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Musiktheater
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Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Premiere im Opernhaus Dortmund am 6. Dezember 2009

Aufführungsdauer: ca. 4h Stunden 45' (zwei Pausen)


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Theater Dortmund
(Homepage)
Kein Wunder

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas Jauk / Stage Picture

„Welch' seltsam Wunder“: Wenn der Chor den fremden Ritter begrüßt, der für die des Brudermordes bezichtigte Elsa im Gottesgericht kämpfen will, dann erscheint ein silbrig glänzendes Muskelpaket wie aus einem Comic, mehr Kampfmaschine als Held. Natürlich gewinnt er das Duell gegen Telramund, doch danach erweist er sich als ziemlich untauglicher Heilsbringer für eine militante Gesellschaft in grauen Fantasiekostümen. Als Liebhaber und Gatte ist er vollends ungeeignet. Ein wahrlich seltsames Wunder also, an das Regisseurin Christine Mielitz nicht glauben mag.

Foto kommt später Gerichtsverhandlung: Elsa (Susanne Schubert in Altrosa), umgeben von König Heinrich (Stephan Klemm, links), Telramund (Anton Keremidtchiev), Ortrud (Szilvia Rálik, hinten) und dem Heerrufer (Simon Neal, ganz rechts)

Angesiedelt ist die Geschichte irgendwo zwischen Fatasy, Science Fiction, Historiendrama und Gegenwart, ist also zeitlos, aber auch ein wenig verloren im tristen grauen Bühneneinerlei (Frank Fellmann) mit hohen Plexiglaswänden und beständigem Auf und Ab der Hebebühne. Auch die etwas umständlichen Kostüme (Renate Schmitzer) tragen nicht unbedingt zur Klärung bei. Vor allem aber macht die viel zu eindimensionale Zeichnung des Lohengrin die Geschichte unglaubwürdig – warum sollte Elsa dieses seelenlose Monstrum lieben und heiraten wollen? Auf dem Papier ist der Gedanke, den vermeintlichen Helden kritisch hinterfragen zu wollen, ja ganz plausibel, aber etwas differenzierter dürfte er dann doch dargestellt werden. Zumal durch diese plumpe Überzeichnung gerade das verloren geht, was die Inszenierung an anderen Stellen auszeichnet, nämlich der genaue und fein schattierte Blick auf die Personen. So sind Ortrud und Telramund keineswegs einfach nur böse, und der vielleicht bewegendste Moment der Inszenierung ist Ortruds Trauer um den getöteten Gatten. Genau das fehlt aber der Lohengrin-Figur.

Elsa ist kein ganz junges Mädchen mehr; mit hochhackigen Schuhen und kurzem Kleid (das erinnert ein wenig an die Regisseurin selbst) ist sie eine ziemlich moderne Frau, und ihr Verhältnis zu Ortrud, wo auch Bewunderung für die handlungsfähigere Rivalin mitzuschwingen scheint, bleibt ambivalent. Leider bleibt da manches nur unscharf angedeutet und wird vom bedeutungsschweren Kostümschinken erdrückt. So macht die Inszenierung trotz einiger schöner Momente nicht recht glücklich.

Foto kommt später

Was für ein Held: Lohengrin (Marco Jentzsch)

Glanzvoll ist aber die musikalische Seite. Ganz hervorragend spielen die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Jac van Steen, der sehr plastisch die unterschiedlichen Klangfarben der Partitur herausarbeitet, die den einzelnen Szenen ihre eigene Aura verleiht. Das Orchester setzt hier die Akzente und lässt doch immer den Sängern den Vorrang – und die sind hervorragend eingebettet in den sehr differenzierten, auch im Fortissimo nie harten Klang. Das alles ist sehr homogen, flüssig in den Tempi und in großen Spannungsbögen musiziert. Die zuletzt in der Region schier konkurrenzlosen Essener Philharmoniker sollten aufhorchen, welche Wagner-Konkurrenz ihnen da in unmittelbarer Nachbarschaft erwächst.

Marco Jentzsch in der Titelpartie lies sich vor der Premiere als indisponiert ankündigen. Die Verabschiedung des Schwans gelingt ihm mit seinem silbern-leichten, entmaterialisierten Tenor sehr schön, allem Irdischen entrückt. Die Stimme hat Glanz und Höhe, für die dramatischen Stellen scheint die Substanz dann aber doch etwas dünn – ganz ähnlich war der Eindruck bei Jetzsch' Kölner Debüt als Stolzing in den Meistersingern gewesen (unser Bericht). Die Indisposition dann aber doch schlimmer als zunächst angenommen: Im zweiten Aufzug erschien plötzlich Charles Kim, der mit Jentzsch in der Titelpartie alterniert, am Bühnenrand und sang fortan (erst zum dritten Akt reichte Regisseurin und Intendantin Christine Mielitz den Krankheitsbefund nach). Kim ist von völlig anderem Charakter, weniger ein „deutscher" als vielmehr ein „italienischer" Tenor, sehr viel erdverbundener als Jetzsch. Auch seine Stimme ist nicht übermäßig groß, hat aber Intensität (mit vergleichsweise starkem Vibrato), Standvermögen und Höhe. (In der Gralserzählung hätte man doch gerne den entrückten Klang von Marco Jetzsch gehört.)

Foto kommt später Düsteres Paar: Ortrud (Szilvia Rálik) und Telramund (Anton Keremidtchiev)

Vom Stimmcharakter recht ähnlich sind Susanne Schubert als Elsa und Szilvia Rálik – beides schlanke (aber nicht zu leichte), helle Stimmen. Hier soll nach Aussage des Dirigenten auch musikalisch die Nähe der beiden Frauen unterstrichen werden, was mehr szenisch als musikalisch (wo der reizvolle Kontrast zwischen einer „hellen" Elsa und einer „dunklen" Ortrud verloren geht) plausibel ist. Allerdings singen beide eindrucksvoll. Susanne Schubert hat ein betörendes, sehr intensives Pianissimo für Elsas ersten Auftritt, scheint zerbrechlich, entwickelt dann aber dramatisches Format. Szilvia Rálik ist eine agile, bewegliche Ortrud mit klar fokussierter, leicht scharfer (aber nicht greller) Stimme.

Foto kommt später

Kein uneingeschränktes Liebesglück: Lohengrin (Marco Jentzsch) und Elsa (Susanne Schubert)

Auf schlanke Stimmen setzt van Stehen auch bei den Männern. Etwas blass bleibt trotz sicherer Höhe und markanter Artikulation der Telramund von Anton Keremidtchiev, dessen Stimme ein wenig die klangliche Substanz fehlt. Stephan Klemm ist ein solider König ohne jede altväterliche Attitüde, Heinrich, Simon Neal nicht weniger überzeugend als Heerrufer; auch diese beiden Stimmen sind recht ähnlich. Mit großer Zuverlässigkeit singen Chor und Extrachor (Einstudierung: Granville Walker), mit weichem Klang in den Frauenstimmen, mitunter etwas eng und angestrengt im Tenor.

FAZIT

Musikalisch ein großer Wagner-Abend, dem auch die Indisposition des Lohengrin kaum etwas anhaben kann. Szenisch steht sich Christine Mielitz mit einem hölzernen Konzept leider selbst im Weg.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jac van Steen

Inszenierung
Christine Mielitz

Bühnenbild
Falk Fellmann

Kostüme
Renate Schmitzer

Chor
Granville Walker

Dramaturgie
Klaus Angermann


Chor und Extrachor des
Theater Dortmund

Statisterie des
Theater Dortmund


Solisten

* Besetzung der Premiere

Heinrich der Vogler
Stephan Klemm

Lohengrin
Marco Jentzsch
(1. Akt, spielt im 2. und 3. Akt)
Charles Kim
(singt im 2. und 3. Akt)

Elsa von Brabant
Susanne Schubert

Friedrich von Telramund
Anton Keremidtchiev

Ortrud, seine Gemahlin
* Szilvia Rálik /
Ji Young Michel

Der Heerrufer
Simon Neal

Vier brabantische Edle
Stephan Boving
Marco Spehar
Min Lee
Hans Werner Bramer

Edelknaben
Julia Amos
Lusine Ghazaryan
Vera Semieniuk
Maria Hilmes





Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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