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Ein Liebestod zu zweitVon Christoph
Wurzel / Fotos von Hans-Jürgen Brehm-Seufert
Ein
regelrechter Nimbus aber umgibt seine Oper „Das
Wunder
der
Heliane“, die Korngold selbst als sein bedeutendstes Werk
empfand. Nach erfolgreicher Uraufführung in Hamburg 1927 verschwand es
noch vor der Verfemung Korngolds als „Entarteter“ durch die Nazis
schnell wieder von den Spielplänen. Der Konkurrenz mit der damals
avantgardistischen Opernästhetik eines Ernst Krenek mit seinem „Jonny
spielt auf“ (auch von 1927) war der konservativ spätromantisch
orientierte Korngold nicht gewachsen. Seine „Heliane“ lag dann
Jahrzehnte in den Archiven, bis sie Ende der 8oiger Jahre in Bielefeld
ihre Wiederentdeckung erlebte. Nach weiterer langer Wartezeit gibt es
nun wieder ein „Wunder der Heliane“ zu sehen und zu hören: am
Pfalztheater in Kaiserslautern in einer Koproduktion mit dem Opernhaus
in Brünn, der Geburtsstadt Korngolds.
An realistischen Maßstäben
gemessen ist die Handlung dieser Oper aberwitzig, als Stoff für die
Traumfabrik allerdings taugt sie durchaus. Sie spielt in einem Reich,
dessen Herrscher seinen Untertanen mit eiserner Strenge jegliche Freude
und Lust verbietet. Seine Gattin Heliane hat sich ihm daher bisher auch
verweigert. Ein „Fremder“, der als eine Art Prophet der Lebenskunst das
Volk beglücken will, landet dafür im Gefängnis. Als ihn Heliane dort
besucht, geraten beide in Verzückung. Was allerdings genau passiert,
bleibt nur angedeutet. Vielleicht ist es auch nur eine platonische
Liebe der höheren Art. Ihr Gatte jedoch vermutet Schlimmeres,
Ehebruch.
Heliane
wird vor Gericht
gestellt und der Fremde ersticht sich. Nach dem Willen des Herrschers
kann Heliane ihren Tod nur durch ein Gottesurteil abwenden. Nur die
Wiedererweckung des Toten würde ihre Unschuld beweisen. Nun aber
bekennt Heliane erst recht, den Fremden zu
lieben und genau deswegen geschieht das Wunder: Der Fremde steht von
den Toten auf. In einem gemeinsamen
Verklärungstod gehen anschließend beide in die Gefilde der ewigen Liebe
ein, während der Herrscher in seinem Reich der Kälte und Grausamkeit
zurückbleiben muss.
Ein
Gottesurteil
muss
her:
Aus nahe liegenden Gründen also
hat Johannes Reitmeier sich mit den Mitteln des Films dieser Geschichte
genähert und sich dabei von der Bildsprache in Fritz Langs „Metropolis“
inspirieren lassen, im selben Jahr wie Korngolds Oper übrigens
uraufgeführt. Das sagenhafte Reich in dieser Oper wird als ein
totalitärer Industriestaat gezeigt, in der die gleichförmige Masse des
Volkes von einem brutalen Herrschaftsapparat unterdrückt wird. Jede
leise Regung des Gefühls wird als Widerstand niedergeknüppelt. Die
herrschende Elite verschanzt sich in faschistisch anmutenden Räumen. Der Brünner Intendant Daniel Dvorák hat dazu ein
stimmiges Bühnenbild entworfen. Mystisches Geschehen wie die
Erscheinung Helianes im Gefängnis, die in
einem gläsernen Schrein aus dem Bühnenboden emporsteigt, wird auch als
rätselhaftes gezeigt. Züngelnde Flammen und aufragende Lichtsäulen
verstärken als spektakuläre optische Effekte die filmische Wirkung, bis
Reitmeier in der Auferstehungsszene ganz großes Kino bietet. So umgeht
die Inszenierung die Peinlichkeiten der Handlung, indem sie ihnen die
Sphäre der Phantasmagorie belässt.
Futuristische Hexenverfolgung: Von der Botin (links: Silvia Hablowetz) angestachelt verlangt das Volk (Chor) für Heliane (Sally du Randt) den Scheiterhaufen (Hintergrund: der Schwertrichter) Den Umschwung von Konzertmusik und
Oper zu Operettenbearbeitungen und Filmmusik mag Korngold seinerzeit
aus vielerlei Gründen vollzogen haben, nicht zuletzt auch der
gesicherten Verdienstmöglichkeiten wegen. Denn in Amerika war er
wirtschaftlich schon erfolgreich, ehe die Nazis ihn ausbürgerten. Er
fand in Kalifornien im Gegensatz zu manch anderen Exilanten ein
komfortables Auskommen. Doch auch ästhetisch war der
Schritt vom Wunderkind, das immerhin von Gustav
Mahler
und
Alexander von Zemlinsky gefördert und dessen Musik von Bruno
Walter und Otto Klemperer aufgeführt wurde, zum Gebrauchsmusiker am
Broadway und in Hollywood nicht unlogisch. Korngolds Musik klingt auch
gerade in seiner „Heliane“ sehr
breitwandig, wuchert üppig mit den Mitteln der klanglichen Illustration
und evoziert manch emotionale Aufwallung. Ein oft massiger
Orchestersound breitet sich raumgreifend aus, die Instrumentation ist
mal schillernd und flirrend, mal unheilvoll dräuend. Harfenarpeggien
und Glöckchengeklingel wechseln mit düsterem Blechgeblase und tiefem
Streichergründeln. Und stellenweise (orgelbegleiteter Engelschor) ist
auch ein bisschen Kitschverdacht nicht von der Hand zu weisen. Im
Vorspiel zum dritten Akt, der einzigen längeren rein orchestralen
Passage, versucht sich Korngold ambitioniert am Mahlerschen Ton.
Erreichen kann er ihn freilich nicht. Auch kaum in Reichweite steht der
andere Pate: Richard Strauss. Auferstehung des „Fremden“ (Norbert
Schmittberg)
Nicht ganz mithalten kann der Tenor
(Norbert Schmittberg als „Fremder“), der schon im ersten Akt mit
Ermüdungserscheinungen zu kämpfen hat, in der Höhe pressen muss,
dennoch aber mit schönem Timbre punktet und darstellerisch glaubwürdig
agiert. Der Opernbösewicht ist hier dem
amerikanischen Bariton Derrick Lawrence zugefallen, der mit prächtigem
Organ und gut kontrollierter Stimmgewalt Helianes Gatten gibt, einen
autoritären Herrscher mit kalten, aber auch sentimentalen Zügen. Unter den Nebenrollen treten vor
allem Alexis Wagner als menschliche Wärme ausstrahlender
Gefängnisschließer und Silvia Hablowetz in der Rolle der hasserfüllten,
demagogisch Gewalt antreibenden „Botin“
hervor. Fazit
Die Geschichte ist wegen ihrer
Vieldeutigkeit als Opernstoff ergiebig und in dieser Inszenierung recht
reizvoll geboten. Auch ein Einstieg von der psychologischen Seite wäre
denkbar und könnte in einer weiteren Inszenierung durchaus
interessieren. Bei der Musik kann es einem aber gehen wie nach dem
Genuss eines zu schweren Likörs: Es kann zu Kopfschmerzen kommen. Dass man in Kaiserslautern dieses Werk trotz seiner deutlichen Schwächen ernst
nimmt und mit großem Engagement auf die Bühne stellt, verdient großen
Respekt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Regie Bühne Kostüme Licht Choreinstudierung Dramaturgie Chor des Pfalztheaters Statisterie des Pfalztheaters
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2010
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Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
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