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Musiktheater
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Tosca
Melodramma in tre atti
von Giacomo Puccini
Text nach dem Schauspiel von  Victorien Sardou
von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln 


Dauer: ca 2 ½  Stunden – eine Pause
Premiere am 16. Januar 2011
Besuchte (3.) Aufführung am 23. Januar 2011
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Oper Frankfurt
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Kein Ton bleibt  unbeachtet

Von Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus


Von dieser Tosca muss man zuerst über die Musik reden - über das großartige Opern- und Museumsorchester, das elektrisierende Dirigat von Kirill Petrenko und die exzellenten Solisten der Hauptpartien.
Zumeist erweist sich die musikalische Durchschlagskraft einer Tosca – Aufführung bereits in den ersten Takten, dann nämlich wenn ein Dirigent in der Lage ist, aus dem wilden  Akkordagglomerat energetischen Schwung zu entfesseln und ohne es bloß knallen zu lassen, den musikalischen Schlag in dramatischen Fluss überzulenken. Derartige Gestaltungskraft entwickelt Petrenko mit dem Frankfurter Opernorchester von Anbeginn an, und das Orchester folgt ihm präzise. Petrenko zeigt sich perfekt aber nicht allein in der pointierten Zuspitzung  musikalischer Dramatik, sondern auch im klangsinnlichen Strömenlassen von Puccinis  Musik, wie sie sich wenig später („Dammi i colori!“) emphatisch aufschwingt, wenn das Orchester den als  Cavaradossi strahlenden Aleksandrs Antonenko zu seinem ersten schwärmerischen  Ausbruch trägt. So entsteht eine musikalisch zwingende, spannungsverdichtete und dazu noch enorm farbenreiche Auslegung dieser Musik.

Szenenfoto 1. Akt: Lobpreis der reinen Schönheit (Aleksandrs Antonenko als Cavaradossi, links: Franz Meyer als Mesner)

Im Graben also glüht rauschhafte Musik, auf der Bühne zieht das Geschehen eher kühl vorüber - allerdings analytisch kühl. Andreas Kriegenburg hat das Drama in einer nicht näher bestimmten Gegenwart angesiedelt. Die stilsicher treffenden Kostüme von Tanja Hofmann sehen bürokratisch korrekte Uniformen für den Polizeiapparat und eine unaufdringliche Eleganz bei Tosca vor. Harald Thor hat  dazu leicht  abstrahierende Bühnenbilder entworfen. Im ersten Akt (Sant’ Andrea della Valle)  ist vom Kirchenambiente allein eine Wand geblieben, von einem Kreuz durchzogen und Projektionsfläche für Cavaradossis Gemälde. Nach dem Erscheinen Toscas und ihren eifersüchtigen Vorhaltungen kracht diese Wand ebenso wie das idealistische Trugbild von Cavaradossis Kunstwelt zu Boden. Diese Wand bildet im zweiten Akt (Palazzo Farnese) dann als eine Art waagerecht eingezogenes Zwischengeschoss die Spielfläche für Cavaradossis Folterung. Im dritten Akt schließlich ist die Bühne ein Betonbunker, in dem die aufragenden Wände nur unten einen Spalt zum Eintreten lassen. Entrinnen von hier ist nahezu unmöglich und so kommt es am Schluss auch nicht zu dem legendären Sprung Toscas von der Brüstung der Engelsburg, sondern sie verschwindet hinter einem vom Schnürboden wie eine Feuersäule herab fallenden blutroten Tuch, fantastisch und geheimnisvoll.

Vergrößerung in neuem Fenster2. Akt: Bild physischer und psychischer Gewalt (unten Erika Sunnegardh als Tosca und Jason Howard als Scarpia; oben: Aleksandrs Antonenko als Cavaradossi u.a.)

Wie Petrenko im Musikalischen lässt auch Kriegenburg bei der Beschreibung der Handlung kein Detail unbeachtet. Die Personenführung ist exakt, verdeutlicht die Handlung intelligent, und sie ist psychologisch schlüssig. Die Charaktere werden klar ausgebildet, die Solisten spielen dies gut aus. Die bedrückende Gewalt, unter der sich das Drama entwickelt, zeigt sich viel weniger in schockierenden Bildern, als dass sie sich durch böse Banalität herstellt. Besonders im dritten Akt wirkt das Geschehen durch die pedantische Geschäftigkeit der Soldaten, die zwischen den gestapelten Holzsärgen in routinierter Selbstverständlichkeit ihren „Dienst“ tun, gerade deswegen so beklemmend. Die im zweiten Akt eigentlich hinter der Szene vollzogene Folterung Cavaradossis wird hier (freilich nur für das Publikum, nicht aber für Tosca) zwar sichtbar, doch auch dies ohne Sensationsattitüde. Symbolisch verfremdet zeigt Kriegenburg die Realität des blutrünstigen Gewaltregimes Scarpias, indem sich der in unschuldiges Weiß gekleidete Hirtenjunge nach seinem anrührend gesungenen Klagelied in einer Blutlache wälzt, die von den offenbar zahllosen Folterungen der Gegner Scarpias herrühren muss.

Vergrößerung in neuem Fenster 3. Akt: Geschäftsmäßig und kalt – Cavaradossis Hinrichtung (vorn: Erika Sunnegardh als Tosca; hinten: Aleksandrs Antonenko als Cavaradossi u.a.)

Als Cavaradossi stellt Aleksandrs Antonenko dessen Idealismus als Voltaireianer deutlich heraus. In der Mittellage weniger voll, entwickelt er aber eine strahlende Höhe und gestaltet die Partie in herrlich phrasierten Bögen expressiv stark und präsent. Erika Sunnegardh hebt in ihrer Tosca-Darstellung deren Konzentration auf die Welt der Ästhetik hervor. Vor allem eine feinnervige Künstlerin zeigt sie stimmlich und darstellerisch in dieser Rolle, weniger den unbeherrscht eifersüchtigen Bühnenstar. Subtil zeigt sie die Desillusionierung dieser Frau durch deren Begegnung mit der ungeschminkten Gewalt, die ihr in Scarpia nun entgegen tritt. Ihr Sopran hat berückende Strahlkraft. Jason Howard zeigt diesen Scarpia mit eher leichterem Bariton nicht als offen brutalen, sondern als nobel maskierten Charakter, der sich erst im geschützten Raum seines Palastes der zwanghaften Enge seiner Triebe zu entledigen sucht; ein weiterer Akzent auf der Durchschnittlichkeit der bieder verkappten Brutalität dieser hier herrschenden Strukturen. Hervorragend auch die übrigen Solisten sowie die prachtvoll singenden Opernchöre.

FAZIT

Indem sich beim Hinsehen und Zuhören gleichermaßen neue Perspektiven eröffnen, bewährt sich die Frankfurter Oper bei einem Klassiker wieder einmal auf sehr hohem Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kirill Petrenko

Inszenierung
Andreas Kriegenburg

Bühnenbild
Harald Thor

Kostüme
Tanja Hofmann

Dramaturgie
Malte Krasting

Licht
Frank Keller

Videoprojektion
Bibi Abel

Chor und Extrachor
Matthias Köhler

Kinderchor
Michael Clark


Statisterie der Oper Frankfurt

Chor, Extra-Chor
und Kinderchor der
Oper Frankfurt

Frankfurter Opern-
und Museums-Orchester

 

Solisten

Tosca
Erika Sunnegardh

Scarpia

Jason Howard

Cavaradossi

Aleksandrs Antonenko

Angelotti
Vuyani Mlinde

Mesner
Franz Mayer

Spoletta
Michael McCrown

Sciarrone

Dietrich Volle

Hirt

Frederik Callies
Solist der Aurelius Sängerknaben Calw

Ein Schließer
Zoltan Winkler




Weitere Informationen


Oper Frankfurt
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