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Les Troyens


Oper in fünf Akten
Libretto nach Vergil vom Komponisten
Musik von Hector Berlioz

in französischer Sprache mit spanischen und englischen Untertiteln
Aufführungsdauer: ca. 5 h (zwei Pausen)

Premiere im Palau de les Arts Reina Sofia in Valencia am 31. Oktober 2009
(rezensierte Aufführung: 3. November 2009)


Homepage

Palau de les Arts Reina Sofia, Valencia
(Homepage)
Gestrandet an der Videoküste

Von Roberto Becker / Fotos von Tato Baeza / Palau de les Arts Reina Sofia

Ein Vergleich der Trojaner von Hector Berlioz mit Wagners Ring ist nicht nur wegen der gemeinsamen Epoche, in der diese Werke entstanden, gar nicht so abwegig. Um elementare, prägende Katastrophen geht es hier wie dort. Bei Berlioz sind sie sogar noch aufmerksamer dem Vorrat abendländischer Geschichtsmythen abgelauscht, als in Wagners recht egomanisch zusammengerührtem, sich gleichwohl dialektisch entfaltenden Weltgedicht. Die Trojaner jedenfalls bieten lauter Steilvorlagen für einen szenischen Diskurs. Das fängt an beim bewussten Ignorieren des nahenden und von Kassandra präzise vorher gesagten Untergang Trojas, bei dem die Betroffenen das Waffenklirren im Wanst des Trojanischen Pferdes für ein freundliches Wiehern halten wollen.

Foto kommt später

Das berühmte Pferd als kubistische Henne

Es geht weiter über die Eigendynamik eines Massenselbstmordes der Trojanerinnen wegen der bedrohten Ehre, aus dem einige Frauen immerhin ausscheren. Aber auch die mobilisierende Zukunftsvision eines neuen, vor allem aus dem Untergang des alten legitimierten Staatswesens oder der Diskurs über die Integration der Fremden auf der Flucht in das ganz gut funktionierenden, friedlichen Reich der Königin Dido wäre geeignet für ein Hinterfragen. Und nicht zuletzt die Vermischung von Politischem und Privatem, zu der es kommt, wenn sie sich als die vom Geliebten Aeneas verlassene Frau mit theatralischer Übergeste selbst verbrennt und bei der Gelegenheit gleich noch einen ziemlich grundsätzlichen Fluch über das künftige römische Europa übers Mittelmeer schickt. Dabei sagt sie zielsicher vorher, dass diesen Worten dereinst die Taten eines Hannibal folgen werden.

Foto kommt später Massenselbstmord der Frauen von Troja

In einem halben Dutzend Inszenierungen ist das - angeregt durch das Berlioz-Jahr 2003 - zwei Jahrhundertwenden nach der Fertigstellung dieser Grand Operá, die ihr Schöpfer nie insgesamt auf der Bühne erlebt hat, schon ausgelotet worden. In Valencia hätte man jetzt sogar die Chance gehabt, den Wagnerschen Ring des Nibelungen und die Berliozschen Trojaner quasi kurz nacheinander in ihren Bezügen und Unterschieden auch aufeinander zu beziehen. Mit programmpolitischer Kühnheit hatte Palau-Intendantin Helga Schmidt dem Calatrava-Operhaus nicht nur mit einem Ring zum Auftakt die höheren Opernweihen verordnet, sondern mit bewusstem Blick für die Internationalität des Juniors unter den drei spanischen Opernzentren jetzt das geschichtsträchtige Schlüsselwerk der französischen Grand Operá folgen lassen.

Foto kommt später

Kassandra, die Frau, der keiner glaubt

Musikalisch stellt sich der Vergleich auch her, vor allem, weil dort (beim Ring von Zubin Mehta) wie hier (bei den Trojanern von Valery Gergejew) mit dem heimischen Orquestra de la Comunitat Valenciana auf einem Niveau musiziert wurde, das jedem vergleichbaren Opernhaus in Europa zu Ehre gereichen würde. Solche Vergleichsmöglichkeiten rücken das etwas abseits des europäischen Opernkernlandes gelegene Valencia deutlich in Richtung Zentrum. Hinzu kommt, dass die an sich recht nachvollziehbare Idee, die szenische Realisierung dieser Großprojekte in die Hände von international akzeptierten Spaniern zu legen, auch die Suche nach solchen Zusammenhängen ermöglicht hätte. War schon beim Ring vor allem der Zug in die artistisch unterlegte Videoopulenz und ein zum Teil schmerzlicher, und auch durch Helfer in letzter Stunde aus Deutschland nicht behebbarer, Mangel an Personenregie dominierend, so rundete doch immerhin die Götterdämmerung den eigenen Ansatz zu einem Ganzen. Ließ ihn, trotz seiner üppig verdeckten Leerstellen, als Theater bestehen.

Foto kommt später In Didos Reich

Nach den vom gleichen Produktionsteam fast unmittelbar nachgereichten Trojanern aber muss man feststellen, dass der konzeptionelle Atem nicht mal für den großen Handlungsbogen innerhalb der Trojaner, geschweige denn für eine darüber hinaus weisende Dramaturgie gereicht hat. Im Grunde haben Carlus Padrissa und sein Team sich voll auf eine Oberflächenbebilderung zurückgezogen, ein paar monströse Bühnengerätschaften gebaut, jede Menge Video-Gewaber und -Gewoge darüber gelegt, einige illustrierende Peinlichkeiten dazwischen gestreut und ansonsten die Sänger vorne an der Rampe platziert. Nun machen die ihre Sache zwar ebenso ausgezeichnet wie der zum Tableausingen auf- und abmarschierende Chor, aber von packendem Theater ist das fast so weit entfernt wie das noch nicht gegründete Italien von Karthago. Man muss hier keine mitteleuropäischen Regiemaßstäbe bemühen – die vor Ort selbst gesetzten reichen schon, um diesen Trojanern szenisches Scheitern, ja fast noch schlimmer: szenische Langeweile zu bescheinigen. Die ungewollte Komik, die die abstrusen Kostüme verbreiten, helfen da wenig.

Foto kommt später

Finale auf dem Scheiterhaufen

Die Trojaner sehen irgendwie nach japanischer Hockey-Mannschaft aus, Didos Frisur wie eine missglückte von Madame Butterfly, und für den Rest mit all den Kapuzen und abstrusen Rüstungen scheint das Kostümdesign vor allem die B-Movies aus der since fiction Abteilung geplündert zu haben. Das Trojanische Pferd ist diesmal ziemlich pummelig kubistisch um ein Ei herum drapiert. Für sich genommen wie immer eindrucksvolle, leider nur illustrierende Videos runden diesmal ein Rampentheater ab. Immerhin glänzen dabei nicht nur der Dirigent und das Orchester, sondern auch das Ensemble ist den enormen Partien mehr als gewachsen. Ob nun die witwenhaft als alte Frau auf dem Rollstuhl herein geschobene Elisabete Matos als düster orakelnde Kassandra, oder dann vor allem eine mühelos auftrumpfende Daniela Barcellona als Dido und ein standfester Stephen Gould als Aeneas – an diesem Abend wird hohes musikalisches Niveau geboten!


FAZIT

Musikalisch sind diese Trojaner in Valencia ein Triumph - szenisch wurde eine große Chance vertan.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valery Gergejew

Inszenierung
Carlus Padrissa

Video
Franc Aleu


Cor de la
Generalitat Valenciana

Orquesta de la
Comunitat Valenciana


Solisten

Énée
Stephen Gould

Chorèbe
Gabriele Viviani

Panthée
Giorgio Giuseppini

Narbal
Stephen Milling

Iopas
Eric Cutler

Ascagne
Oksana Shilova

Cassandre
Elisabete Matos

Didon
Daniela Barcellona

Anna
Zlata Bulicheva

Hylas
Dmitri Voropaev

Priam
Askar Abdrazakov

Cap grec, Soldat troià, Mercuri
Tomeu Bibiloni

Espectre d´Hector, Primer sentinella
Yuri  Vorobiov

Segon sentinella
Vincent Pavesi

Helenus
Javier Agulló

Sarcerdot de Plutó
Bonifaci Carrillo

Polyxène
Dolores Lahuerta

Hècube
Maria Luisa Corbacho

Andromaque
Pepa Juan

Astyanay
Dario March








Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Palau de les Arts
Reina Sofia, Valencia

(Homepage)



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