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Rattengift und Schattenspiel
Von Roberto Becker / Fotos: Wiener Staatsoper GmbH / Axel Zeininger Anders als bei Shakespeare und Verdi geht es bei der Lady Macbeth von Dmitri Schostakowitsch nicht um den politischen Königsmord, um an die Macht zu kommen. Oder darum, sie zu behalten. Bei dieser russischen Lady aus dem Mzensker Bezirk, die mit bürgerlichem Kaufmannsnamen Katerina Ismailowa heißt, geht es nur" um katastrophale individuelle Befreiungsversuche: Mit einer Portion Rattengift vom despotisch altersgeilen Schwiegervater. Mit dem Geliebten gemeinsam mordend vom störenden Ehemann. Schließlich aus der finalen Verzweiflung der Verlassenen von Sergeijs aktueller Geliebten und schließlich von sich selbst. Das Staatspolitische daran ist nicht die Tat, sondern es sind die desolaten Verhältnisse, das Milieu aus dem so etwas erwächst. Latente Gewalt bricht aus die Frauen sind das Opfer
Anders als bei Shakespeare und Verdi geht es bei der Lady Macbeth von Dmitri Schostakowitsch nicht um den politischen Königsmord, um an die Macht zu kommen. Oder darum, sie zu behalten. Bei dieser russischen Lady aus dem Mzensker Bezirk, die mit bürgerlichem Kaufmannsnamen Katerina Ismailowa heißt, geht es nur" um katastrophale individuelle Befreiungsversuche: Mit einer Portion Rattengift vom despotisch altersgeilen Schwiegervater. Mit dem Geliebten gemeinsam mordend vom störenden Ehemann. Schließlich aus der finalen Verzweiflung der Verlassenen von Sergeijs aktueller Geliebten und schließlich von sich selbst. Das Staatspolitische daran ist nicht die Tat, sondern es sind die desolaten Verhältnisse, das Milieu aus dem so etwas erwächst. Überzeugende Sängerdarsteller: Kurt Rydl und Angela Denoke
Nun stammte die Geschichte von Nikolay Leskow, auf der das Libretto beruht, zwar aus dem zaristischen Russland, aber so deftig lebensnah, so leidenschaftlich hochkochend, so grotesk überzeichnend wie Schostakowitsch das komponiert hat, geriet es ihm zu einem so treffsicheren Griff auch ins sowjetrussische Menschenleben, dass es in Stalins Reich gar nicht gut gehen konnte. Zwei Jahre währte dennoch der Erfolg nach der Uraufführung 1934. Doch dann ging der oberste Zensor via Prawda mit einem so lauten Chaos statt Musik, dazwischen, dass es an ein Wunder grenzte, dass der so Kritisierte es überlebt hat. Für die Wiener Staatsoper gehört ein Stück wie die Lady Macbeth von Mzensk schon zu den gewagteren Unternehmungen. Immerhin liegt die letzte vier Jahrzehnte zurück. Dank der exzellenten Wiener Philharmoniker und dem recht kurzfristig für den erkrankten Kiril Petrenko eingesprungenen Ingo Metzmacher, der erstklassigen Angela Denoke in der Titelrolle und einem mit boshafter Urgewalt dreinfahrenden Kurt Rydl als Schwiegervater, dürfte sich das Risiko für die Abendkasse an diesem Repertoirehaus par excellence gleichwohl in Grenzen halten. Metzmacher setzt auf den kraftvollen Klang der Erstfassung dieses 1935 leicht und lange nach Stalins Tod 1963 noch einmal gründlich zur Katerina Ismailowa revidierten Werkes. Ihm geht es um die geradezu lustvolle Zuspitzung dieser bilderreichen Musik, die erstaunlich unverschleiert von sexueller Gier, Lust an der Gewalt, der Absurdität der Polizeistaates und der Trostlosigkeit einer Justiz, die die Menschen in der sibirischen Verbannung verschwinden lässt, erzählt. Was zumindest für Denoke, Rydl und den Chor kein Problem ist und für die übrigen Solisten eins, an dem sie wachsen. Verbotene Leidenschaft: Sergej und Katerina
Dass der keineswegs opernunerfahrene, neue Burgtheaterchef Matthias Hartmann diese Inszenierung neben dem exzessiven Marathon mit Schauspielpremieren im eigenen Hause und dabei mit eigenen Arbeiten, zu stemmen hatte, merkt man ihr streckenweise allerdings auch an. Es ist gar nicht mal die Beschränkung von Volker Hintermeiers Bühne auf einen angedeuteten Allzweckraum, der nur mit einem zentralen Bett möbliert und von einer Parkett- und einer Gardinenwand begrenzt wird. Hier gelingt in den besten Momenten sogar kammerspielartige Konzentration. Oder auch die Demonstration der Brutalität des durch bloße Gesten seine Leute herum scheuchenden alten Ismailow. Etwas albern wirkt es aber, wenn Katerina und ihr Liebhaber Sergej (mit respektabler Kondition: Misha Didyk) unter der Bettdecke turnen und das dann noch einmal als Schattenriss-Liebesspiel etwas athletischer von hinten auf die Gardine projiziert wird. Oder, wenn das Konterfei des ermordeten Schwiegervaters, als flammende Alptraumvision geradewegs aus der Hölle kommend, auf der Parkettwand erscheint. In der dann auch noch der von Katerina und Sergej gemeinsam ermordete Ehemann Sinowi (Marian Talaba) deponiert wird. In solchen Szenen misstraut die Regie der Musik überflüssigerweise allzu sehr. Wollstrümpfe für die neue Geliebte
Seltsam unterspielt wirken die Chorchoreografien, wenn sie Gewalt verdeutlichen sollen. Ob nun bei der Massenvergewaltigung der Köchin, beim Verprügeln Sergejs, in der Polizeistation, beim Hochzeitsgelage oder auf dem Weg in die Verbannung. Die Chöre werden bewegt, aber sie bewegen nicht. Sie spiegeln am deutlichsten eine gewisse Verzagtheit Hartmanns, die aus dem angedeuteten Bezug zur Entstehungszeit nichts macht. Eine umgekippte Stalinbüste neben dem Souffleurkasten zu entsorgen oder frühe Rotarmisten (Kostüme: Su Bühler) mit Kalaschnikows rumfuchteln zu lassen, das erzeugt keinen Gulag-Rückenschauer, sondern bleibt Behauptung, wenn ansonsten eher brav bebildert wird.
Die Inszenierung von Matthias Hartmann ist so schmerzarm, dass sich bei der Premiere niemand darüber aufregen konnte. Schade, dass es zur vitalen Musik nur szenische Blässe gab. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Choreinstudierung
Solisten
Boris Ismailow
Sinowi Ismailow
Katerina Ismailow
Sergej
Axinja
Der Schäbige
Verwalter/ Polizist
Hausknecht/ Wächter
Erster Vorarbeiter
Zweiter Vorarbeiter
Dritter Vorarbeiter
Mühlenarbeiter
Kutscher
Pope
Polizeichef
Lehrer
Betrunkener Gast
Sergeant
Sonjetka
Alter Zwangsarbeiter
Zwangsarbeiterin
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