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Zerlina hat den Hut aufVon Roberto Becker / Fotos von Jörg LandsbergSo sexy, wie jetzt in Bremen, kommen die Opfer Don Giovannis nicht oft auf die Opernbühne. Aber was heißt hier Opfer. Im Grunde machen sich Donna Anna und Zerlina ziemlich offensiv an diesen mit Ringen bestückten Macho im weißen Anzug (mit gut konditionierter Wucht: Juan Orozco) heran. Donna Elvira sowieso. Die sucht, wenn sie mit hochgeschlagenem Kragen, Sonnenbrille und Reisetasche via Parkett anreist, erst mal im Zuschauerraum nach dem Typen, mit dem sie noch eine Lebensrechnung offen hat. Was sein Chef, so jedenfalls übersetzen die Übertitel von Dramaturg Hans-Georg Wegner dieses Dienst- bzw. Kumpan-Verhältnis, so getrieben hat, das hat Leporello jedenfalls alles in seinem iPhone gespeichert. Die Bildershow, die George Stevens von diesem Gerät aus während seiner exzellent gesungenen Register-Arie auf eine Garagenwand zaubert, formt Frauenporträts zu den jeweiligen Landkarten: Hundert in Frankreich und in Spanien Tausend und Drei. Elvira inklusive. Naja - klappern gehört halt zum Handwerk. Rollenspiel der besonderen Art: Leporello und Don GiovanniWirklich verletzt und getroffen freilich ist auch diese selbstbewusste Donna Elvira, als sich Leporello als Don Giovanni ausgibt. Die Leidenschaft für Giovanni ist ihre persönliche Obsession, zu der sie sich bekennt. Die Maskerade aber, der sie ausgeliefert wird und der sie auf den Leim geht, ist in ihren Augen Missbrauch. Den versuchen auch Donna Anna und Zerlina dem Verführer anzuhängen. Denn in Bremen beginnt die Geschichte in der etwas tristen Bar, mit der Christian Wiehle des Ein-Stern-Hotels DG Star ausgestattet hat, mit einem einvernehmlichen Quicky, zu dem sich Giovanni und Anna auf ein Zimmer im ersten Stock zurückziehen. Als das irgendwie nicht so läuft und Giovanni sich verziehen will, kommt ausgerechnet der alte Herr im Bademantel in die Quere. Im Handgemenge bekommt der nicht nur einen Herzanfall, sondern offenbar auch einen blutigen Treffer von Giovannis Spazierstock, so dass der bassgewaltige Jose Gallisa am Ende wie tot liegen bleibt. Zerlina und Don Gionvanni Von da an spielt Donna Anna (mit eleganter Intensität: Sara Hershkowtitz), ziemlich offensichtlich und konsequent, nicht nur Don Ottavio (mit kraftvollem Tenor: Luis Olivares Sandoval), sondern auch allen anderen und sich selbst die Rolle der trauernden Tochter vor. Eine, die freilich auch im schwarzen Witwen-Outfit schick aussieht und jede Menge Bein zeigt. Zerlina ist gleich ohne jede Hemmung in ihren knallengen Glitzer-Jeans und einem locker sitzenden Top. Dass diese Braut für den gutmütig trottligen Masetto (Alberto Albarrán) und seine Hollywoodschaukel neben dem Würstchengrill ein paar Nummern zu scharf und lebenshungrig ist, macht Nadine Lehner von Anfang an, auch stimmlich höchst überzeugend, klar. Dem Jungen steht zwar ein aufregendes Liebesleben bevor, er kann einem aber schon am Tag seiner Hochzeit leidtun. Trubel vor dem HotelIn der Zeit, in die Andrea Moses ihren Don Giovanni projiziert hat, ist die Faszination des männlichen Verführers nur noch ein Klischee seiner selbst. Mühsam aufrechterhalten von einem Pelzhändler mit Playboy-Attitüde, bei dem das Fest eine Verkaufsshow für seine Pelze ist, die vom Catering ausgestattet wird. Das wirkliche Viva La Liberta stimmen zwar die Verführer an, doch es ist längst auf die körperliche Ausstrahlung einer bis ins gänzlich Skrupellose emanzipierten Zerlina übergegangen. Sie hat denn auch am Ende Don Giovannis Hut auf. Was man wohl durchaus als Gleichnis verstehen darf. Diese Perspektivenverschiebung ist bei Andrea Moses eine lustvolle Komödie, wo die faszinierend präzise Personenführung stets durch die Musik beglaubigt wird. Manchmal bis in den Klamauk hinein übersteigert, meistens aber hintergründig. Da können sich weder Liebespathos noch Todesnähe ungebrochen entfalten. Weil in dieser Welt die gute alte, Missetaten rächende Hölle keinen Platz hat, muss die Bühnengeschichte ihren eigenen Schluss produzieren. Also taucht der Komtur wieder auf, attackiert Don Giovanni direkt und legt ihm sogar eine Pistole auf den Tisch. Was den natürlich nicht beeindruckt. Eher schon, dass es dann Leporello ist, der (in vorauseilendem, opportunistischem Affekt) auf seinen Chef schießt. Als dem Verletzten dann eine Truppe von Biedermännern mit Baseballschlägern den Garaus machen will, da greift Giovanni dann doch zur Pistole und erschießt sich. Worauf sich seine drei anwesenden Verehrerinnen an der schönen Leich zu schaffen machen. Mit Wiederbelebungsversuchen und dann mit einem Streit um ein Andenken. Jedenfalls um die, die der stets umsichtig kassierende Leporello noch übrig gelassen hat. Drei Witwen: Donna Anna, Zerlina und Donna Elvira Im letzten Lichtspot grinst uns dieser Don Giovanni aber noch mal an. Vielleicht ist da ein endlich Ruhe? Oder ein mal sehen, was jetzt kommt? im Blick - es ist jedenfalls der komödiantische Schlusspunkt hinter einen Abend, der vom Bühnencharisma eines äußerst spielfreudigen Ensembles profitierte. Und der auch stimmlich mit einem hohen Niveau glänzte, wobei sich die fulminant bewegliche Nadine Lehner als Zerlina und die intensiv gestaltende Nadja Stefanoff als Donna Elvira einen kleinen Vorsprung sicherten. Markus Poschner und die Bremer Philharmoniker verliehen dem Abend nicht nur dramatischen Drive, sondern zusätzlich Reiz durch einige von nachgebauten historischen Instrumenten beigesteuerte, sinnlich raue Klangfarben.
Andrea Moses hat dem vorzeitig aus dem Amt scheidenden Bremer General-Intendanten Hans-Joachim Frey jedenfalls, nach ihrer Zaide/Adama-Inszenierung, zum zweiten Mal, einen veritablen Erfolg verschafft. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreographie
Chöre
Dramaturgie
Solisten
Don Giovanni
Donna Anna
Don Ottavio
Komtur
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
Sandrina
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- Fine -