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Wenn die große Sonne fehlt
Von Joachim Lange
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Fotos von Andreas H. Birkigt
Diese Übernahme der Hannoveraner Produktion nach Leipzig ist der Beitrag der Oper zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution. Es ist eine von mehreren, noch geplanten Übernahmen von Konwitschny-Inszenierungen an das Haus, an dem er jetzt Chefregisseur ist: Luigi Nonos (1924-1990) Musiktheater-Zweiteiler mit dem poetischen Titel Al gran sole carico d' amore. 1975 uraufgeführt ist das Stück eine Herausforderung der besonderen Art, weil es den kämpferischen Gestus eines bekennenden Kommunisten mit der Radikalität einer modernen Klangästhetik und Form vereint, die bewusst mit den Konventionen des ererbten Musiktheaters brechen wollte.
Zu Wort kommen vor allem Frauen aus dem Umfeld der Pariser Commune von 1871, der russischen Revolution von 1905, aus Castros Cuba oder der Arbeitskämpfe in Norditalien. Entgegen der musikalisch szenischen Vorgabe versuchen Peter Konwitschny und sein Ausstatter Helmut Brade, den Text- und Gedankenbruchstücken zu szenischer Klarheit zu verhelfen und mit den Mitteln eines realistischen Musiktheaters beizukommen. Bei Konwitschny beginnt es ganz fragend naiv mit den kleinen Menschen im großen All. Kinder mit Träumen und einer weiße Fee, wie im Märchen. Die Opfer im Kampf für die Utopien liegen schon zu Beginn in den Holzsärgen. Alle Versuche des Aufbegehrens, die sie dann freilich nach ihrem Aufwachen auf Geheiß einer märchenhaften Fee der Geschichte unternehmen, scheitern jedoch. Im zweiten Teil wird der Raum, in dem sie denken, leben und lieben wollen immer enger. Die hohen Mauern bewegen sich unerbittlich aufeinander zu. Und beim Herniedergehen des Eisernen Vorhangs sieht man, wie Panik ausbricht zwischen den Menschen, denen nicht nur die große Sonne abhanden gekommen ist.
Eine Vision, die vor Ort zum Glück nicht eingetroffen ist.
Bei Konwitschny wird aus Nonos fragmentarischer Nichthandlung der Versuch einer Rekonstruktion des Gewesenen. Um selbst zu schlussfolgern, versteht sich. Selbstständig denken das ist das, was auf den Flugblättern steht, die Gorkis Mutter zu verteilen versucht. Das ist auch Konwitschnys unverblümt direkte Aufforderung an Alle. Zum Mitnehmen findet sich nämlich so ein Zettel in jedem Programmheft. So ganz verloren, scheint der Regisseur, der zuweilen auch schon mal mit seinem Geschichtspessimismus kokettiert, die Welt - oder zumindest den denkenden Menschen - denn doch noch nicht zu geben. Und vor zwanzig Jahren hat es ja draußen vor der Tür der Leipziger Oper zum Glück ganz anders funktioniert als bei Konwitschny auf der Bühne!
Das Leipziger Publikum feierte einhellig ein grandioses Ensemble: Johannes Harneit und das Gewandhausorchester, die eindringliche Frauenriege (Marika Schönberg, Kathrin Göring, Soula Parassidis, Tanja Andrijic und Iris Vermillion), den Chor und den Regisseur.
Nach der historischen Distanz, mit der sich Katie Mitchell in Salzburg Nonos szenisch Aktion bei den Salzburger Festspielen in der Felsenreitschule näherte (unsere Rezension), setzt Konwitschnys reaktivierte und exakt neu einstudierte Inszenierung bewusst auf deren politische Intention, die sich einmischen will. In Leipzig gerät das in einen interessanten Diskurs mit dem Anlass der Inszenierung.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Tongestalter
Choreinstudierung
Dramaturgie
Tania Bunke /
Die Mutter
Pavel, ihr Sohn
Thiers /
Favre /
Eine Fee
Haydée Santamaria /
Sizilianischer Auswanderer
Kommunarde/
W.I. Lenin
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