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Musik und Wahnsinn
Keine Oper, kein Ballett, kein Schauspiel. Und doch berühren die Werke Der Idiot von Hans Werner Henze und Eight Songs for a Mad King von Sir Peter Maxwell Davies, die im Rahmen des Henze-Projektes 2010 als Musiktheaterprojekt mit den Bochumer Symphonikern im Prinz Regent Theater zu sehen sind, in ganz besonderer Weise Musik, Dichtung, Tanz und Schauspiel. Im Programmheft des Henze-Projektes 2010 noch als von Mark Sieczkarek neu inszeniertes und von Xaver Poncette dirigiertes Mimodram angekündigt, scheint man sich die Gründe werden nicht erwähnt anders entschieden zu haben. Präsentiert wird die von Henze 1990 angefertigte Konzertfassung für Sprechstimme und 11 Instrumentalisten in Kombination mit der thematisch passenden Komposition von Davies über den britischen König George III. Die Bühne des kleinen, seit 19 Jahren existierenden Prinz Regent Theaters ist mittels Gerüstbauteilen und schwarz-weiß gekachelten Stegen in verschiedene Räume und Ebenen unterteilt. Zusammen mit symbolträchtigen Requisiten wie Spiegeln, Krohnleuchter, Chaiselongue und ausgestopftem Falken, sind mittig bzw. auf der rechten Seite ein Pianist mit Flügel und Cembalo (diese Klangfarbe kommt in der Komposition von Peter Maxwell Davies zum Einsatz), ein Schlagzeuger mit verschiedensten Perkussionsinstrumenten, ein Streichquartett aus Kontrabass, Cello, Bratsche und Violine, eine Holzbläsergruppe aus Flöte, Klarinette und Fagott sowie die beiden Blechbläser Trompete und Posaune quasi in das Bühnenbild eingebettet. Welch eine surreal zeitübergreifende Collage, in der sich - ähnlich wie in Ingeborg Bachmanns lyrischer Sprache - kunstvoll eigene Geschichtsbewältigung mit Erinnerungen des Fürsten Myschkin zu mischen scheinen. Während Bachmanns Innenwelt durchsetzt ist von Metaphern der Kälte, Einsamkeit, Schuld, leuchtet Henzes Musik wie ein leichter, häufig tänzerischer Kontrapunkt. Die bunte Instrumentierung ist transparent. Solistisch oder in Kombination schimmern die orchestralen Klangfarben geradezu verspielt auf und lassen ästhetische Bilder der flüchtigen Bewegung und Veränderung lebendig werden. Davies sich anschließende, 1969 uraufgeführte Komposition Eight Songs for a Mad King kehrt die Innenwelt des ausbrechenden Wahnsinns nach außen. Musikalisierung der Sprache und Geräuschhaltigkeit von Musik vermischen sich zu neuen, expressiven Ausdrucksqualitäten. Erinnerungen in Form musikalischer Zitate werden schonungslos auseinandergenommen, bzw. verdichten sich zu ohrenbetäubendem Pfeifen oder percussivem Klanggewitter und machen so die Geräuschbelästigung der Geisteskrankheit spürbar. In Sybille Broll-Papes Inszenierung sind beide Werke zu einer Einheit verschmolzen. Parfion Rogoschin bzw. ein Alter Ego des Fürsten Myschkin sowie Georg III. sind von Anfang an präsent, begleiten, verfolgen sich stumm oder kreuzen ihre Wege. Die anderen Personen der Dostojewski-Paraphrase wie Nastassia Filipowna oder Aglaja treten als leblose Kleider ins Spiel. Auch die Person Georgs III, der mithilfe einer mechanischen Orgel seinen Buchfinken das Singen von Melodien beibringen wollte, beschränkt sich auf manchmal witzig wirkende, flüchtige Andeutungen. Dadurch werden die unterschiedlichen ästhetischen Konzeptionen, die Ausdrucksqualitäten und musikalische Darbietung beider Werk in den Vordergrund gerückt. Ganz besonders fesselt Gavin Taylors zwischen Ernst und Komik wechselndes Spiel und seine virtuose, textverständliche Gesangsdarbietung. Homogen in den Klanggruppen, virtuos, transparent und leicht, ohne das wärmende Vibrato der Streicher außer Acht zu lassen, gestalten die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Errico Fresis.
Die spielfreudige Gesangsdarbietung von Gavin Taylor und die Bochumer Symphoniker sind sehens- und hörenswert. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Solisten
Fürst Myschkin
King George III.
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