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Das Wunder der Heliane

Oper in drei Akten von Erich Wolfgang Korngold

Text von Hans Müller-Einigen
Frei nach dem Mysterium “Das Heilige”
von Hans Kaltneker

Aufführungsdauer: ca. 3 ½   Stunden (eine Pause)
Premiere am 10. April 2010

Rezensierte Aufführung: 20. April 2010

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Koproduktion mit den Nationaltheater Brünn (Národni Divadlo Brno)

Homepage des Badischen Staatstheaters Karlsruhe

 Pfalztheater Kaiserslautern

(Homepage)

 

Ein Liebestod zu zweit

Von Christoph Wurzel / Fotos von Hans-Jürgen Brehm-Seufert


Erich Wolfgang Korngold fand ja seine eigentliche Bestimmung in der Filmmusik, auch wenn - oder gerade weil er zuvor mit einigen Opern zwischen den beiden Kriegen sehr erfolgreich gewesen war. Für die Musik zu Abenteuerstreifen aus Hollywood ist er immerhin mit 2 Oscars belohnt worden, seine übrige Musik aber sank schon zu seinen Lebzeiten zur Bedeutungslosigkeit herab. Das änderte sich, wenn auch nur partiell, erst viele Jahre nach seinem Tod. Einigermaßen verankert im Repertoire ist heute von seinen Opern nur „Die tote Stadt“ und sein Violinkonzert. Seine Kammermusik allerdings ist so gut wie nie zu hören.

Ein regelrechter Nimbus aber umgibt seine Oper  „Das Wunder der Heliane“, die Korngold selbst als sein bedeutendstes Werk empfand. Nach erfolgreicher Uraufführung in Hamburg 1927 verschwand es noch vor der Verfemung Korngolds als „Entarteter“ durch die Nazis schnell wieder von den Spielplänen. Der Konkurrenz mit der damals avantgardistischen Opernästhetik eines Ernst Krenek mit seinem „Jonny spielt auf“ (auch von 1927) war der konservativ spätromantisch orientierte Korngold nicht gewachsen. Seine „Heliane“ lag dann Jahrzehnte in den Archiven, bis sie Ende der 8oiger Jahre in Bielefeld ihre Wiederentdeckung erlebte. Nach weiterer langer Wartezeit gibt es nun wieder ein „Wunder der Heliane“ zu sehen und zu hören: am Pfalztheater in Kaiserslautern in einer Koproduktion mit dem Opernhaus in Brünn, der Geburtsstadt Korngolds.

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Mehr als begeistert von einander:
Dem Fremden (Norbert Schmittberg) i
st Heliane (Sally du Randt) im Gefängnis erschienen.


An realistischen Maßstäben gemessen ist die Handlung dieser Oper aberwitzig, als Stoff für die Traumfabrik allerdings taugt sie durchaus. Sie spielt in einem Reich, dessen Herrscher seinen Untertanen mit eiserner Strenge jegliche Freude und Lust verbietet. Seine Gattin Heliane hat sich ihm daher bisher auch verweigert. Ein „Fremder“, der als eine Art Prophet der Lebenskunst das Volk beglücken will, landet dafür im Gefängnis. Als ihn Heliane dort besucht, geraten beide in Verzückung. Was allerdings genau passiert, bleibt nur angedeutet. Vielleicht ist es auch nur eine platonische Liebe der höheren Art. Ihr Gatte jedoch vermutet  Schlimmeres, Ehebruch. Heliane wird vor  Gericht gestellt und der Fremde ersticht sich. Nach dem Willen des Herrschers kann Heliane ihren Tod nur durch ein Gottesurteil abwenden. Nur die Wiedererweckung des Toten würde ihre Unschuld beweisen. Nun aber bekennt Heliane erst recht,  den Fremden zu lieben und genau deswegen geschieht das Wunder: Der Fremde steht von den Toten auf.  In einem gemeinsamen Verklärungstod gehen anschließend beide in die Gefilde der ewigen Liebe ein, während der Herrscher in seinem Reich der Kälte und Grausamkeit zurückbleiben muss.

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Ein Gottesurteil muss her:
Der Herrscher (Mitte: Derrick Lawrence)
und die gelähmten Richter (von links: Eric Erlandsen,

Hubertus Bohrer, Michael McBride, Hans-Jörg Bock,
Miroslaw Maj, Roland Goroll und Jung-Baik Seok)


Aus nahe liegenden Gründen also hat Johannes Reitmeier sich mit den Mitteln des Films dieser Geschichte genähert und sich dabei von der Bildsprache in Fritz Langs „Metropolis“ inspirieren lassen, im selben Jahr wie Korngolds Oper übrigens uraufgeführt. Das sagenhafte Reich in dieser Oper wird als ein totalitärer Industriestaat gezeigt, in der die gleichförmige Masse des Volkes von einem brutalen Herrschaftsapparat unterdrückt wird. Jede leise Regung des Gefühls wird als Widerstand niedergeknüppelt. Die herrschende Elite verschanzt sich in faschistisch anmutenden Räumen. Der  Brünner Intendant Daniel Dvorák hat dazu ein stimmiges Bühnenbild entworfen. Mystisches Geschehen wie die Erscheinung Helianes im Gefängnis, die  in einem gläsernen Schrein aus dem Bühnenboden emporsteigt, wird auch als rätselhaftes gezeigt. Züngelnde Flammen und aufragende Lichtsäulen verstärken als spektakuläre optische Effekte die filmische Wirkung, bis Reitmeier in der Auferstehungsszene ganz großes Kino bietet. So umgeht die Inszenierung die Peinlichkeiten der Handlung, indem sie ihnen die Sphäre der Phantasmagorie belässt.

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Futuristische Hexenverfolgung:
Von der Botin (links: Silvia Hablowetz)

angestachelt verlangt das Volk (Chor)

für Heliane (Sally du Randt) den Scheiterhaufen
(
Hintergrund: der Schwertrichter)

Den Umschwung von Konzertmusik und Oper zu Operettenbearbeitungen und Filmmusik mag Korngold seinerzeit aus vielerlei Gründen vollzogen haben, nicht zuletzt auch der gesicherten Verdienstmöglichkeiten wegen. Denn in Amerika war er wirtschaftlich schon erfolgreich, ehe die Nazis ihn ausbürgerten. Er fand in Kalifornien im Gegensatz zu manch anderen Exilanten ein komfortables Auskommen.

Doch auch ästhetisch war der Schritt vom Wunderkind, das immerhin von  Gustav Mahler und Alexander von Zemlinsky gefördert und dessen Musik von Bruno Walter und Otto Klemperer aufgeführt wurde, zum Gebrauchsmusiker am Broadway und in Hollywood nicht unlogisch. Korngolds Musik klingt auch gerade in seiner „Heliane“  sehr breitwandig, wuchert üppig mit den Mitteln der klanglichen Illustration und evoziert manch emotionale Aufwallung. Ein oft massiger Orchestersound breitet sich raumgreifend aus, die Instrumentation ist mal schillernd und flirrend, mal unheilvoll dräuend. Harfenarpeggien und Glöckchengeklingel wechseln mit düsterem Blechgeblase und tiefem Streichergründeln. Und stellenweise (orgelbegleiteter Engelschor) ist auch ein bisschen Kitschverdacht nicht von der Hand zu weisen. Im Vorspiel zum dritten Akt, der einzigen längeren rein orchestralen Passage, versucht sich Korngold ambitioniert am Mahlerschen Ton. Erreichen kann er ihn freilich nicht. Auch kaum in Reichweite steht der andere Pate: Richard Strauss.

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Auferstehung des „Fremden“ (Norbert Schmittberg)
durch die Liebe Helianes (Sally du Randt).


Es ist eine Musik, die für Sänger und Publikum gleichermaßen anstrengend ist und die aufzuführen schon einigen Einsatz verlangt. Und den kann man dem Pfalztheater durchaus bescheinigen. Mit Verve werfen sich Dirigent (GMD Uwe Sandner) und Orchester für das großformatige Opernwerk ins Zeug. Korngolds Musik gewinnt pralles Leben und glänzt in all ihrer Farbigkeit. Das Schwülstige wie das (eher selten) Zarte dieser Musik werden gleich hingebungsvoll zelebriert. Den Sängern wird dabei Übermäßiges abverlangt. Korngold scheint mehr an die Wirkung als an die Singbarkeit seiner Musik gedacht zu haben. Zwei lyrisch-dramatische Hauptrollen fordert die Oper. In Kaiserslautern steht die aus Südafrika stammende  Sally du Randt die Sopranpartie (Heliane) nicht nur glänzend durch, sondern hat noch die Kraft, ihre Stimme ausdrucksstark aufzufächern und von extremer Expression mühelos zum feinsten Pianissimo gleiten zu lassen. Eine Leistung, die jedes großen Opernhauses würdig wäre.

Nicht ganz mithalten kann der Tenor (Norbert Schmittberg als „Fremder“), der schon im ersten Akt mit Ermüdungserscheinungen zu kämpfen hat, in der Höhe pressen muss, dennoch aber mit schönem Timbre punktet und darstellerisch glaubwürdig agiert.

Der Opernbösewicht ist hier dem amerikanischen Bariton Derrick Lawrence zugefallen, der mit prächtigem Organ und gut kontrollierter Stimmgewalt Helianes Gatten gibt, einen autoritären Herrscher mit kalten, aber auch sentimentalen Zügen.

Unter den Nebenrollen treten vor allem Alexis Wagner als menschliche Wärme ausstrahlender Gefängnisschließer und Silvia Hablowetz in der Rolle der hasserfüllten, demagogisch Gewalt antreibenden  „Botin“ hervor.

Fazit

Die Geschichte ist wegen ihrer Vieldeutigkeit als Opernstoff ergiebig und in dieser Inszenierung recht reizvoll geboten. Auch ein Einstieg von der psychologischen Seite wäre denkbar und könnte in einer weiteren Inszenierung durchaus interessieren. Bei der Musik kann es einem aber gehen wie nach dem Genuss eines zu schweren Likörs: Es kann zu Kopfschmerzen kommen.

Dass man in Kaiserslautern dieses  Werk trotz seiner deutlichen Schwächen ernst nimmt und mit großem Engagement auf die Bühne stellt, verdient großen Respekt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Uwe Sandner

Regie
Johannes Reitmeier

Bühne
Daniel Dvorák

Kostüme
Thomas Dörfler

Licht
Manfred Wilking

Choreinstudierung
Ulrich Nolte

Dramaturgie
Susanne Bieler

Orchester des Pfalztheaters

Chor des Pfalztheaters

Statisterie des Pfalztheaters


Solisten
* Alternativbesetzung

Heliane
Sally du Randt

Der Herrscher, ihr Gemahl
Derrick Lawrence

Der Fremde
Norbert Schmittberg

Die Botin
Silvia Hablowetz
/ Susanne Schimmack*

Der Pförtner
Alexis Wagner

Der Schwertrichter
Hans-Jörg Bock*
/ Peter Floch

Der junge Mensch
Alexandru Popescu

Sechs Richter
Jung-Baik Seok
Michael McBride
Roland Goroll
Hubertus Bohrer
Eric Erlandsen
Miroslaw Maj

Die seraphischen Stimmen
Elena Laborenz
Galina Putitseva

Damen des Hauschores



Weitere Informationen
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Pfalztheater Kaiserslautern
Karlsruhe

(Homepage)

Da capo al Fine

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