Zur OMM-HomepageZur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-MailImpressum



Siegfried
Zweiter Tag aus dem Bühnenfestspiel
„Der Ring des Nibelungen“

Von Richard Wagner

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5 Stunden (zwei Pausen)

Premiere an der Sächsischen Staatsoper Dresden am 23. März 2003
Wiederaufnahme am 2. März 2010.
Rezensierte Aufführung am 14. März 2010

Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)

Helden im Guckkasten

Von Christoph Wurzel / Fotos von Matthias Creutziger
 

Vor solch einem Drachen sich zu fürchten, wäre wirklich schwer. So wird der Bühnen-Siegfried das Fürchten bei ihm auch nicht lernen können. Im Übrigen ist Naturalismus zu suggerieren, sichtlich auch nicht die Absicht dieser Inszenierung. Im Gegenteil: Mimes kleine Schulstube, der Wald vor der Neidhöhle, Erdas wilde Gegend am Felsenberg und der Brünnhildenfelsen sind in einen engen Guckkasten gezwängt, der als Bühne auf der Bühne den Akteuren einen verschmälerten Handlungsraum gönnt. Der Drachen ist aus Pappe und kommt auf Plakaten aufgepinselt hinter einem gemalten Blättervorhang aus nebliger Tiefe hervor, bis Siegfrieds Schwert dann irgendwo sein Ziel findet und ein stattlicher Sänger (Hans-Peter König) zu Boden plumpst.

Stellenweise wirkt diese Inszenierung von Willy Decker, die nun zum Jubiläum „25 Jahre neue Semperoper“ wieder aufgenommen wurde, doch etwas wie Puppentheater und mitunter naiv. Wie etwa der große braune Bär aus Plüsch, den Jung-Siegfried sich im 1. Akt zum Spielkameraden wählt. Bislang hat eben noch kein pubertierender Jugendlicher diese Rolle gespielt, und Alfons Eberz macht darin das schlimme Kind auch in Dresden nicht besonders glaubhaft. So laviert die Szenerie bisweilen an etwas unbeholfenen Stilisierungen  herum. Aber andererseits gelingen auch Szenen von großer Suggestion, die davon leben, dass sie exakt gearbeitet sind und stark dargestellt werden. So wie die Wissenswette, wenn der dumme Mime zweimal triumphierend glaubt die Oberhand gewonnen zu haben, bei der  dritten Frage aber dennoch kläglich versagt. Wolfgang Schmidt spielt diesen unsicher wuselnden, wirbelnden Versager ganz ausgezeichnet. Und der Wanderer des Terje Stensvold ist der überragende Herr dieses ungleichen Kampfes. Das wird spannend erzählt und erhellt die Situation deutlich. Auch wenn der rastlos wandernde Wotan zu Erda vordringt, die unter einer langen Schleppe schlafende Wala aufstört, umhertreibt und ihr schließlich gewaltsam die Binde von den Augen reißt, ist das eine Szene, die genau alles ausdrückt, was hier erzählt werden soll. Stark wirkt gerade durch seine konzentrierte Abstraktheit an dieser Stelle auch das Bühnenbild einer zerberstenden Kugel.


Foto

3. Akt: Besuch bei der Wala
(Erda und der Wanderer)


Ansonsten enthält sich die Szene weitgehend der Interpretation, sie erzählt geradlinig die Geschichte und stellt die Räume zur Projektion der Phantasie zur Verfügung. Am Schluss des zweiten Akts schreitet Siegfried mit seinem im Waldvogel personifizierten Kindheits-Ich wie durch ein Tor des Erwachsenwerdens hinaus in die blauen Sphären seiner Entdeckung des Lebens, was hier bedeutet: der Liebe. Brünnhilde liegt dort wie schwebend auf einem Wolkenboden und auch jetzt gewinnt der Raum gerade wegen seiner konzentrierten Leere eine eigene Aura

Foto2. Akt: Aufbruch ins Leben
(Siegfried mit dem Waldvogel)


Es war vor allem die musikalische Seite, mit der dieser 3. Teil der Ring-Tetralogie (alle Teile wurden im diesjährigen Zyklus je zweimal gezeigt) überzeugen konnte. Ein mit Ausnahme des Siegfried-Sängers überragendes Ensemble zeigte sich nicht nur darstellerisch, sondern auch stimmlich in Hochform. Evelyn Herlitzius war eine in allen Facetten berückende Brünnhilde, keine schwere Heroine erwartete hier ihren Erwecker, sondern eine jugendlich wirkende, selbstbewusste Frau mit sinnlich schwärmerischer Stimme, die mühelos in der Höhe aufblühte und ebenso leicht schweben konnte wie sie klar durchdrang. Wenn Alfons Eberz als ihr Partner im 3. Akt endlich auch genügend heldische Stahlkraft entwickeln konnte, so hatte er es in den beiden Akten zuvor doch an lyrischer Wärme und Geschmeidigkeit erheblich fehlen lassen. Großen Eindruck machte auch Christa Mayer als Erda mit perfekt abgerundeter Stimme. Exzellent setzte sie sich gegen das Orchester durch. Wolfgang Schmidt war als Mime in stimmlicher Hochform. Er sang die Rolle mit viel Legato und stark, ohne jede Weinerlichkeit. Viril und kraftvoll füllte Terje Stensvold die Wanderer-Partie höchst überzeugend aus. Klaus-Peter König lieh dem Wurm mit etwas Hall verstärkt sein machtvolles Organ. Romy Petrick sang einen etwas schrillen Waldvogel. Matthias Hennebergs Alberich war stimmlich markant und ausdrucksstark. Es wurde allgemein äußerst textverständlich gesungen, wozu die exzellente Raumakustik noch erheblich beitrug, wodurch die fehlenden Übertitel wirklich entbehrlich wurden.

Foto

1. Akt: Zerbrochene Hoffnungen
(Mime und der Wanderer)

Durch den überstürzten Abgang Fabio Luisis aus Dresden mussten für die Chef-Produktionen neue Dirigenten gefunden werden. Für „Siegfried“ sprang der Leiter der New Israeli Opera in Tel Aviv Asher Fisch ein, der die Staatskapelle hervorragend in den Griff bekam. Er entwickelte ein fülliges Klangbild, das den Sängern dennoch ein leichtes Durchkommen ermöglichte, vor allem in den Zwischenspielen sich aber zu hoher dramatischer Dichte aufschwang; ein exzellentes Dirigat mit ausgeprägtem Sinn für den großen Bogen ebenso wie für das kleinste Detail. Die Staatskapelle bestätigte ihren hervorragenden Ruf als Wagnerorchester mit allergrößtem Nachdruck. Der Klang war aufs Schönste geformt, die einzelnen Stimmen subtil koloriert (Blech! Holz!).


FAZIT


Diese szenisch sorgfältig aufpolierte und musikalisch nahezu perfektionierte Wiederaufnahme dieser mittlerweile sieben Jahre alten Produktion war ein überaus würdiger Beitrag zur Jubiläumsserie anlässlich der Eröffnung der Semperoper nach Krieg, Zerstörung und sozialistischer Brache.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Asher Fisch

Inszenierung
Willy Decker

Bühnenbild
Wolfgang Gussmann

Kostüme
Wolfgang Gussmann
Frauke Schernau

Produktionsdramaturgie
Klaus Bertisch


Sächsische Staatskapelle
Dresden

Solisten

Siegfried
Alfons Eberz

Mime
Wolfgang Schmidt

Wanderer
Terje Stensvold

Fafner
Hans-Peter König

Erda
Christa Mayer

Brünnhilde
Evelyn Herlitzius

Waldvogel
Romy Petrick
Valentin Richter (szenisch)


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsischen Staatsoper Dresden
(Homepage)

Da capo al Fine

Zur OMM-HomepageMusiktheater-StartseiteE-MailImpressum
© 2010 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -