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zirkus furioso

Ein Kindermusical für alle Kinder unter 100
Text von Babette Dieterich und Peter Schindler
Musik von Peter Schindler

in deutscher Sprache

Uraufführung in der Kinderoper Dortmund am 12. Juni 2010

Aufführungsdauer: 70 Minuten (keine Pause)


Homepage

Theater Dortmund
(Homepage)
Großer Aufwand

Von Christoph Kammertöns / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture

Foto kommt später Sven Voss (Harry Houdini) und Kinderopernclub "Grüne Kröten"

Wollte man „Warten auf Godot“ für Kinder einrichten, käme man wohl beim zirkus furioso aus. Dauernd fehlt jemand, der eigentlich in diesem Moment auf der Bühne erscheinen müsste. Ob ‚Bella Stella' (Ariane Erbe als verführerische Assistentin) oder Tiger (in einer Vielzahl von Rollen wandelbar: Sven Voss) – ihnen und weiteren Zirkusbewohnern kommt immer etwas dazwischen. Klar, dass Adrian Kroneberger als Direktor durchgängig in Rage ist. Sein Geschäft ist die Schadensbegrenzung, was der Dumme August (Dominik Freiberger) natürlich grob hintertreibt.

Das Stück erscheint geradezu als Metapher des „Zu spät!“. Und alle Verspätungen werden aus der Anfangssituation geboren: Die Zirkusmitglieder schlafen einen Spinnweben überzogenen Dornröschenschlaf, aus dem der Dumme August sie nach Vorstellungsbeginn erst wecken muss. Immerhin, anders als bei Beckett lassen die Autoren des zirkus furioso – Babette Dieterich und Peter Schindler als kinderstückerprobtes Gespann – die Säumigen dann doch auftreten. Der Bär kehrt in sein Fell zurück, dem er aus Furcht vor einer Maus entsprungen war (oder sehen wir nur den Zirkusdirektor, der aus Verzweiflung selbst in die Bärenhaut schlüpft?). Und der entlaufene Tiger betritt die Manege pünktlich zum Schlussapplaus. Mit Bella Stella war er Eisessen, die Waffeln tragen beide noch in der Hand.

Foto kommt später

Christian Rütten (Signor Vulcano) und Ariane Erbe (Signorina Flamma)

Autoren und Regie, für die Alexander Becker seine Erfahrungen in der ‚richtigen' Dortmunder Oper auf die Kinderoper heruntergebrochen hat, verstehen es geschickt, die Unmöglichkeit, wirkliche Seiltänzer, Messerwerfer, Raubtiere usw. zu präsentieren, bühnentauglich umzuformen. Alle Beteiligten werfen sich mit Haut und Haar ins Spiel und finden immer wieder zu 'mal peppig, 'mal empfindsam angelegten Liedern über das Zirkusleben. Dabei dominieren virtuos Adrian Kroneberger und Dominik Freiberger den Abend als streitfreudige Antagonisten, die sich die Rolle des Conferenciers teilen. Der Direktor darf dabei als, wenigstens seinem Selbstverständnis nach, gesetztere Persönlichkeit die kultiviertere Gesangsstimme haben. Es war in diesem Sinne ein geschickter Zug, mit Kroneberger einen ebenso opern- wie musicalbewährten Sänger verpflichtet zu haben. Ebenbürtig steht ihm als weibliches Gegengewicht die Sopranistin Alishia Funken zur Seite. Und auch Dominik Freiberger überzeugt in der sängerischen Ausdeutung der Clownsseele.

Singen und spielen durchwegs alle Darsteller sehr engagiert, so sind als eigentliche Stars der Produktion die beteiligten Kinder hervorzuheben. Der Kinderchor "Die Zauberlehrlinge" und der Chor der Kirchhörder Grundschule erbrachten unterstützt von dem Kinderopernclub "Die grünen Kröten" eine sängerisch und spielerisch geradezu unglaubliche Leistung. Hier muss man sich einmal keine Sorgen um kulturell engagierten Nachwuchs machen.

Foto kommt später Dominik Freiberger (Der dumme August) und Ariane Erbe (Graziosa)

Ob das Stück bei Kindern übrigens wirklich gut ankommt, ließ sich bei der Premiere nur eingeschränkt sagen. Das Publikum bestand zum allergrößten Teil aus stolzen Eltern – die Kinder waren ja schon auf der Bühne. Der dreijährige Sohn des Kritikers wie auch sein Kindergartenfreund waren jedenfalls beeindruckt und sprachen noch am übernächsten Tag von den Begebenheiten in diesem wahrhaft furiosen Zirkus.
So weit, so gut.
Das Kind im Kritiker war indes über manches etwas ratlos. Bedarf ein Stück für Kinder wirklich der Verstärkung durch Mikroports? Wie glücklich ist die Wahl des Komponisten Peter Schindler, sich eines musikalischen Mischmaschs im Zeichen eines süffigen Musicalbreis zu bedienen? Muss es so laut, häufig hektisch und schauspielerisch manchmal überladen zugehen? Alle Fragen münden schließlich in der einen Frage: Braucht es all das, um Kinder zu beeindrucken?

Man muss nicht erst Maria Montessori ausgraben, um zu wissen, dass (normalisierte) Kinder mit wenigen treffenden und maßvollen Reizen zu fesseln sind, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen. Wenn die anvisierte Zielgruppe der Grundschulkinder heute unter dem Eindruck von Dieter Bohlen und Konsorten aufwächst (und auch schon recht gut weiß, was Daniel Craig im letzten James-Bond-Film an Action bietet), sollte das dennoch nicht zu dem Schluss führen, dass Kinder nicht ohne diese Aufregung zu gewinnen wären. Durchaus, der zirkus furioso bietet auch ruhige Nummern, u.a. die zärtlich tanzenden Elefanten (rührend: Henri Hoffmann und Martina Seese) und Dominik Freibergers sehr trauriges Lied eines sehr traurigen Clowns. Der Reizüberfluss setzt sich aber dennoch als bestimmender Eindruck fest.

Foto kommt später

Alishia Funken und Adrian Kroneberger sowie der Kinderchor der Kirchhörder Grundschule

Noch eindrucksvoller als dieses Musical wäre vielleicht eine sehr reduzierte, ‚echte' Kinderoper gewesen. Dass sich in Humperdincks Hänsel und Gretel – durch das mitnichten reduzierte Wagnersche Getöse zweifellos eigentlich keine Kinderoper – Kinderlieder finden, verdankt sich einer Einsicht ins junge Gemüt, die heute nicht falsch geworden ist. Zwar wachsen inzwischen viele der Kinder mit dem entstellenden Kinderliedsurrogat im Zeichen eines Rolf Zuckowski auf, es bliebe aber doch eine Herausforderung, sinngemäß auf die schlichte und gleichzeitig anspruchsvolle Schönheit eines „Geh aus mein Herz und suche Freud“ zu setzten. Oben beschriebene Vorzüge der Produktion bleiben dessen ungeachtet bestehen. Sie werden dadurch ergänzt, dass die (ebenfalls akustisch verstärkten) Musiker auf der Szene zu bestaunen waren. Michael Hönes leitete vom Klavier aus seine flexibel musizierenden Orchesterkollegen in der Minimalbesetzung Trompete, Bass und Schlagzeug.

Es steht zu hoffen und auch zu vermuten, dass diese Produktion viele Kinder ins Theater ziehen wird, die staunen, wie andere Kinder mit Herz und Hand singen und spielen. Es ist sicher das größte Verdienst insbesondere des Regisseurs Alexander Becker, aber auch der Chorleiter Christian Scheike und Johannes Knecht, dass sie es geschafft haben, den mitwirkenden Kindern diese Begeisterung zu stiften.

FAZIT

Ein eigentlich nicht ganz kindgerechtes Stück wird sicher viel Erfolg haben und punktet durch die gelungene szenisch-musikalische Einbindung zweier Kinderchöre und des hauseigenen Kinderopernclubs.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hönes

Inszenierung
Alexander Becker

Ausstattung 
Anna Hörling

Projektleitung und Konzept 
Johannes Knecht
Alexander Becker
Heike Buderus

Dramaturgie
Klaus Angermann


Kinderopernclub
"Die grünen Kröten"
(Leitung: Alexander Becker)

Kinderchor
"Die Zauberlehrlinge"
(Leitung: Christian Scheike)

Kinderchor der
Kirchhörder Grundschule
(Leitung:  Johannes Knecht)


Solisten

Der Dumme August
Dominik Freiberger

Der Zirkusdirektor
Adrian Kroneberger

Sopran
Alishia Funken

Bella Stella /Assistentin
Ariane Erbe

Fakir / Jack / Tiger / Vulcano / Houdini
Sven Voss

Die Elefanten
Henri Hoffmann
Martina Seese



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



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