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Undeutliche Raum- und Zeiterkundungen
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Pedro Malinowski
Musik vom Anfang und vom vorläufigen Ende der Operngeschichte: Mit Claudio Monteverdi beginnt das Musiktheater, mit Morton Feldman hört sie zwar keineswegs auf, ist aber in unserer Zeit angekommen, ganz grob wenigstens, denn Neither von 1976/77 ist inzwischen auch schon stattliche 30 Jahre alt. Eine Opernzeitreise über 400 Jahre unternimmt da das Musiktheater im Revier (MiR) anlässlich seines 50. Geburtstages mit der Zauberflöte als Hauptwerk, mit dem auch die Sanierung des Großen Hauses gefeiert wird, und der Gegenüberstellung von Monteverdi und Feldman in der benachbarten Kirche St. Georg. Hierhin war das MiR während der sanierungsbedingten Schließung des Großen Hauses ausgewichen (siehe dazu unsere Rezension von Manon Lescaut). Es spricht für die künstlerische Potenz des Theaters, dass diese Raumsituation nicht als Notlösung, sondern durchaus auch als Chance für andere Formen des Theaters wahrgenommen wurde.
Der wabernde Titel Unsprechbares Zuhause (dem Text zu Neither entnommen) für diese Gegenüberstellung ist allerdings wenig hilfreich und dennoch passend, weil sich darin eine Unbestimmtheit niederschlägt, von der die Produktion durchzogen ist. Der klassischen Oper, vertreten durch die Zauberflöte, wird hier zunächst der Tanz als künstlerische Ausdrucksform entgegengestellt und der nimmt durch das Ballett Schindowski ja ebenfalls einen hohen Stellenwert am MiR ein. Die tänzerische Inszenierung mehrerer musikalischer Szenen von Claudio Monteverdi ist hier der jungen Choreographin Annett Göhre anvertraut. Neben dem Combattimento di Tancredi e Clorinda, einem dramatischen Zweikampf aus der Kreuzritterzeit zwischen zwei Liebenden, die sich nicht erkennen, stehen das berühmte Lamento d'Arianna, ein Klagegesang über unglückliche Liebe, eine Szene aus der Krönung der Poppea und schließlich das Lamento della ninfa, ebenfalls ein Gesang über unglückliche Liebe. Tod und Liebe also als ewig wiederkehrendes Thema. Tänzerisch fällt der Kampf der Geschlechter allerdings denkbar harmlos aus, ist im unverbindlich Ästhetischen angesiedelt und durchaus schön anzusehen. Annett Göhre bespielt brav die T-förmige Bühne, um die das Publikum wie um einen Laufsteg herumsitzt. Weil nicht schlecht getanzt wird, ist das alles sehr gefällig, mehr aber auch nicht. Noriko-Ogawa-Yatake, E. Mark Murphy, William Saetre, Alfia Kamalova, Joachim G. Maaß und Anke Sieloff singen sehr ordentlich, das begleitende Instrumentalensemble dürfte noch etwas schärfer konturiert spielen.
Für Neither wird der Raum umgebaut, die Bühne steht nun zwischen dem Publikum auf der einen und dem Orchester auf der anderen Seite dabei wird die Bühne praktisch nicht benötigt. In der Mitte hängt ein dünner Vorhang, durch den hindurch man schemenhaft das Orchester und die ausgesprochen klangschöne Sopranistin Alexandra Lubchansky sehen kann. Auf den Vorhang wird während des gesamten etwa einstündigen Stückes ein Video projeziert, aufgenommen mit den Tänzern des Ballett Schindowski. Neither ist ein stilles, quasi handlungsloses Stück in der Nähe der Minimal Musik, mit kaum entwicklungsfähigen Klangfeldern das widerspricht in der Konzeption dem dramatischen Gestus der Oper, und diese Reduzierung auf ein Minimum an Aktion spiegelt sich auch in dem Schwarz-Weiß-Video von Andreas Etter wieder. Die Tänzer wirken in weißen Hemden und dunklen Pullovern ein bisschen wie Internatsschüler, aber viel mehr wird an Handlung auch nicht deutlich. Der Schwebezustand zwischen Aktion und Nicht-Aktion ist durchaus eingefangen, viel eigene Poesie entwickeln die Bilder allerdings nicht. So wirkt Neither zwar stärker als die Lamenti, hat aber ebenfalls einen Hang zu unverbindlicher Gefälligkeit. Und ob die besondere Raum-Zeit-Situation nun durch diese beiden Werke nun ausgelotet wurde? Eine besondere Spannung aus dem Nebeneinander von alter und neuer Musik stellt sich nicht ein, und auch die Besonderheit des Raumes drängt sich nicht eben auf als künstlerisches Problem. So plätschert die Produktion unaufgeregt vor sich hin, alles ganz hübsch zwar, aber nicht sehr aufregend und weitgehend austauschbar.
Ohne zwingendes künstlerisches Konzept bleibt der Spannungsbogen zwischen alter und neuer Musik reichlich flau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Choreographie
Kostüme
Video
Dramaturgie
SolistenIl Combattimento diTancredi e Clorinda Clorinda Noriko Ogawa-Yatake
Testo
Tancredi
Arianna
Ottavia
Sopran
Tenor
Tenor
Bass
Sopran
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