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Fünf Minuten aus dem Leben einer Frau
Von Roberto Becker / Fotos von Matthias Creutziger Der Plot ist nicht allzu weit von Victor Hugos berühmter Romanvorlage. Und damit von den diversen Verfilmungen des Glöckners von Notre Dame. Natürlich konzentrierter für die etwas mehr als zweieinhalb stündige Opernfassung. In Dresden waren es jetzt sogar mit einer Pause nur noch insgesamt zwei Stunden. Dass keine allzu große Ehrfurcht vor dem Original obwaltete, mag auch mit einem gewissen (berechtigten) Misstrauen in den Text und in die Musik zu tun haben. Sicher ist da nicht wirklich jede Note unverzichtbar und auf keinen Fall jede Textzeile die hohe Dichtkunst. Manche Passage hat der Komponist, der 1874 in Preßburg geboren wurde und 1939 bei Wien starb, komponiert, bevor noch der Text fertig war. Überhaupt ist ihm alles ziemlich symphonisch geraten. Das klingt sehr nach abgerüsteter Spätromantik mit deutlichem Hang zum breit aufgetragenen, selbstverliebten cineastischen Sound, wie ihn ja viele seiner Kollegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts pflegten, wenn sie nicht gerade die Musik revolutionierten (wie Schoenberg) oder ihr eigenes spätromantisches Universum durchsegelten (wie Richard Strauss). Für Esmeralda ist es fünf vor zwölf Quasimodo kann ihr nicht helfen
Musikalisch für sich genommen und in den Zeiten eines schmal gewordenen Kernrepertoires hat eine solche Ausgrabung allemal seine Berechtigung. Noch dazu an einem Haus, in dem die beiden Richards (Wagner und Strauss) die Hausgötter sind. Außerdem scheint man in Sachsen, von Leipzig bis Freiberg und von Chemnitz bis Radebeul, im Moment sowieso gerade mehr oder weniger erfolgreich auf dem Ausgrabungstrip zu sein. Quasimodo vor dem elektrischen Stuhl
So wie Günter Krämer Notre Dame inszeniert hat, erweist sich der 1914 uraufgeführte Dreiakter obendrein als offen für etliche auch heute noch virulente Fragen, die über das klassische Bühnen-Problem hinausgehen, dass mehrere Männer dieselbe Frau lieben, sich deswegen die Köpfe einschlagen, um am Ende dann die Frau auch noch umzubringen. Wenn hier eine Esmeralda (Camilla Nylund) mit Marilyn-Monroe-Frisur im Orange der US-Justiz in einem farblich und perspektivisch grell überzeichneten Hinrichtungsraum auf einen elektrischen Stuhl geschnallt ist, dann steht die Uhr auf Fünf vor Zwölf. Und obwohl der Sekundenzeiger in Echtzeitmaß rotiert, bleibt die Uhr bis kurz vor Schluss auf dieser symbolischen Marke. Die eigentliche Handlung wird somit zur Rückerinnerung an ein Leben, das die Begegnung mit verschiedenen Männern kennzeichnet. Wenn dazu von der Hinrichtung einer Unschuldigen erzählt wird, und das so aussieht, wie heute noch praktiziert, dann bleibt die Absurdität der Todesstrafe so präsent wie in der 2007 in Dresden auch schon gezeigten Oper Dead Man Walking von Jake Haggie. So versinkt sie jedenfalls nicht folkloristisch in der mittelalterlichen Ferne. Der Archidiakon ein Mann mit einer zweiten Natur
Noch beklemmender ist das Porträt, das der exzellente Markus Butter vom Archediakon zeichnet. Der Rücken des smarten, jungen Priesters ist voll blutiger Striemen. Er geißelt sich immer wieder selbst, weil er mit dem Widerspruch zwischen seinem Keuschheitsgelübde und den sexuellen Obsessionen, die Esmeralda in ihm weckt, nicht anders fertig wird. In einer Ballettszene mit einem halben Dutzend Alter Egos mit dem gleichen Problem öffnet Krämer auch hier einen Assoziationsraum in die Debatten der Gegenwart, ohne sie gleich plakativ zu verramschen. Kirchenasyl in Notre Dame
Herbert Schäfer hat im zweiten Bild das Innere der Pariser Notre Dame sinnlich stilisiert nacherfunden. Lang gestreckte Buchstaben formen den Namen der berühmten Kirche und schaffen zugleich einen sakral anmutenden Raum. Hier versucht der gutmütige Glöckner Quasimodo (Jan-Hendrik Rootering) Esmeralda zu retten. Das wird erst vom Volk erst bejubelt. Als die Häscher sich nähern, fordern die die von Michaela Mayer-Michnay gut bürgerlich uniformierten Massen - opportunistisch wie sie sind - ihre Hinrichtung. Da waren die beiden anderen Männer in Esmeraldas Leben, ihr offizieller Ehemann Gringoire (Oliver Ringelhahn) und der von ihr wieder geliebte Hauptmann Phoebus (Robert Gambill) längst tot. Da hatte nämlich der eine erst den anderen und dann sich selbst erschossen. Am Ende ist es Punkt Zwölf und Esmeralda tot. Und der Priester hat fortan ein wirkliches Gewissensproblem. Wie schon bei Othmar Schoecks Penthesilea so war auch diesmal wieder Gerd Albrecht am (derzeit ja nach Fabio Luisis Abgang verwaisten) Pult der Sächsischen Staatskapelle der musikalische Anwalt dieser Ausgrabung. Dass er mehr auf Transparenz bedacht war, als darauf den eh schon weichgespülten Klang noch durch einen Feinzerstäuber a la Strauss zu schicken, bekam diesem im Ganzen gelungenen Unternehmen ausgezeichnet.
Der Semperoper ist eine Ausgrabung gelungen, die szenisch und musikalisch überzeugte. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Licht
Choreinstudierung
Solisten
Der Archidiakon von Notre Dame
Quasimodo
Phoebus, Hauptmann
Gringoire
Ein Offizier
Esmeralda
Der alte Falourdel
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