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Don Giovanni

Oper in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Lorenzo Da Ponte
Prager Fassung
(mit Einschüben Nr. 10a Arie des Don Ottavio
und Nr. 21b Recitativo et Aria der Donna Elvira)
 

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln von Miron Hakenbeck und Stephan Kimmig

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 45 Minuten (eine Pause)


Premiere am 31. Oktober 2009 an der Bayerischen Staatsoper München
Bayerische Staatsoper

Bayerische Staatsoper
(Homepage)

Verladen und verkauft

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl

Es gehört auch in seiner zweiten Spielzeit zur Programmatik des neuen Münchner Opernchefs Klaus Bachler, bewährte Opernstoffe von Schauspielregisseuren neu befragen zu lassen. Dabei ist die winkende Erfolgsrendite hoch, kann man sich doch, wenn es klappt, als Entdecker und Wegbereiter der Erneuerung feiern lassen. Wenn man aber keinen so sensiblen (Beinahe-)Opernneuling wie Andreas Kriegenburg zur Verfügung hat, ist allerdings auch das Risiko des Scheiterns deutlich höher als üblich.

Vergrößerung in neuem Fenster Container, nichts als Container

Nun ist Mozarts „Don Giovanni“ ein Brocken, mit dem man sich für ein Operndebüt als Regisseur eigentlich nur überheben kann. Wenn der dann zur Spielwiese für szenische Mutwilligkeiten wird, die obendrein allzu oft auch noch handwerklich klemmen, dann nützt auch eine radikale Großmetaphorik nichts. Kimmigs Ehefrau, Katja Haß, hat Großcontainer auf die Drehbühne und da noch mal auf separate Schienen gewuchtet, die nur so mit Bedeutung drohen, aber dann doch kaum wirklich Sinnstiftendes zur Erhellung dieser exemplarisch nächtlichen Szenerie beitragen. Diese Container drehen sich immer wieder allesamt oder verschieben sich einzeln untereinander. Sie werden geöffnet, um Spielorte zu markieren. Man kann aber auch einfach darin verschwinden. Das macht zumindest oberfläch Sinn, wenn sich Don Giovanni bei der Party mit Zerlina dorthin verdrückt. Das wirkt hilflos, wenn Leporello Donna Elvira einfach dort verschwinden lässt, um bei der Registerarie nicht gestört zu werden. Das ist offenkundig sinnlos, wenn Don Giovanni am Ende des ersten Aktes vor der versammelten Mordlust seiner Gegner dorthin flieht. Nähme sich das ernst, wäre die Oper hier schon zu Ende. Denn hier säße er wirklich in der Falle. 


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Schnee für alle

Vorher hätte er sich zumindest schon mal die Knochen brechen können, denn wenn nicht Donna Elvira aufgekreuzt wäre, dann wäre er wohl mit jener Zerlina, die ihm, wie gewünscht, die Hand tatsächlich willig gereicht hatte, vom Dachcontainer auf die Europaletten ganz unten gesprungen.

Bei der Party zum ersten Aktfinale gibt’s den Schnee dann nicht nur fürs dekadente Näschen, sondern gleich als Motto für einen Event mit Pinguinen vor einer arktischen Landschaftstapete. Da kann sich dann auch niemand mehr wundern, wenn es Masetto und Zerlina im Lumpencontainer treiben und der Friedhof zum Schlachthaus wird, in dem die toten Viecher baumeln. Dass man den verkleideten Leporello in einem verdunkelten Raum mit angekokelten Wänden bis auf die Unterhose auszieht und malträtiert, gehört eher in die Rubrik der plakativ konventionellen Fluchtversuche Kimmigs aus der „Don Giovanni“- Falle, in die er geraten ist. Sie endet in einer Fernsehküche, in der Don Giovanni und Leporello mit Schwung eine Kleinigkeit für ihren späten Gast zusammenbrutzeln. Hier tritt der Komtur als Kardial auf. Hinter ihm marschieren, Händchen haltend, Ordnungsmächte in Ornat sowie bürokratischer und militärischer Uniform auf. Das ist selbst für den smarten Hobbykoch zu viel und er erleidet einen Herzschlag. Wenn dann nach dem kurzen, ziemlich lustigen Treffen alle Übriggebliebenen gegen eine Wand aus eben diesen Ordnungshütern anrennen und abprallen, dann ist es längst zu spät, um daraus für die Inszenierung noch etwas zu machen.  


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Don Giovanni mit dem Hackebeilchen

Kimmigs Versuch, sich an den großen Libertin einer vorbürgerlichen Unbedingtheit, vielleicht ja auf den Spuren von Peter Sellers oder Calixto Bieito, aus dem diffus intellektuellen Halbdunkel der nachbürgerlichen Auflösung anzuschleichen und ihn so zu kriegen, endet im Changieren der Klischees. Sein Don Giovanni hat hier viele Masken: vom Aussteiger über den Westentaschenmafioso und schmalzigen Popsoftie im Goldanzug und mit blonder Tolle bis zum smarten Hobbykoch. Aber er hat nicht mal einen angekränkelten Kern, der sich greifen ließe, einen, der wirklich faszinieren, abstoßen oder überhaupt nur interessieren könnte. Selbst der als Don Giovanni versierte, markant profilierende und bewegliche Bariton Mariusz Kwiecien kann diese konzeptionelle Leerstelle nicht auffüllen. Sie strahlt auch auf den wendig und körperlich wie stimmlich präsenten Alex Esposito als Leporello aus, der ihm beim Kochen schließlich zum Verwechseln ähnlich sieht und bis dahin auch schon mal das mit den Füßen stampfende Machomännchen geben muss. Während Levente Molnár als Masetto und die klangschöne Laura Tatulescu solide, aber in der Gestaltung farblos blieben, nutzt einzig Pavol Breslik die Chance, seinen Don Ottavio als eine halbwegs nachvollziehbare Figur durch den szenischen Klamauk zu manövrieren.


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Leporello der Kumpan

Ellie Dehn als von Anfang an in trauerndem Schwarz auftauchende, leicht überforderte Donna Anna und die mit Tramper-Rucksack auf Turnschuhfüssen über die Europaletten stiefelnde, etwas scharfe Donna Elvira von Maija Kovalevska jedenfalls enttäuschen obendrein auch stimmlich. Eine weitere Enttäuschung des Abends kommt aus dem Graben. Dort geht ein eher routinierter als inspirierter Kent Nagano mit dem Bayerischen Staatsorchester störend oft andere Wege als das Ensemble auf der Bühne. Was der alte Mann nun eigentlich soll, der die ganze Zeit über in wechselnden Kostümen (von Adam bis Revuegirl) durch die Szene geistert, erschließt sich bis zum Ende nicht so recht. Da sitzt er dann nackt und gedankenverloren an einer Containerkante und spielt mit zwei kleinen Windrädern. Vielleich ist er ja ein Alter Ego des Regisseurs?


FAZIT

In München ist der Don Giovanni szenisch und diesmal leider auch musikalisch, von einigen vokalen Lichtblicken abgesehen missglückt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Regie
Stephan Kimmig

Bühne
Katja Haß

Kostüme
Anja Rabes

Video
Benjamin Krieg

Licht
Reinhard Traub


Chor
Andrés Máspero

Dramaturgie
Miron Hakenbeck

Rezitative (Hammerklavier)
Mark Lawson


Bayerisches Staatsorchester

Chor der
Bayerischen Staatsoper

Solisten

Don Giovanni
Mariusz Kwiecien

Der Komtur
Phillip Ens

Donna Anna
Ellie Dehn

Donna Elvira
Maija Kovalevska

Leporello
Alex Esosito

Don Ottavio
Pavol Breslik

Zerlina
Laura Tatulescu

Masetto
Levente Molnár

Alter Mann
Ekkehard Bartsch


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bayerische Staatsoper
(Homepage)




Da capo al Fine

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