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Dem Radio abgelauschtVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Irgendwann in der Geschichte sind sie aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden, Frauen wie Barbara Strozzi. Geboren 1619 in Venedig als uneheliches Kind einer Hausbediensteten, vom Hausherrn, dem Dichter und Librettisten Giulio Strozzi - Barbaras Vater? - adoptiert, erfuhr das Mädchen eine hervorragende künstlerisch-musikalischee Ausbildung, unter anderem beim seinerzeit außerordentlich berühmten Komponisten Francesco Cavalli. Barbara wird Sängerin, Dichterin und Komponistin. Und wohl auch Kurtisane, denn anders wäre ihr als Frau eine solche Karriere in illustren venezianischen Männerkreisen wohl nicht möglich gewesen. Sie muss, als Erbin Strozzis, nicht ungeschickt mit Wertpapieren gehandelt haben. Gestorben ist sie 1677 in Padua. So sieht's aus, wenn die Technik funktioniert und Barbara Strozzi szenisch gespielt wird: Stephanie Wüst in der Titelpartie ...
Der 1956 in Bochum geborene und vor allem als Jazz-Musiker hervorgetretene Komponist Georg Graewe hat über diese schillernde Frauenpersönlichkeit ein Stück Musiktheater geschrieben, das merklich vom Radio-Hörspiel inspiriert ist: Eine Collage aus 31 Mini-Szenen, die bei rund 75 Minuten Gesamtdauer kaum einmal die Länge einer normalen Opernarie erreichen. Einige davon sind gesprochen (wobei die Texte in italienischer und englischer Sprache eine eigene Musikalität erlangen), einige werden vom Tonband eingespielt - es handelt sich also um Musik von überschaubarem Ausmaß. Dabei geht es um die Liebe, aus wechselnden Perspektiven überzeitlich betrachtet: Barbara raisonniert über die verschiedenen Bezahlmöglichkeiten per Kreditkarte für Liebesdienste und gestaffelte Stundenhonorare (in US-Dollar) ebenso wie über den Vorrang von Tränen oder Musik als Waffen einer Frau. Ein Diskurs über Liebe und Eros, bei dem drei namenlose Herren (ein Tenor, ein Bass, ein Bariton) als Stichwortgeber hinzu treten. ... und hier gleich alle vier Sänger: Giorgos Kanaris (Bariton), Renatus Mészár (Bass), Christian Specht (Tenor), Stephanie Wüst (Barbara Strozzi)
Verbindungslinien zum Jazz oder, was thematisch ja nahe läge, zur Renaissance, sind bestenfalls zu erahnen. Graewes Musik ist flächig, oft aus erratischen kleinen Motiven zusammengesetzt oder aus Liegetönen mit kontrastierenden Motivfetzen aufgebaut und kennt keine melodische oder harmonische Entwicklung. Die kleine Besetzung Flöte, Englischhorn, Bassklarinette, Trompete, Vibraphon und Congas, Harfe, je zwei Violinen, Bratschen und Celli sowie ein Kontrabass ermöglicht durchaus interessante Klangfarben, was Graewe aber nicht allzu sehr ausreizt. Die Musik hebt sich angenehm vom anbiedernd effektvollen Stil mancher am Gegenwartstheater stärker präsenten Zeitgenossen ab, bleibt aber über die Aufführung hinaus kaum in Erinnerung. Allerdings spielen die Mitglieder des Beethoven Orchesters unter Leitung von Wolfgang Lischke zwar solide, aber auch nicht mehr, und die drei männlichen Sänger versprühen wenig Wohlklang: Im kleinen Raum des Alten Malersaals in der rechtsrheinischen Beueler Depandance des Bonner Theaters kämpfen Renatus Mészár, Christian Specht und Giorgios Kanaris hörbar mit der direkten Akustik, forcieren leider fast durchgängig und trauen sich kaum einmal einen leisen Ton. Da gelingen ihnen die klangvoll artikulierten Sprechpassagen doch deutlich besser. Stephanie Wüst als Barbara Strozzi kämpft sich virtuos durch halsbrecherische Intervalle in hohen bis höchsten Lagen. Dass die Partie trotzdem arg pauschal nach irgendwie modern klingt, ist wohl der Komposition anzulasten. Klangbeispiel 1
Seine Uraufführung erlebte das Gemeinschafts-Auftragswerk der Theater in Luzern und Bonn bereits im vorigen Jahr in der Schweiz; die deutsche Erstaufführung in Bonn blieb am angekündigten Premierenabend unfreiwillig Stückwerk: Weil die Videotechnik versagte, konnte das Stück nur konzertant gegeben werden (die weiteren Aufführungen sollen aber wie geplant szenisch ablaufen). Immerhin verheißt das aparte Bühnenbild von Karin Leuenberger ein ganz in Rot gehaltenes Kabinett einer Kunstgalerie mit Aussparungen, in die Stilleben hineinprojiziert werden eine geschmackvolle szenische Umsetzung, bei der das Orchester hinter der Bühne verschwinden wird. Vielleicht gibt das diesem in seiner Anlage undramatischen Werk ja die entscheidenden Impulse. In konzertanter Form wirkt Barbara Strozzi wie ein uneingelöstes Versprechen.
Musiktheater wie eine Radiocollage - in der konzertanten Version nicht ganz uninteressant, aber auch nicht übermäßig aufregend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne, Kostüme, Video
Licht
Dramaturgie
Solisten
Barbara Strozzi
Bass
Tenor
Bariton
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