Mit Beginn der Intendanz von Christoph Meyer in der Spielzeit 2009
/ 2010 ist auch das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein als Nachfolger des
Jungen Ensembles neu eingerichtet worden, um jungen Künstlern nach Abschluss
ihres Studiums die Möglichkeit zu geben, neben angebotenen Meisterkursen auch in
kleineren Rollen an einem großen Opernhaus den Alltag des Opernbetriebes in
allen seinen Facetten kennen zu lernen. Daneben haben die jungen Künstler auch
stets gegen Ende der Spielzeit die Möglichkeit, in einer eigenen Produktion ihr
Können unter Beweis zu stellen. Nach Maurice Ravels L'Enfant
et les Sortilèges in der letzten Spielzeit, ist die Wahl
in diesem Jahr auf ein recht unbekanntes Dramma giocoso von Domenico Cimarosa,
der italienischen Antwort auf Mozart, gefallen: Il matrimonio segreto,
1792 anlässlich der Unterzeichnung der Allianz zwischen Österreich und Preußen
gegen die französische Revolutionsregierung mit so großem Erfolg vor Kaiser
Leopold II. in Wien uraufgeführt, dass der Kaiser - so sagt man - die Aufführung
am gleichen Tag noch einmal habe wiederholen lassen.
Die ältere Tochter Elisetta (Jaclyn Bermudez) in
ihrem Schrank.
Die Handlung basiert auf der 1766 uraufgeführten englischen
Gesellschaftssatire The Clandestine Marriage des Dramatikers George
Colman d. Ä. und des Schauspielers David Garrick, die in Anlehnung an den
sechsteiligen Bilderzyklus Marriage à-la-mode, mit dem der englische
Maler William Hogarth die arrangierten Ehen der britischen Upperclass des 18.
Jahrhunderts karikierte, mit beißendem Spott das damalige Publikum unterhalten
wollte. Aus dieser Sozialkritik der literarischen Vorlage ist bei Cimarosa und
seinem Librettisten Bertati ein sanftes Verwirrspiel geworden. Der vermögende
Kaufmann Geronimo möchte seine Töchter Elisetta und Carolina an einen Adeligen
verheiraten, um selbst einen Adelstitel zu erlangen. Doch die jüngere Tochter
Carolina ist bereits heimlich mit dem Diener Paolino verheiratet. Dieser
präsentiert seinem Dienstherrn den Grafen Robinson als möglichen
Heiratskandidaten für Elisetta in der Hoffnung, dass Geronimo aus Dankbarkeit
der Verbindung zwischen ihm und Carolina zustimmt. Doch auch der Graf verliebt
sich unglücklicher Weise in die deutlich attraktivere Carolina und ist sogar
bereit, für sie auf die Hälfte der Mitgift zu verzichten, was Geronimo sehr
gelegen kommt. Verkompliziert wird die Situation der Lage noch durch Geronimos
Schwester Fidalma, die ebenfalls ein Auge auf Paolino geworfen hat. Erst als
Paolinos und Carolinas heimlicher Fluchtversuch misslingt, Graf Robinson
plötzlich doch bereit ist, Elisetta zu ehelichen, und Fidalma ihre
Ansprüche auf Paolino zurückstellt, lenkt auch Geronimo ein und gibt der nicht
standesgemäßen Verbindung seinen Segen, um endlich wieder seine Ruhe zu haben.
Fidalma (Melanie Lang) vor ihrem Setzkasten.
Das Regieteam um Mechthild Hoersch versucht nicht, eine fehlende
dramaturgische Tiefe des Stückes durch die Inszenierung auszugleichen, sondern
präsentiert eine spielerisch leichte Umsetzung, die der Vorlage gerecht wird.
Dabei besteht das Bühnenbild von Sarah Büchel größtenteils nur aus
verschiebbaren Schränken, die den einzelnen Figuren als Zimmer dienen und sehr
viel über den jeweiligen Charakter aussagen. So besteht Fidalmas Zimmer
größtenteils aus einem Setzkasten mit Puppen, die als Gesicht alle Paolinos
Konterfei zeigen. Elisetta ist ein Modepüppchen, das in ihrem Schrank neben
diversen Schuhen eine ganze Vielzahl von Kleidern und Hutschachteln ihr eigen
nennt, wohingegen Carolinas Schrankzimmer eine Schlagzeugausstattung zeigt, die
sie wesentlich emanzipierter und fortschrittlicher als ihre Schwester wirken
lässt. Wieso Paolino als Maler dargestellt wird, erschließt sich nicht auf den
ersten Blick. Vielleicht soll eine Verbindung zwischen Malerei und Musik
hergestellt werden, da Hogarths Bilderzyklus letztendlich auch als Vorlage für
die Oper galt, aber dies ist reine Spekulation. Geronimo verfügt in der Mitte
der Bühne über den einzig nicht verschiebbaren Schrank, der aber außer einem
großen Portrait des Kaufmanns, hinter dem sich sein prall gefüllter Safe befindet, nichts weiter über seinen Charakter preisgibt, als dass er der Herr
des Hauses ist, was sich auch in der Größe seines Schrankes und der darüber
angelegten Veranda manifestiert.
Geronimo (Lukasz Konieczny, links) und Graf
Robinson (Dmitry Lavrov, rechts) verhandeln bei Pasta.
Bei dem Auftritt des Grafen mag das Herz des einen
oder anderen Anhängers von Oldtimern höher geschlagen haben, wird
Robinson doch mit einer schwarz glänzenden Isetta hereingeschoben. Das "EN" -
Nummernschild suggeriert, dass dies eine Leihgabe für die Opernproduktion ist.
Der Auftritt mit der Isetta passt in das 60er Jahre-Ambiente, das auch in den
Kostümen von Inga Gürle angedeutet wird. So stattet sie Elisetta mit weiten
Taftröcken und ständig wechselnden kräftigen Farben aus. Besonders das schwarze
Kleid mit den roten Rosen und den weißen Totenköpfen im zweiten Akt zeigt, dass
man sich mit dieser Frau besser nicht anlegen sollte. Denn sie weiß genau, was
sie will. Und das ist: Graf Robinson. Ob die Isetta, mit der er auftritt, ein
Wortspiel zu Elisetta sein soll, kann nur vermutet werden. Fidalma wird als
ältliche Jungfer gekleidet, deren schwarzer durchschimmernder BH unter der
blassen Bluse andeutet, dass das Feuer der Liebe in ihr noch nicht verloschen
ist. Carolina trägt - natürlich - Hosen, wobei ihre Frisur an Sandy aus
Grease erinnert.
Zickenkrieg zwischen Carolina (Alma Sadé, links),
Fidalma (Melanie Lang, Mitte) und Elisetta (Jaclyn Bermudez, rechts).
Musikalisch hat man ein Arrangement von Alexander Krampe gewählt,
das die Cembalo-Rezitative durch deutsche Sprechtexte ersetzt und damit ein
wenig an die deutsche Spieloper erinnert. In der Wortwahl wirken die deutschen
Texte durchaus aktualisiert, behindern allerdings ein wenig den Fluss der Musik.
Dem Aufführungsort angepasst spielt man in einer sehr reduzierten orchestralen
Besetzung, die zwischen den Zuschauern platziert ist und so - wie die Nähe zur
Bühne - eine sehr intime Atmosphäre schafft. Christoph Stöcker erzeugt mit den
Mitgliedern der Düsseldorfer Symphoniker einen sehr leichten und präzisen Klang,
der musikalisch in vielen Momenten stark an Mozart erinnert, glaubt man doch zum
Beispiel an einer Stelle Papageno aus der Zauberflöte, an anderen Stellen
Anklänge an Don Giovanni und Le nozze di Figaro herauszuhören.
Stimmlich bewegt sich die Aufführung auf einem Niveau, das von den
jungen Solisten noch einiges erwarten lässt. Melanie Lang überzeugt mit
kräftigem Mezzo als leicht frustrierte Fidalma vor allem in Mimik und Gestik.
Mit überbordendem komödiantischem Talent gibt sie eine auf Freiersfüßen
wandelnde Jungfer, die häufig ihren Trost im Alkohol sucht. Auch Jaclyn Bermudez
zeigt als Elisetta komödiantisches Talent und erstaunliche Sicherheit auf High
Heels. Wie sie auf hohen Stöckelschuhen über die Bühne wirbelt oder krabbelt,
regt die Zuschauer häufig zum Schmunzeln an. Dazu verfügt sie über einen großen
Sopran, der ihre Mimi in der kommenden Spielzeit als Ensemble-Mitglied am
Stadttheater Hagen mit Spannung erwarten lässt. Auch Alma Sadé stattet die
jüngere Schwester Carolina mit einem sehr schönen Sopran aus.
Junge Liebe auf der Flucht: Paulino (Ovidiu
Purcel) und Carolina (Alma Sadé).
Lukasz Konieczny gibt mit profundem Bass einen ständig Geld
zählenden Geronimo, der in der Rolle allerdings ein wenig zu jung wirkt, was
auch die Tanzeinlage bei seiner Auftrittsarie unterstützt. Warum in der Inszenierung
auf die im Libretto vorgegebene Schwerhörigkeit verzichtet wird, ist nicht
nachvollziehbar. Dmitry Lavrov gefällt mit kräftigem Bariton als Graf Robinson,
wobei beide Sänger an einigen Stellen leichte Probleme mit den Tempi der Musik
haben, was aber vielleicht auf eine gewisse Premierennervosität zurückgeführt
werden kann. Höhepunkt der Sängerriege ist sicherlich der junge rumänische Tenor
Ovidiu Purcel als Paolino, der ab der nächsten Spielzeit fest zum Ensemble des
Opernstudios gehören wird. Mit großen lyrischen Bögen gestaltet er den findigen
Diener und weckt mit seinem Gesang Hoffnungen auf einen neuen großen
Mozart-Tenor. Zahlreiche Partien dieses Komponisten hat er auch bereits an der
Rumänischen Nationaloper Cluj zum Besten geben dürfen. Mit großer Spannung darf
sein weiterer Werdegang an der Deutschen Oper am Rhein beobachtet werden.
So gab es am Ende verdienten und einhelligen Beifall für alle
Beteiligten, und das junge Ensemble, des Opernstudios empfiehlt sich mit dieser
Produktion für sein Abschlusskonzert am 13. Juli 2011 im Opernhaus.
FAZIT
Ein leichter, beschwingter Opernabend
ohne viel Tiefgang, der einfach nur unterhält. Muss auch mal sein.
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