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Musiktheater
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Billy Budd

Oper in vier Akten
Libretto von E.M. Forster und Eric Crozier
nach einer Erzählung von Herman Melville
Musik von Benjamin Britten


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere am 25. März 2011 im Opernhaus Düsseldorf
(rezensierte Aufführung: 27. März 2011)


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Rheinoper
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Aus dem Maschinenraum der Gesellschaft

Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans-Jörg Michel

Krieg ist ein schmutziges Geschäft. Die Matrosen der HMS Indomitable müssen im Jahr 1797 zum Kriegsdienst Zwangsverpflichtet werden, werden mit Gewalt und Schikanen der rauen Ordnung auf See unterworfen und passen sich bald dem brutalen Klima an. Nur einer ist anders, der junge Billy Budd, der wegen seiner außergewöhnlichen Schönheit ebenso wie durch seine naiv anmutende Begeisterung wie ein Wesen vom anderen Stern erscheint. Das Schöne muss in der Kunst bekanntlich oft sterben, und so wird Billy von dem bösartigen Offizier Claggert in eine Intrige verwickelt, auf deren Höhepunkt er Claggert im Affekt tötet – und nach Kriegsrecht zum Tod verurteilt erhängt wird.

Foto kommt später

Der neue auf dem Schiff: Billy Budd (Lauri Vasar) wird eingekleidet. Bosun (Daniel Djambazian, l.), Mr Redburn (Markus Marquardt), Mr Flint (Ashley Holland) und John Claggart (Sami Luttinen) schauen interessiert zu.

Natürlich ist die homoerotische Komponente, die sich durch fast alle Opern Benjamin Brittens zieht, unverkennbar, gerade in dieser hermetisch abgeriegelten Männerwelt. Regisseur Immo Karaman tut gut daran, diesen Aspekt in seiner Düsseldorfer Neuinszenierung immer präsent zu halten, aber nie allzu deutlich zu werden. Bereits in der vorigen Spielzeit hat er am gleichen Ort Peter Grimes effektvoll inszeniert (unsere Rezension), jetzt sind die Mittel in Billy Budd durchaus ähnlich, aber noch konsequenter eingesetzt. Wieder hat Fabian Posca Chor und Statisterie streng choreographiert: Wie in einem imaginären Schachspiel laufen die Personen auf rechtwinkligen Bahnen, gesteuert wie Roboter. Die Besatzung des Schiffes, die ja durchaus als Spiegel der Gesellschaft gesehen werden darf, funktioniert wie eine gut geölte Maschinerie.

Foto kommt später

Kampfbereit: Claggart (Sami Luttinen)

Seefahrerromantik sucht man vergebens. Alles spielt in Innenräumen, nur in Billys Abschiedsszene vor der Hinrichtung ahnt man am Ende einer Treppe den offenen Nachthimmel. Das Bühnenbild (Ausstattung: Nicola Reichert) besteht aus verschiebbaren dunkel-metallischen Elementen, wie sie dem Inneren eines Schiffes entnommen sein könnten (tatsächlich hat sich das Regieteam vom Londoner Museumsschiff „HMS Belfast“ inspirieren lassen). In dieser klaustrophobischen Atmosphäre sind die Männer der Besatzung in durchaus heutige Uniformen gekleidet. So bleibt Billy Budd trotz der historischen Festlegung auf das Jahr 1797 ein Gegenwartsstück.

Foto kommt später

Doch keine Kampfhandlungen. Ensemble, in der Mitte Captain Vere (Raymond Very)

Karaman erzählt die Geschichte weitgehend geradlinig und verzichtet auf konkrete Ausdeutungen, was der etwas sperrigen Oper durchaus gut bekommt und Freiräume für Assoziationen lässt. Britten und seine Librettisten E. M. Forster und Eric Crozier haben der eigentlichen Handlung einen Rahmen gegeben: Der altersschwache Kapitän Vere erinnert sich unter Gewissensqualen Jahrzehnte später an die Geschehnisse (damit beginnt und endet die Oper). Karaman verstärkt diesen Effekt noch, indem er hin und wieder eine Krankenschwester auftreten und Vere umsorgen lässt und damit die Handlung durchbricht. Das verleiht dem Geschehen etwas Alptraumhaftes. Und an noch einer Stelle setzt Karaman einen „unpassenden“ Akzent: Der alte Matrose Dansker könnte tatsächlich einem ehrwürdigen Segelschiff entsprungen sein und beschwört so etwas wie einen romantisierenden Gegenentwurf zur Wirklichkeit auf der HMS Indomitable. Die insgesamt sparsame, aber durchdachte Personenregie wirkt unprätentiös und gibt der Geschichte etwas Sachliches. Trotzdem – oder gerade deshalb – entwickelt sich daraus erhebliche Spannung.

Foto kommt später

Der Moment, der alles ändert: Billy (rechts) hat Claggart getötet, Captain Vere ist ratlos.

Es passt, dass die Sänger den Schwerpunkt auf musikalische Glaubwürdigkeit und weniger auf stimmliche Brillanz setzen. Raymond Very gibt den Captain Vere als gebrochene Figur mit wenig glänzendem, doch sehr genau fokussiertem Tenor, der nie auftrumpft und doch alle Klippen der Partie souverän meistert. Sami Luttinen als Gegenspieler Claggart ist kein finsterer (und schon erst recht kein rabenschwarzer) Bösewicht, sondern eher der unauffällige Amtsträger, der Normalmensch, der das Schöne – oder das von der Norm Abweichende? - nicht ertragen kann und deshalb vernichtet. Man mag die schwarzen Farben, die stie stimmliche Dominanz vermissen, aber unter dem Gesichtspunkt, dass Claggart der eine unter vielen ist, der die Tragödie in gang setzt, ist Luttinen eine Idealbesetzung – mit schlankem, aber dennoch nicht zu kleinem, hell timbrierten Bass hat er auch die erforderliche stimmliche Präsenz. Mit ebenfalls hellem, tenoral leicht und geschmeidig geführtem Bariton verleiht Lauri Vasar der Figur des Billy Budd die Jungenhaftigkeit, die es für diese Partie braucht. Und optisch ist der schmächtige, durchtrainierte Sänger ohnehin eine Idealbesetzung. Einen starken Eindruck hinterlässt der von Gerhard Michalski einstudierte Herrenchor. Peter Hirsch am Pult der nicht immer ganz präsenten Düsseldorfer Symphoniker dosiert die Höhepunkte sorgfältig, setzt eher auf die leisen Passagen. Gesangslinie und Text haben Vorrang, ohne dass der musikalische Spannungsbogen abreißt.


FAZIT

Kein leichter, aber ein sehr eindrucksvoller Opernabend. Nach dem starken Peter Grimes setzt Billy Budd in einer szenisch wie musikalisch sehr konzentrierten Aufführung den Britten-Zyklus (der hoffentlich fortgeführt wird) auf hohem Niveau fort.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Hirsch

Inszenierung
Immo Karaman

Bühne und Kostüme
Nicola Reichert

Choreographie
Fabian Posca

Licht
Volker Weinhart

Chor
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Hella Bartnig



Chor und Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Edward Fairfax Vere
Raymond Very

Billy Budd
Lauri Vasar

John Claggart
Sami Luttinen

Mr. Redburn
Markus Marquardt

Mr. Flint
Ashley Holland

Leutnant Ratcliffe
Timo Riihonen

Red Whiskers
Bruce Rankin

Donald
James Bobby

Dansker
Carlos Krause

Der Neuling
Corby Welch

Squeak
Florian Simson

Mr. Bosun
Daniel Djambazian

1. Maat
Dmitri Vargin

2. Maat
Rolf Broman

Ausguck
Dmitry Trunov

Der Freund des Neulings
Laimonas Pautienius



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



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