![]() ![]() |
Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
![]() ![]() ![]() ![]() |
|
Tanzt nicht so romantisch
Von Stefan Schmöe / Fotos von Gert Weigelt
Ausgerechnet die Rheinische Symphonie: Die Wahl der Musik ist wohl auch eine Hommage an den Aufführungsort, komponierte Robert Schumann seine Rheinische, gemäß der üblichen Zählung die Symphonie Nr. 3, doch 1850 eben hier in Düsseldorf, wo er sich, zum städtischen Musikdirektor berufen, kurz zuvor mit seiner Familie niedergelassen hatte. Der biographische Bezug spielt durchaus eine Rolle in Martin Schläpfers neuer Choreographie Robert Schumann Tänze, denn Schläpfer stellt eine Dreierkonstellation in den Mittelpunkt: Zwei Männer, gemeint sind Robert Schumann und der junge Johannes Brahms, der häufiger Gast bei den Schumanns war, rivalisieren um eine Frau, Clara Schumann-Wieck. Und um diese ménage à trois herum wird sogar immer wieder auf Spitze getanzt. Hat da in blassblauen Trikots klammheimlich das romantische Handlungsballett Einzug in das Schaffen Martin Schläpfers, der doch bisher um die großen Erzählballette einen Bogen gemacht hat, Einzug gehalten? ![]() Robert Schumann Tänze: Christian Bloßfeld, Philip Handschin, Géraldine Dunkel, Pontus Sundset, Wun Sze Chan, Sonny Locsin (Foto © Gert Weigelt) Mitnichten. Vielmehr nutzt Schläpfer den Stoff, der ohnehin nur versatzstückartig angedeutet wird, um sich mit dem Phänomen Romantik auseinander zu setzen. Die Gesten des klassischen Balletts werden immer wieder gestört durch falsche Elemente, auch durch gezielte Fehler. Dadurch besitzt die Choreographie von Beginn an eine ironische Doppelbödigkeit. Die tänzerischen Mittel setzt Schläpfer dabei so souverän ein, dass ihm das Stück nicht zur Parodie gerät; die Auseinandersetzung mit Schumanns Musik gelingt durchaus beeindruckend und ausgesprochen kurzweilig. Das Unbehagen gegenüber der Komposition zumindest als Grundlage einer Choreographie hat Schläpfer im Vorfeld ebenso wie im Programmheft angesprochen und auch einfließen lassen. Robert Schumann Tänze - die ja gar keine Tänze sind, sondern eine ausgewachsene Symphonie, auch das eine Täuschung - ist ein permanentes In-Frage-Stellen dieser Romantik. ![]()
Begonnen hat der dreiteilige, durch zwei Pausen etwas störend in die Länge gezogene Abend mit Hans van Manens Compositie aus dem Jahr 1994. Das passt insofern gut, als auch van Manen mit viel Ironie arbeitet, wenn auch gänzlich unromantisch. Sein etwa 20minütiges Stück ist dem niederländischen Maler Piet Mondrian gewidmet (es entstand seinerzeit auch für das Mondrian Festival) und spielt auf dessen strenge geometrische Formen an. Um zwei exakt gleiche Tische sehr rechteckige Tische gruppieren sich vier Paare in strenger Spiegelsymmetrie. Die Bewegungen laufen exakt synchron ab. Eine Komposition (nicht anders ist ja der Titel) so geradlinig wie die Bilder Mondrians eben. Nur dass sich erst ein Tänzer, später dann auch seine Partnerin aus der strengen Konstellation herauslösen, diese aufbrechen - was wiederum sehr geordnet geschieht, keinesfalls zu Unordnung führt, aber eben die vorhergehende Ordnung verletzt. Innerhalb dieses raffinierten Spiels mit Formen deuten sich Beziehungskämpfe der Personen an, mit Körperhaltungen, kleinen Gesten und Blicken, die wie unter sehr genau definierten Regeln abzulaufen scheinen. Das Aussteigen der Personen ist damit auch eine Regelverletzung durch das Individuum, das sich neue Regeln gibt. Das alles ist puristisch klar, die trotz ihres symphonischen Gestus' betont nebensächliche Musik von John Adams, später von Morton Feldman, unterstreicht die Gelassenheit, mit der van Manen das choreographiert ein virtuoses Meisterwerk, bei dem das Lachen seines Strippenziehers unhörbar mitklingt. ![]() Frozen Echo: Ensemble (Foto © Gert Weigelt)
Dazwischen steht mit Frozen Echo der Niederländerin Regina van Berkel eine weitere Uraufführung. Gegen van Manens eleganten und zu höchster Konzentration getriebenen Formwillen stellt sie frei vagabundierende Parallelaktionen. Als liquid, also flüssig, bezeichnet sie selbst den ersten der drei Abschnitte; darunter gleich zu Beginn eine Skulptur aus Tänzern, die sich allmählich auflöst. Das Stück verweigert jede Eindeutigkeit und bleibt bewusst vage. Ein Band aus den Gehäusen von Computermonitoren zieht sich wie die Wirbelsäule eines Saurierskeletts über die Bühne. Die Tänzer sind durch unterschiedliche Kostüme in verschiedene Gruppen geteilt, einzelne scheinen als Individuen Träger einer unkenntlichen Handlung zu sein. Manchmal bilden sich Gruppen, immer wieder ergeben sich durch die lang ausgestreckten Arme dabei skulpturale Elemente. Dennoch bleibt ein Eindruck von Formlosigkeit. Das Widersprüchliche, nicht Greifbare deutet sich bereits im Titel an, Eingefrorenes Echo. Die Musik von Theo Verbey, auf Basis eines älteren Stückes (Schaduw) parallel zur Choreographie und in gegenseitiger Wechselwirkung entstanden, spiegelt diese Mehrdeutigkeit, lebt dabei auch von großer Klangsinnlichkeit. Das Spiel mit kaum zuordnungsfähigen Andeutungen hat seine poetischen Momente, aber eben auch eine gewisse Beliebigkeit. Am Ende gerät es etwas aus dem Gleichgewicht, wenn die Tänzerin Wun Sze Chan im ein sehr langes weißes Kleid, von unten ausgeleuchtet, sehr lange an der Rampe verharrt nicht, weil dieses sehr schöne Bild keinen Eindruck machen würde, aber es verschiebt die Akzente doch stark auf eben dieses vergleichsweise konventionelle Element. Wohl wollte die Choreographin, so ist's im Programmheft nachzulesen, gezielt mit close ups, also Großaufnahmen, aus dem vagabundierenden Fluss auf einzelne Aktionen fokussieren, aber diese eine Aktion schiebt doch vieles andere sehr in den Hintergrund. ![]() Am Pult der ordentlichen Düsseldorfer Symphoniker steht die Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt, mit der Martin Schläpfer in seiner Zeit als Mainzer Ballettchef bereits zusammengearbeitet hat. Sie hat viel Sinn für Farben, fächert den Klang vielschichtig auf. Dass dabei die Konturen sehr flächig weichgezeichnet werden, die Musik wie ein großes Panorama aufleuchtet, gibt den Choreographien eine Art musikalische Goldgrundierung.
Van Manens Compositie ist umwerfend, die Uraufführungen von Regina van Berkel und Martin Schläpfer ergänzen dies zu einem wenn auch nicht genialen, so doch anregenden Ballettabend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamDüsseldorfer Symphoniker
Musikalische Leitung
Klavier Compositie
Choreographie
Bühne und Kostüme
Einstudierung
Licht
Paar 1
Paar 2
Paar 3
Paar 4
Choreographie
Bühne, Video und Licht
Kostüme
Choreographie
Bühne
Kostüme
Licht
Ballettmeister
|
© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de