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Geschlechtliche Zweideutigkeiten in eleganten Gewändern
Von Ursula Decker-Bönniger /
Fotos von Thomas Jauk / Stage Picture Da singt Countertenor Matthew Shaw als Caesar in vollmundig geschmeidigem Mezzosopran seine Rachearie, und doch ist seine Stimmlage tiefer als die seiner geliebten Cleopatra. Da zwingt Alon Harari als Ptolemäus in hellem Sopran die mit einem wohlklingenden Alt ausgestattete Susanne Schaeffer als Cornelia zur Liebe. Da übernimmt Sopranistin Maria Hilmes die Rolle des Sextus, Sohn der Cornelia, der schließlich - nach fehlgeschlagenem Attentat - den Mörder seines Vaters doch noch tötet. Und Caesar glänzt keineswegs nur als mutiger, keine Auseinandersetzung scheuender, siegreicher Feldherr, sondern als verletzbarer, den Sinnen und der Liebe frönender Held, während die nach barocker Auffassung männlichen Tugenden wie Entschlossenheit und Tatendrang meistens den weiblichen Protagonisten vorbehalten ist. Vor Cesars Büste: Ptolemäus (Alon Harari)Die gelungene, unterhaltsame, von Stilisierung und Reduktion lebende Dortmunder Inszenierung der Händel-Oper Julius Caesar in Ägypten von Lukas Hemleb vermittelt anschaulich dieses barocke Spiel mit geschlechtlichen Zweideutigkeiten und Ritualen. Abgesehen von Caesars Triumpharie nach der Ouvertüre die einleitende Chorszene wurde gestrichen - , wo der mit goldenem Lorbeerkranz gekrönte Held plakativ vor blutroten Wänden als Sieger in weißem Anzug erstrahlt, tragen die Männer immer neue Variationen von Seiden gewirkten, asiatisch anmutenden, taillierten, langen Jacken. Diener bzw. Soldaten sind in schwarze, an Rüstungen erinnernde Gewänder gekleidet, ebenso sind die Dienerinnen in schwarzen Kleider und Schleier gehüllt. Cleopatra verführt Caesar als Doris Day-Imitation, trägt je nach Aussageabsicht auch goldene Brustpanzer und erstrahlt schließlich in barocker Kostümpracht, als Caesar ihr das Zepter überreicht. Entschlossen: Julius Cesar (Matthew Shaw) Kunstvoll spielt das von Roland Aeschlimann geschaffene Bühnenbild mit Formprinzipien von Rund und Eckig, meist warmen Farbtönen, Licht- und Schattenwirkungen. Mal verkleinern die überdimensional hohen, schlichten, runden, drehbaren Wand-Elemente den Bühnenraum zu einem stilisierten, in seinen runden Formen schützend wirkenden Innenraum, mal geben dieselben mit Fensteröffnungen versehenen Wandteile den Blick in eine hohle, perspektivisch angeordnete Gasse frei, immer erschließen sich dem Betrachter neue Raumgestalten und perspektiven. Wenn dann noch Maria Hilmes im Schutz einer überdimensionalen, den Vater symbolisierenden Schattenfigur in freudiger Erregung in der Arie Svegliatevi nel core das Rachemesser zückt, scheinen Worte überflüssig. Cleopatra (hier: Christina Rümann)Auch musikalisch überzeugte die Aufführung unter der umsichtigen Leitung Motonori Kobayashis. Das Klangbild der Kammerbesetzung der Dortmunder Philharmoniker ist weich und transparent. Die Affektgestaltung wurde nicht nur in Tempo und Dynamik aufgegriffen, sondern ebenso in differenzierter Artikulation und Phrasierung. Susanne Schaeffer gestaltet die trauernde Cornelia mit warmer, klangvoller Tiefe und dynamisch variierenden, großen Legatobögen. Der lyrische, schlank geführte Sopran von Maria Hilmes stellt wunderbar den freudig erregten, Rache lüsternen, jugendlichen Sextus dar. Bezaubernd ist nicht nur das Duett der beiden Frauenstimmen am Ende des 1.Aktes, Ptolemäus Alon Harari führt auch überzeugend den Regieeinfall aus, im Da-Capo die gefesselte und zum Schweigen verurteilte Cornelia zu demütigen, indem er ihren lyrischen Trauergesang genaustens imitiert. Auch würzt der ansonsten eher hell timbrierte Countertenor seine Rache-Arie mit kleinen Schleifern und rhythmisch akzentuierten Koloraturen. Cornelia (Susanne Schaeffer) und Sextus (Maria Hilmes, vorne) Countertenor Matthew Shaw begeistert die Zuhörer, mit geschmeidigen, wie auf einem Atemstrom fließenden Koloraturen. Da Christina Rümann erkrankt war, übernahm Ulrike Maria Maier in der hier besprochenen Aufführung die Rolle der Cleopatra. Auch sie weiß mit differenzierter, mal lyrisch schlank geführter, mal dramatisch aufblühender Klangrede, mit dynamisch variantenreicher Gestaltung, zartesten Pianissimi und leicht gesetzten Spitzentönen zu verführen. FAZITHändels Julius Caesar als ästhetisches, unterhaltsames Gesamtkunstwerk: Eine musikalisch sehr überzeugende Produktion mit gelungenen Bildern. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographie
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten VorstellungGiulio Cesare Matthew Shaw
Cornelia
Sesto
Cleopatra
Tolomeo
Achilla
Curio
Nireno
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