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Musiktheater
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b.07

Compositie

Ballett von Hans van Manen
Musik von John Adams (Eros Piano für Kammerorchester und Klavier)
und Morton Feldman (Madame Press died last week at ninety)

Frozen Echo (Uraufführung)

Ballett von Regina van Berkel
Musik von Theo Verbey (Frozen Echo)

Robert Schumann Tänze (Uraufführung)

Ballett von Martin Schläpfer
Musik von Robert Schumann (Symphonie Nr. 3 Rheinische)


Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (zwei Pausen)

Premiere am 19. Februar 2011 im Opernhaus Düsseldorf
(rezensierte Aufführung: 20. Februar 2011 im Opernhaus Düsseldorf)


Homepage

Ballett am Rhein / Rheinoper
(Homepage)
Tanzt nicht so romantisch

Von Stefan Schmöe / Fotos von Gert Weigelt


Vergrößerung Robert Schumann Tänze: Wun Sze Chan, Jackson Carroll (Foto © Gert Weigelt)

Ausgerechnet die Rheinische Symphonie: Die Wahl der Musik ist wohl auch eine Hommage an den Aufführungsort, komponierte Robert Schumann seine Rheinische, gemäß der üblichen Zählung die Symphonie Nr. 3, doch 1850 eben hier in Düsseldorf, wo er sich, zum städtischen Musikdirektor berufen, kurz zuvor mit seiner Familie niedergelassen hatte. Der biographische Bezug spielt durchaus eine Rolle in Martin Schläpfers neuer Choreographie Robert Schumann Tänze, denn Schläpfer stellt eine Dreierkonstellation in den Mittelpunkt: Zwei Männer, gemeint sind Robert Schumann und der junge Johannes Brahms, der häufiger Gast bei den Schumanns war, rivalisieren um eine Frau, Clara Schumann-Wieck. Und um diese ménage à trois herum wird sogar immer wieder auf Spitze getanzt. Hat da in blassblauen Trikots klammheimlich das romantische Handlungsballett Einzug in das Schaffen Martin Schläpfers, der doch bisher um die großen Erzählballette einen Bogen gemacht hat, Einzug gehalten?


Vergrößerung

Robert Schumann Tänze: Christian Bloßfeld, Philip Handschin, Géraldine Dunkel, Pontus Sundset, Wun Sze Chan, Sonny Locsin (Foto © Gert Weigelt)

Mitnichten. Vielmehr nutzt Schläpfer den Stoff, der ohnehin nur versatzstückartig angedeutet wird, um sich mit dem Phänomen „Romantik“ auseinander zu setzen. Die Gesten des klassischen Balletts werden immer wieder gestört durch „falsche“ Elemente, auch durch gezielte „Fehler“. Dadurch besitzt die Choreographie von Beginn an eine ironische Doppelbödigkeit. Die tänzerischen Mittel setzt Schläpfer dabei so souverän ein, dass ihm das Stück nicht zur Parodie gerät; die Auseinandersetzung mit Schumanns Musik gelingt durchaus beeindruckend und ausgesprochen kurzweilig. Das Unbehagen gegenüber der Komposition – zumindest als Grundlage einer Choreographie – hat Schläpfer im Vorfeld ebenso wie im Programmheft angesprochen und auch einfließen lassen. Robert Schumann Tänze - die ja gar keine Tänze sind, sondern eine ausgewachsene Symphonie, auch das eine Täuschung - ist ein permanentes In-Frage-Stellen dieser Romantik.


Vergrößerung Compositie: Julie Thirault, Alexandre Simões, Ainara García Navarro, Bogdan Nicula (Foto © Gert Weigelt)

Begonnen hat der dreiteilige, durch zwei Pausen etwas störend in die Länge gezogene Abend mit Hans van Manens Compositie aus dem Jahr 1994. Das passt insofern gut, als auch van Manen mit viel Ironie arbeitet, wenn auch gänzlich unromantisch. Sein etwa 20minütiges Stück ist dem niederländischen Maler Piet Mondrian gewidmet (es entstand seinerzeit auch für das Mondrian Festival) und spielt auf dessen strenge geometrische Formen an. Um zwei exakt gleiche Tische sehr rechteckige Tische gruppieren sich vier Paare in strenger Spiegelsymmetrie. Die Bewegungen laufen exakt synchron ab. Eine „Komposition“ (nicht anders ist ja der Titel) so geradlinig wie die Bilder Mondrians eben. Nur dass sich erst ein Tänzer, später dann auch seine Partnerin aus der strengen Konstellation herauslösen, diese aufbrechen - was wiederum sehr geordnet geschieht, keinesfalls zu Unordnung führt, aber eben die vorhergehende Ordnung verletzt. Innerhalb dieses raffinierten Spiels mit Formen deuten sich Beziehungskämpfe der Personen an, mit Körperhaltungen, kleinen Gesten und Blicken, die wie unter sehr genau definierten Regeln abzulaufen scheinen. Das Aussteigen der Personen ist damit auch eine Regelverletzung durch das Individuum, das sich neue Regeln gibt. Das alles ist puristisch klar, die trotz ihres symphonischen Gestus' betont nebensächliche Musik von John Adams, später von Morton Feldman, unterstreicht die Gelassenheit, mit der van Manen das choreographiert – ein virtuoses Meisterwerk, bei dem das Lachen seines Strippenziehers unhörbar mitklingt.


Vergrößerung

Frozen Echo: Ensemble (Foto © Gert Weigelt)

Dazwischen steht mit Frozen Echo der Niederländerin Regina van Berkel eine weitere Uraufführung. Gegen van Manens eleganten und zu höchster Konzentration getriebenen Formwillen stellt sie frei vagabundierende Parallelaktionen. Als „liquid“, also flüssig, bezeichnet sie selbst den ersten der drei Abschnitte; darunter gleich zu Beginn eine Skulptur aus Tänzern, die sich allmählich auflöst. Das Stück verweigert jede Eindeutigkeit und bleibt bewusst vage. Ein Band aus den Gehäusen von Computermonitoren zieht sich wie die Wirbelsäule eines Saurierskeletts über die Bühne. Die Tänzer sind durch unterschiedliche Kostüme in verschiedene Gruppen geteilt, einzelne scheinen als Individuen Träger einer unkenntlichen Handlung zu sein. Manchmal bilden sich Gruppen, immer wieder ergeben sich durch die lang ausgestreckten Arme dabei skulpturale Elemente. Dennoch bleibt ein Eindruck von Formlosigkeit.

Das Widersprüchliche, nicht Greifbare deutet sich bereits im Titel an, Eingefrorenes Echo. Die Musik von Theo Verbey, auf Basis eines älteren Stückes (Schaduw) parallel zur Choreographie und in gegenseitiger Wechselwirkung entstanden, spiegelt diese Mehrdeutigkeit, lebt dabei auch von großer Klangsinnlichkeit. Das Spiel mit kaum zuordnungsfähigen Andeutungen hat seine poetischen Momente, aber eben auch eine gewisse Beliebigkeit. Am Ende gerät es etwas aus dem Gleichgewicht, wenn die Tänzerin Wun Sze Chan im ein sehr langes weißes Kleid, von unten ausgeleuchtet, sehr lange an der Rampe verharrt – nicht, weil dieses sehr schöne Bild keinen Eindruck machen würde, aber es verschiebt die Akzente doch stark auf eben dieses vergleichsweise konventionelle Element. Wohl wollte die Choreographin, so ist's im Programmheft nachzulesen, gezielt mit close ups, also Großaufnahmen, aus dem vagabundierenden Fluss auf einzelne Aktionen fokussieren, aber diese eine Aktion schiebt doch vieles andere sehr in den Hintergrund.


Vergrößerung Frozen Echo: Ann-Kathrin Adam, Wun Sze Chan (Foto © Gert Weigelt)

Am Pult der ordentlichen Düsseldorfer Symphoniker steht die Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt, mit der Martin Schläpfer in seiner Zeit als Mainzer Ballettchef bereits zusammengearbeitet hat. Sie hat viel Sinn für Farben, fächert den Klang vielschichtig auf. Dass dabei die Konturen sehr flächig weichgezeichnet werden, die Musik wie ein großes Panorama aufleuchtet, gibt den Choreographien eine Art musikalische Goldgrundierung.


FAZIT

Van Manens Compositie ist umwerfend, die Uraufführungen von Regina van Berkel und Martin Schläpfer ergänzen dies zu einem wenn auch nicht genialen, so doch anregenden Ballettabend.


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Produktionsteam

Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung
Catherine Rückwardt

Klavier
Dirk Wedmann

Compositie

Choreographie
Hans van Manen (1994)

Bühne und Kostüme
Keso Dekker

Einstudierung
Arlette van Boven

Licht
Joop Caboort


Tänzerinnen und Tänzer

* Besetzung der rezensierten Vorstellung

Paar 1
* Julie Thirault /
Feline van Dijken
* Bogdan Nicula /
Pontus Sundset

Paar 2
* Louisa Rachedi /
So-Yeon Kim
* Ordep Rodriguez Chacon /
Antoine Jully

Paar 3
* Ainara García Navarro /
Mariana Dias
* Alexandre Simões /
Christian Bloßfeld

Paar 4
* Carolina Francisco Sorg /
Ann-Kathrin Adam
* Andriy Boyetskyy /
Maksat Sydykov

Frozen Echo

Choreographie
Regina van Berkel

Bühne, Video und Licht
Dietmar Janeck

Kostüme
Regina van Berkel


Tänzerinnen und Tänzer

Sachika Abe
Ann-Kathrin Adam
Marlúcia do Amaral
Doris Becker
Wun Sze Chan
Mariana Dias
Feline van Dijken
Carolina Francisco Sorg
Cristina Garcia Fonseca
Ainara García Navarro
Yuko Kato
So-Yeon Kim
Nicole Morel
Louisa Rachedi
Daniela Svoboda
Julie Thirault
Anna Tsybina
Christian Bloßfeld
Andriy Boyetskyy
Jackson Carroll
Martin Chaix
Florent Cheymol
Helge Freiberg
Philip Handschin
Antoine Jully
Sonny Locsin
Bogdan Nicula
Chidozie Nzerem
Sascha Pieper
Boris Randzio
Ordep Rodriguez Chacon
Alexandre Simões
Pontus Sundset
Maksat Sydykov

Robert Schumann Tänze

Choreographie
Martin Schläpfer

Bühne
Nelly van de Velden

Kostüme
Thomas Ziegler

Licht
Thomas Diek

Ballettmeister
Monique Janotta


Tänzerinnen und Tänzer

Ann-Kathrin Adam
Marlúcia do Amaral
Doris Becker
Wun Sze Chan
Mariana Dias
Ana Djordjevic
Géraldine Dunkel
Carolina Francisco Sorg
Cristina Garcia Fonseca
Carrie Johnson
Yuko Kato
So-Yeon Kim
Nicole Morel
Louisa Rachedi
Daniela Svoboda
Julie Thirault
Anna Tsybina
Christian Bloßfeld
Jackson Carroll
Martin Chaix
Florent Cheymol
Helge Freiberg
Niels Funke
Philip Handschin
Sonny Locsin
Chidozie Nzerem
Boris Randzio
Pontus Sundset
Alexandre Simões
Jörg Weinöhl



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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