem
anrührend gesungenen Klagelied in einer Blutlache wälzt, die
von den offenbar zahllosen Folterungen der Gegner Scarpias
herrühren muss. Als
Cavaradossi stellt Aleksandrs Antonenko dessen Idealismus als
Voltaireianer deutlich heraus. In der Mittellage weniger voll,
entwickelt er aber eine strahlende Höhe und gestaltet die Partie
in herrlich phrasierten Bögen expressiv stark und präsent.
Erika Sunnegardh hebt in ihrer Tosca-Darstellung deren Konzentration
auf die Welt der Ästhetik hervor. Vor allem eine feinnervige
Künstlerin zeigt sie stimmlich und darstellerisch in dieser Rolle,
weniger den unbeherrscht eifersüchtigen Bühnenstar. Subtil
zeigt sie die Desillusionierung dieser Frau durch deren Begegnung mit
der ungeschminkten Gewalt, die ihr in Scarpia nun entgegen tritt. Ihr
Sopran hat berückende Strahlkraft. Jason Howard zeigt diesen
Scarpia mit eher leichterem Bariton nicht als offen brutalen,
sondern als nobel maskierten Charakter, der sich erst im
geschützten Raum seines Palastes der zwanghaften Enge seiner
Triebe zu entledigen sucht; ein weiterer Akzent auf der
Durchschnittlichkeit der bieder verkappten Brutalität dieser hier
herrschenden Strukturen. Hervorragend
auch die übrigen Solisten sowie die prachtvoll singenden
Opernchöre.
FAZIT Indem
sich beim Hinsehen und Zuhören gleichermaßen neue
Perspektiven eröffnen, bewährt sich die Frankfurter Oper bei
einem Klassiker wieder einmal auf sehr hohem Niveau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische
Leitung Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Dramaturgie
Licht
Bibi Abel Chor und Extrachor Matthias Köhler Kinderchor Michael Clark Statisterie der Oper Frankfurt SolistenTosca |
© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
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