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Premiere im Opernhaus des Staatstheaters Kassel am 13.
Februar 2010 Sie
haben eine lange und
schwere Geschichte. Man hat sie gefeiert und verflucht, geliebt und
gehasst, bejubelt
und ausgebuht und sich immer wieder mit den Schlüssel- und
Reizwörtern des
Textbuches schwer getan. Dabei liefern Richard Wagners „Meistersinger
von
Nürnberg“ nicht ansatzweise den Sprengstoff, den ihnen die
Rezeptionsgeschichte
aufgehalst hat – wenn man den Text genau liest und der Musik ebenso
genau
zuhört. Die großen Clowns der
Vergangenheit wurden hier gefeiert. Der Vorhang ist nur noch ein
Fetzen, die
Fotographien sind vergilbt, die Kostüme verschlissen, die
Requisiten zerbrochen.
Die Sitzkisten tragen Aufkleber, die Strahlung oder Verstrahlung
symbolisieren.
Ist hier eine größere Katastrophe geschehen? Obwohl die
Baustelle vom
Nachtwächter regelmäßig kontrolliert wird, treffen sich
hier heimlich die
Freunde der alten Poesie auf den Trümmern ihrer Kunst (selbst dem
„Singestuhl“
fehlt ein Bein). Eine Versammlung wurde einberufen. Einer steht
Schmiere. Versuch einer Begleitmusik
In der Ausnüchterungszelle: Am nächsten Morgen
findet sich Sachs in einer Ausnüchterungszelle wieder – ganz
realistisch ohne
Gürtel und ohne
Schnürsenkel, aber mit seinen Regelbüchern. Spätestens
hier darf nicht
unerwähnt bleiben, dass der Schuhmacher eine ausgeprägte
Leidenschaft für
Hochprozentiges hat, ohne dabei heruntergekommen zu wirken. Er macht eher den
Eindruck eines Intellektuellen, der
sich überfordert fühlt und glaubt, den Anforderungen nur mit
Hilfe des Alkohols
gerecht werden zu können. Die
Schnapsflasche ist das
einzige, was er dem Präsentkorb entnimmt, den sein Auszubildender
David bei
seinem Besuch in den Bau mitbringt. Sachs und Stolzing
werden freigelassen, das Lied bekommt seinen Namen – für den sich
allerdings
nur Sachs interessiert. Die beiden Paare (David und Lene, Eva und
Stolzing)
kümmern sich beim Absingen des Taufgesangs nur um das Wesentliche:
um sich. Inzwischen
ist die
Clown-Kultur in aller Welt wieder auferstanden und man versammelt sich
unter
dem restaurierten, zur Flagge stilisierten alten Vorhangrest, um sich
zu
feiern. Die mitgebrachten Koffer dienen nicht nur als
Sitzgelegenheiten, sie
bergen auch die eigenen Clownskostüme und können daher nicht
im Hotel gelassen
werden. Ein neuer Vorhang nach altem Muster wurde hergestellt. Es
erscheinen –
viel bejubelt – die großen Clowns der Geschichte. Durch seinen
unplanmäßigen
Aufenthalt unter dem Dach des Gesetzes, kommt Sachs zu spät zum
Kongress, wird
aber mit einem gewaltigen Geburtstagslied begrüßt. Er ist
wer in dieser Gesellschaft
– und auch, wenn er in seinem Kostüm als der tragisch-traurige
Clown erscheint,
bleibt er doch der einflussreiche Drahtzieher. Stolzing (Erin Caves), Wolfgang
Brendel bringt
als hochrangiger Gast viel Erfahrung mit. Er hat den Sachs bis ins Mark
durchdrungen und steht auch stimmlich auf dem sicheren Grund, der ihn
die hier
geforderte außergewöhnliche Charakterzeichnung wie
selbstverständlich
darstellen lässt. Und das macht ihm ganz offensichtlich auch
Vergnügen. Der
Schuster lebt. Und wie! Und er singt. Und
wie! Trauriger Clown: Hans Sachs (Wolfgang Brendel) Espen
Fegran verleiht
dem Beckmesser die Mitleid erregende Verzweiflung eines sich
benachteiligt
fühlenden Mittelständlers. Er ist sich nicht zu schade, seine
üppigen
stimmlichen Mittel der Interpretation zu unterwerfen und sich vom
kultiviert
singenden Regelverwalter zum psychisch und körperlich gebrochenen
Mann zu
entwickeln. Dabei würzt er die Partie zuweilen ganz reizvoll mit
einem leichten
Sprachfehler. Nicht
als ein Evchen,
sondern als selbstbewusste Eva lässt Sara Eterno ihren kraftvollen
Sopran mit
stählernem Glanz strahlen. Tobias Schabel brilliert mit
Stimmkultur als
Kothner. Ausgiebig lässt Mario Klein seinen Bass als Pogner
dröhnen. Johannes
An ist ein schon recht männlicher David, was der Partie durchaus
bekommt und
sie sogar etwas aufwertet. Lona
Culmer-Schellbachs dunkel-gaumig timbrierte
Magdalene hat als Nachbarin auch stimmlich den Hauch einer
kupplerischen Frau
Marthe. Ungemein
individuell gestalten die „kleinen“ Meister ihre
Partien,
jeder darstellerisch und stimmlich ein Unikum. Diese
Inszenierung ist
eigenwillig, aber exakt und klug, ja ausgesprochen geistreich
gearbeitet. Die Qualität liegt im Detail, der große
Rahmen lässt Fragen offen. Ob’s
gefällt oder nicht muss jeder selbst entscheiden. Lang oder gar
langweilig wird
der Abend jedenfalls nicht - auch, weil auf hohem Niveau gesungen wird. Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühnenbild Kostüme Dramaturgie
Kinderchor
Cantamus Konzertchor
Kassel Mitglieder der
Kantorei Statisterie des
Veit Pogner Kunz
Vogelgesang
Konrad
Nachtigall
Sixtus
Beckmesser
Fritz
Kothner
Balthasar
Zorn
Ulrich
Eisslinger
Augustin
Moser
Hermann
Ortel
Hans
Schwarz
Hans
Foltz
Walther
von
Stolzing
David
Eva
Magdalene
Ein
Nachtwächter
Weitere
Informationen
Die
Meistersinger
von
Nürnberg
Oper in drei Aufzügen
von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten
Aufführungsdauer: 6 Stunden (zwei Pausen)
Staatstheater Kassel
(Homepage)
Die
Rückkehr der Clowns
Von Bernd
Stopka / Fotos: Dominik Ketz
Hier zunächst der Versuch
einer Inhaltsangabe:
Etwas
heruntergekommen
erscheint man im Alltagsdress mit Gitarre und Aktentasche. Der
Protokollführer
singt die Regeln und begleitet sich dazu auf seinem Instrument. Das
Ritornell
spielen alle mit. Mit einer
langatmigen, von den anderen zunächst
unbeachteten Ansprache
lobt Herr Pogner
seine
Tochter als Preis für einen Wettstreit aus. Ein Bewerber, der der
Geheimgesellschaft beitreten möchte, um den Preis zu gewinnen,
fällt mit seinem
Song durch – die anderen wollen ihn auf ihren Instrumenten begleiten,
scheitern
aber, weil er sich nicht an ihre Regeln hält. Dem Regelrichter
Beckmesser
platzt beinahe der Schädel unter den Kopfhörern, denn der
Gesang wird als Beleg
auf Band genommen. Die Fehler streicht er auf einer wahrhaftigen
Schiefertafel
mit Kreide an. Ausgerechnet jetzt fängt es auch noch an zu regnen.
Stolzing
lässt eine weiße Taube fliegen, bevor er flüchtet und
die anderen in ihren
Trümmern einsperrt, in dem er den Bauzaun verschließt.
Einzig der Schuhmacher Sachs
hat die Chance erkannt, dass das Alte durch Neues (wieder)belebt werden
könnte.
Im Innenhof der Mietskaserne
Hans
Sachs (Wolfgang Brendel)
Eine
überbordende Fülle
von Ideen bereichert und ergänzt die Handlung. Keine
tiefsinnbeladene
Textstelle bleibt unbeachtet, keine ironische Bemerkung verpufft
unbemerkt. Wenn
Stolzing im zweiten Akt singt „Die Alte ist’s“ richten sich die Blicke
zwar auf
die verkleidete Eva – doch eine Treppe höher wirft ihm Magdalene
für diese
Bemerkung einen zickig-bösen Blick zu. Worte, die ansonsten
„für sich“
gesprochen werden, richten sich konkret an Menschen. „Da ist er
bös’, wenn er
nicht spricht“ – singt David zum Gefängniswärter. Und immer
wieder richtet
Sachs seine Weisheiten direkt an das Publikum.
Andererseits vermeidet
der Regisseur jede Spur von pathetischer Emotionalität. Es
erscheint
einleuchtend, dass Sachs seine Taufrede nachhaltig ins Publikum singt,
während
die anderen Protagonisten ihn überhaupt nicht beachten, sondern
erst einmal die
neuesten Neuigkeiten austauschen. Aber das während des Quintetts
ein Kind auf
der Bühne aktiv wird, sich verkleidet und die Wand mit einer
Clownszeichnung
bemalt, das zeugt von einer Unterminierung oder Verweigerung des
musikalischen
Genusses, für die es im Laufe des Abends immer wieder Beispiele
gibt.
Eva (Sara Eterno)
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Meinung
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Produktionsteam
Patrik Ringborg
Lorenzo Fioroni
Paul Zoller
Katharina Gault
Klaus Figge
Chor
Marco Zeiser Celesti
Licht
Albert Geisel
Ursula Benzing
Staatsorchester Kassel
Opernchor und Extrachor
des Staatstheaters Kassel
Kirchditmold
Staatstheaters Kassel
Solisten
Hans
Sachs
Wolfgang Brendel
Mario Klein
János Ocsovai
Geani Brad
Espen Fegran
Tobias Schabel
Adrian Cave
Jürgen Appel
Jörn Lindemann
Sebastian Kroggel
Krzysztof Borysiewicz
Dieter Hönig
Erin Caves
Johannes An
Sara Eterno
Lona Culmer-Schellbach
Igor Durlovski
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