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Musiktheater
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Kiss Me, Kate


Musical Comedy in zwei Akten
Buch von Samuel und Bella Spewack
Gesangstexte und Musik von Cole Porter
Deutsche Textfassung von Susanne Felicitas Wolf
Neue Orchestration von Don Sebesky (Broadway 1999)
Eine Produktion der Komischen Oper Berlin


Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 30. Dezember 2009


Besuchte Aufführung: 15. Januar 2010

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Oper Köln
(Homepage)

Kate ist schlecht zu hören

Von Thomas Tillmann / Fotos: gibt's nicht

Einer der größten Musicalerfolge der letzten Jahre an deutschen Bühnen war zweifellos Barrie Koskys Neuinszenierung von Cole Porters Kiss Me, Kate, die im Mai 2008 an der Komischen Oper Berlin herauskam und bereits eine Woche später von 3sat ausgestrahlt wurde; auf den Tag genau 61 Jahre nach der Uraufführung am Broadway hatte die Produktion ihre Kölner Premiere und geriet auch hier zu einem rauschenden Erfolg, der sich auch in der besuchten sechsten Vorstellung wiederholte (auch wenn man bereits merkte, dass die länger werdenden Pausen zwischen den fünfzehn Vorstellungen der Konzentration der Mitwirkenden und besonders der Präzision in der Ausführung der Choreografie schaden - das ist bei diesem Genre nun einmal ein Manko, kommerzielle Häuser können en suite spielen).

Es gelingt Barrie Kosky und seinem Ausstatterteam, mit immer wieder neu arrangierten Kisten, Leitern und Garderobentischen ziemlich echt wirkende Backstage-Atmosphäre aufkommen zu lassen, und ich finde es auch eine überzeugende Idee, Fred und Lilli als alte Showhasen im - sagen wir - Herbst ihrer wechselvollen Karrieren zu präsentieren. Und so nimmt Kosky eigentlich auch jeder Kritik an den schrillen Revueszenen und dem wenig überzeugend bewältigten Shakespeare-Dialogen die Spitze: Das Ensemble, dem wir hier zuschauen, ist eben kein Weltklasseteam, sondern ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der, um die nächste Miete und die nächste Flasche Schnaps bezahlen zu können, im netten, aber doch ein gutes Stück vom Broadway entfernten Baltimore eine Musical-Version von Der Widerspenstigen Zähmung vom floperfahrenen, sich selbst überschätzenden Fred Graham auf die Bühne bringt, deren Autoren eben nicht die grandiosen Spewacks und Cole Porter sind.

Von den großen, hinreißenden, wirklich einfallsreich choreografierten Showszenen, den detailverliebten Paillettenkostümen in Wild-West-Optik, den schrillen, aber exzellent gemachten Travestie-Make-ups, den bunten Bärten, der vielen nackten männlichen und auch weiblichen Haut werden die intimeren Momente der Vorlage allerdings so stark überlagert, das sie weitgehend untergehen - trotz der Bedenklichkeit, ein mit so viel menschlichem Leid konnotiertes Wort zur Beschreibung einer Show zu benutzen, hat der Kölner Stadt-Anzeiger nicht Unrecht, wenn er von einem "Tsunami aus Lichtreflexen, Farben und Bewegungsimpulsen" spricht. Bei der "Mischung aus venezianischem Karneval, LSD-San-Francisco-Drag-Happening, Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und der Muppet-Show", die Kosky auf die Bühne bringen wollte, ist meines Erachtens das Ehedrama nicht nachhaltig genug ins Spiel gebracht worden, aber welche Inszenierung schafft es schon, alle Aspekte einer Vorlage angemessen zu berücksichtigen? Der Australier, der 2010 Intendant der Komischen Oper wird, hat eine weitgehend unterhaltsame, temporeiche, auch im Detail präzis durchdachte, wirklich erotische und auch in den technischen Abläufen gut funktionierende Alternative zu den klischeehaften West End- und Broadwayproduktionen gewagt, die ihre Berechtigung und ihre Meriten hat und ganz sicher auch am Rhein für das nächste halbe Jahr the "hottest gay ticket in town" ist, das die meisten Kriterien von Susan Sontags camp-Definition erfüllt.

Und doch fehlte zum ganz großen Musicalglück ein ganz wesentliches Element. Ich bin kein Technik- und Akustikfachmann, aber was Volker Wassmann da an Sounddesign verantwortete, war nichts weniger als eine Frechheit: Durch das Ausleihen einer kompletten Erfolgsinszenierung hatte man doch ohnehin auf eine kostenfreundliche sichere Nummer gesetzt (was an sich ja nicht falsch ist), da hätte man zumindest in Sachen Beschallung nicht solch eine fatale Sparentscheidung fällen dürfen, die eine Zumutung für die Mitwirkenden ist, die sich, ausgestattet mit schwachen, nicht im Geringsten mit dem Orchestersound abgestimmten Microports, mehr als nötig abstrampeln müssen, um über die Rampe zu kommen, wie für das Publikum, das vieles von den Dialogen und den Songtexten (in modernisierter deutscher Textversion, die ich besser fand als viele andere, wenngleich ein paar englische Songs auch ein konservatives Publikum im Musical doch inzwischen akzeptiert) nicht oder nur unzureichend verstehen kann. Natürlich ist ein auf der Bühne präsentes Orchester auf einer Art Showtreppe eine optisch faszinierende Idee, für die Musiker akzeptabel kann sie aber nur sein, wenn der Kontakt untereinander und zum Dirigenten durch Audio- und Videomonitore durchgängig gegeben ist (und wenn sie nicht für unnötige Enge bei den aufwändigen Tanzszenen sorgt). Der Erfolg einer Musicalproduktion hängt nun einmal auch vom guten Ton ab, das hätte die Intendanz der Kölner Oper wissen und entsprechende Technik zur Verfügung stellen müssen, die aber nun einmal nicht für kleines Geld zu haben ist.

Zentrum und Star der Aufführung ist fraglos Dagmar Manzel, die seit dreißig Jahren auf der Bühne steht, eine exzellente, wandlungsfähige, intensive Schauspielerin ist, die sich selbst gern als Komödiantin beschreibt und in den letzten Jahren auch das Singen für sich entdeckt hat (davon zeugt ihre witzige Theaterlieder-CD "Ich bin ein Wesen leichter Art"; neben der Kate hat sie in Potsdam sogar die Rosalinde in der Fledermaus gegeben, da runzelt der Rezensent dann allerdings doch die Stirn). Und natürlich ist sie großartig mit ihrem irrwitzigen Tempo, der guten Portion Kodderschnauze und Selbstironie, mit den 15 verschiedenen Stimmen, die sie aktivieren kann, eine überdrehte Schreckschraube mit viel Herz, eine Rampensau, die diesen durchaus respektvoll gemeinten Titel mehr als verdient, die aber mitunter einfach zu viel macht und gibt und die mir persönlich in den wenigen ruhigen Momenten am besten gefällt.

Claudio Otelli kannte man bisher als Heldenbariton mit bemerkenswerter Karriere (in den offiziellen Bios lässt er sich als Bassbariton bezeichnen, das konnte ich angesichts der matten Tiefe an diesem Abend so gar nicht nachvollziehen), ich selber mochte seinen Scarpia in Frankfurt nicht und hörte bei seinem Fred das wieder, was mich schon damals störte: "Immer dann, wenn die Stimme an natürliche Grenzen kam, forcierte der Wiener seinen nicht besonders voluminösen Bariton bis hin zu tonlos-rauhem Brüllen ..., was mir nach kürzester Zeit immens auf die Nerven ging - ein paar wenige mezza-voce- und Pianoversuche konnten von diesem zentralen Negativum nicht ablenken." Ganz so arg fielen die angesprochenen Probleme bei dieser nicht allzu fordernden Partie natürlich nicht auf, aber es blieb unklar, ob der über weite Strecken angeschlagene Opernton ironisch wirken sollte oder der Interpret, der auch darstellerisch an Grenzen kam und mitunter ein wenig steif wirkte, eben doch keine wirkliche Eignung fürs Musicalfach hat.

Sigalit Feig bediente mit nicht mehr ganz frischer, tremolierender Musicalröhre alle Klischees einer vulgär-lasziven, einfältig-berechnenden Lois Lane, Robin Poell war ein Bill der delektablen Optik und des jungenhaften Charmes mit bemerkenswerter Step-Kompetenz, die höher ist als seine gesanglichen Fähigkeiten. Christian Hante und Silvano Marraffa waren als Gremio und Hortensio attraktive Konkurrenz um Lois' Herz, Rainer Wöss und Andreas Glaesmer (mit bemerkenswerter Höhe am Ende der dritten Reprise von "Schlag nach bei Shakespeare", immerhin soll er 2010 vor dem Berliner Reichstag den Florestan in einem Open-air-Fidelio singen!) brachten als Ganoven neben der Manzel rauhen Berliner Charme an den Rhein, und in den wenigen Momenten seines Auftretens beherrschte natürlich mit vokaler wie körperlicher Präsenz Theater-des-Westens-Urgestein F. Dion Davis als bizarrer General Howell die Szene. Das Ensemble der Kölner Oper der letzten Jahrzehnte repräsentierten Ulrich Hielscher als seriös komischer Baptista und Andrea Andonian als diskrete Hattie, Raphael Wittmer vom Kölner Opernstudio und Norbert Hermanns als Inspizient komplettierten das Solistenensemble, wobei man die Nebenrollen in anderen Inszenierungen schon etwas individueller gezeichnet gesehen hat. Anteil am Erfolg des Abends hatten natürlich auch die Damen und Herren des Chores, die neben den vorzüglichen Tänzern die Bühne füllten und offenkundig Spaß an ihren Aufgaben hatten, das Gürzenich-Orchester Köln (verstärkt um eine kompetente Rhythmusgruppe, aus der Andy Pilger am Drumset herausstach, der die Dialoge mit vielen Effekten aufpeppte) hatte in Koen Schoots, der ab 2010 Musikdirektor und Chefdirigent bei den Vereinigten Bühnen Wien wird, einen erfahrenen, seriösen Leiter, der für viel Swing sorgte und die Fäden trotz der geschilderten unglücklichen Bedingungen sicher in den Händen hatte.


FAZIT

Großer Jubel für eine Musicalproduktion, die neue Wege geht und zweifellos hohen Unterhaltungswert hat, trotz der gemachten Einschränkungen vor allem im Bereich des Tones. Für Herz, Romantik, leisen Witz und Melancholie, die eben auch zu Musicals dieser Generation und zu diesem speziell gehören, ist in Barrie Koskys überrumpelnd-schriller Revue indes kaum Platz.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Koen Schoots

Inszenierung
Barrie Kosky

Szenische
Einstudierung
Anisha Bondy

Choreografie
Otto Pichler

Bühne
Klaus Grünberg

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Licht
Franck Evin

Sounddesign
Volker Wassmann

Chor
Alexander Kral

Dramaturgie
Ingo Gerlach


Statisterie der Oper Köln

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln

Rhythmusgruppe:
Andy Pilger (Drumset)
Christian Kiefer (Gitarre)
Konstantin Krell (Bass)
Thomas Loup (Klavier)


Solisten

Lilli Vanessi/Katharina
Dagmar Manzel

Fred Graham/Petruchio
Claudio Otelli

Lois Lane/Bianca
Sigalit Feig

Bill Calhoun/Lucentio
Robin Poell

Erster Ganove
Rainer Wöss

Zweiter Ganove
Andreas Glaesmer

Harrison Howell
F. Dion Davis

Gremio
Christian Hante

Hortensio
Silvano Marraffa

Harry Travour/Baptista
Ulrich Hielscher

Paul,
Garderobier
Raphael Wittmer

Hattie,
Garderobiere
Andrea Andonian

Ralph,
Inspizient
Norbert Hermanns

Tanzensemble
Axel Baer
Friedrich Bührer
Daniella Foligno
Anne Hamann
Christian Hante
Jesco Himmelrath
Robert Johansson
Silvano Marraffa
Nora Pichette
Eleonora Talamini
Katarina Trinkewitzova
Rachel Waters

Artist
Lukas Johannes Aue


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





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