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Vom Naturgold zur Geldwirtschaft Von
Christoph
Wurzel / Fotos von Monika
Rittershaus Auf
einen
neuen Ring in Frankfurt wartete man sehnlich; nicht allein, weil
die gegenwärtige Qualität des Hauses hohe Erwartungen
regelrecht
herausfordert, sondern auch, weil seit der letzten Präsentation
von
Wagners Tetralogie in Frankfurt 15 Jahre vergangen sind. Es waren immer
ihre besten Jahre, in denen die Frankfurter Oper mit den Realisierungen
des Ring des Nibelungen geradezu Epoche gemacht hat: Ende der achtziger
Jahre durch Ruth Berghaus (Regie), Axel Manthey (Ausstattung) und
Michael Gielen (musikalische Leitung) sowie Mitte der Neunziger durch
Axel Wernicke (Regie und Ausstattung) und Sylvain Cambreling
(Dirigent). Nun
begann mit der Premiere des Rheingold ein neues Ring-Projekt,
das in den Händen des Frankfurter GMDs Sebastian Weigle, der
bulgarischen Regisseurin Vera Nemirova und des Bühnenbildners Jens
Kilian liegt. Die übrigen Ring-Teile werden in den beiden
kommenden Spielzeiten bis Januar 2012 erarbeitet werden. Die hohen
Erwartungen sind nicht nur nicht enttäuscht worden, sondern mit
diesem
Rheingold ist ein verheißungsvoller Anfang gesetzt worden, der
auf eine
geschlossene Interpretation des gesamten Ringzyklus hindeutet und
die Ungeduld auf das Werden des Ganzen nur noch steigert. (Katharina Magiera, Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt) Alberich (Jochen Schmeckenbacher) Am
Anfang
ist nur Bild und Ton. Im gänzlich dunklen Opernsaal hebt die
Musik mit dem Es-Dur-Akkord wie aus dem Nichts an. Langsam, im blauen
Dämmerlicht, wird auf der Bühne eine Wasserfläche
sichtbar, die, von
Tropfen aus der Höhe sacht bewegt, sich in Wellenbewegungen
allmählich ausbreitet. Fasziniert wird man im Theatersessel Zeuge
eines
musikalisch-szenischen Schöpfungsaktes. Wenn sich allmählich
die
Rheintöchter aus der Mitte der Tiefe erheben, hat sich die
Fläche in
ein weiches ineinander Schwingen konzentrischer Ringe
aufgelöst.
Das wunderbare Bild lässt gleichsam die Tiefe des Rheines wie die
Weite
des Kosmos assoziieren. Die Elemente bestimmen auch im weiteren Verlauf
das Geschehen. So wie die bewegten Scheiben den Rücken der Erde
bilden,
erlauben sie den Blick in deren Tiefe nach Nibelheim. Und Loge, der
Herr des Feuers, schwebt auf einer Schaukel vom Bühnenhimmel ein
und
entschwindet am Schluss auch wieder in den Lüften. Allein seiner
weiträumigen Szenerie wegen ist dieser Vorabend schon ein Genuss.
Sie
wird sicherlich auch die weiteren Teile bestimmen und lässt Raum
für
phantastische weitere Handlungsentwicklungen. In Nibelheim mit bösen Absichten
angekommen: Kein
Konzept
hat Vera Nemirova mit ihrer Inszenierung dem Werk
übergestülpt
und keine Aktualisierungen an den Haaren herbeigezogen. Aber eine von
heutigen Erfahrungen geprägte Interpretation des Mythos ist
dennoch
schon zu erahnen – vis-á-vis zu den Finanz-Kathedralen
hier in
Frankfurt. Wenn Alberich zu Beginn auftaucht, erscheint er wie ein
biederer Geschäftsmann, im schwarzen Anzug, den er aber bald
ablegt, um
sich den lockenden Gespielinnen zu nähern. Erst ist das Gold noch
von
reiner Natur, durch die Mehrwertschöpfung auf dem Rücken
seiner
beherrschten Nibelungen wird es sich bald zu schnödem Mammon
akkumuliert haben. Leinerne Geldsäcke werden Alberich von Wotan
und
Loge abgezwungen, mit denen Freias auf den Boden gemalte Konturen
ausgelegt werden, um den Riesen ihren Lohn abzumessen. Dass
aber
die Göttergesellschaft ihrerseits, deren vermeintliche Macht und
Sicherheit auf dem Raub des aus gestohlenem Gold erwachsenen Geldes
beruht, mit dem sie ihre Dienstleister, die Riesen, bezahlt haben, auch
dem Verfall preisgegeben ist, zeigt das eindrückliche Schlussbild:
Wotan, Fricka und ihre Gesellschaft reihen sich langsam ins Publikum
ein und werden die Unsrigen. Im Saal wird es ein wenig heller, sie
nehmen in den Proszeniumslogen Platz, prosten sich mit Champagner zu
und verachten zynisch das Klagen der Rheintöchter. Oben auf einer
der
erhöhten Bühnenscheiben starren, um Jahre gealtert, ihre
Doubles
verwirrt und verängstigt vor sich hin. „Ihrem Ende eilen sie zu“,
weiß
ja der hellsichtige Loge. Gefragt ist schon hier nicht mehr: ob,
sondern die Spannung lenkt sich auf das Wie ihres Untergangs. Und das
werden die drei weiteren Abende erzählen. So schlüssig, behutsam und in organisch entwickelten Bildern die Szene gebaut war, so gestaltete Sebastian Weigle die Rheingold-Musik zu einer monumentalen Sinfonie von der Urmusik des Beginns bis zum fragwürdigen Pathos des Einzugs nach Walhall. Kleine Trübungen im Orchester an diesem besuchten Abend beeinträchtigten das insgesamt glänzende Spiel des Museumsorchesters kaum. Es gelang vor allem ein geschlossen musikalisches Ganzes, dessen gleichsam epischer Duktus großartig wirkte und auch im Kleinen, in der Leuchtkraft der Stimmen und der Transparenz der Motive, feinsinnig ausgearbeitet war. Das
Sängerensemble beeindruckte mit außergewöhnlich klarer
Textartikulation. Die Einzelleistungen waren durchweg beeindruckend.
Terje Stensvold war darstellerisch wie sängerisch ein höchst
präsenter
Wotan. Als Fricka konnte Martina Dike ihm ebenbürtig parieren.
Einen
Alberich ohne mystische Düsternis, dafür aber mit
ausgefuchster
Berechnung gab Jochen Schmeckenbacher. Und als Mime sang und agierte
Hans-Jürgen Lazar mit
starker Wirkung. Glänzend die Leistung von Kurt
Streit als knallhart kalkulierender Loge. Gut spielten auch die beiden
Riesen (die durch ein paar weitere Statisten vervielfacht waren) ihre
Rollen aus: Alfred Reiter als verliebter Fasolt und Magnus Baldvinsson
als ebenso entschlossen wie brutal handelnder Fafner. Die
göttlichen
Geschwister Freia (Barbara Zechmeister), Froh (Richard Cox) und Donner
(Dietrich Volle) hatten ausgeprägt individuelle Züge. Die
Trias der
Rheintöchter (Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt, Katharina
Maniera)
war stimmlich schön aufeinander eingestellt und agierte elegant
und mit
Charme. Meredith Arwady thronte als Erda gluckenhaft in einem
Erdloch, umgeben von den noch kindlichen Nornen und sang Ehrfurcht
gebietend mit mütterlich mahnendem Ton. Beachtlich war
insgesamt,
wie die Sängerdarsteller der ausgefeilten Personenregie zu
szenischer
Wirkung verhalfen. FAZIT Man
weiß zwar nicht, wie das wird. Aber nach diesem viel
versprechenden
Vorabend könnte sich in Frankfurt ein außergewöhnlicher
Ring formen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische
Leitung Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Dramaturgie
Licht
Video
Solisten
Wotan Donner Froh Loge Alberich Mime Fasolt Fafner Fricka Freia Erda
Woglinde Wellgunde
Flosshilde
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