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Musiktheater
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Notre Dame

Romantische Oper in zwei Aufzügen
Text von Franz Schmidt und Leopold Wilk
nach dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo
Musik von Franz Schmidt


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln.

Aufführungsdauer: ca. 2 h (eine Pause)

Premiere an der Sächsischen Staatsoper Dresden am 18. April 2010


Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Fünf Minuten aus dem Leben einer Frau

Von Roberto Becker / Fotos von Matthias Creutziger

Der Plot ist nicht allzu weit von Victor Hugos berühmter Romanvorlage. Und damit von den diversen Verfilmungen des Glöckners von Notre Dame. Natürlich konzentrierter für die etwas mehr als zweieinhalb stündige Opernfassung. In Dresden waren es jetzt sogar mit einer Pause nur noch insgesamt zwei Stunden. Dass keine allzu große Ehrfurcht vor dem Original obwaltete, mag auch mit einem gewissen (berechtigten) Misstrauen in den Text und in die Musik zu tun haben. Sicher ist da nicht wirklich jede Note unverzichtbar und auf keinen Fall jede Textzeile die hohe Dichtkunst. Manche Passage hat der Komponist, der 1874 in Preßburg geboren wurde und 1939 bei Wien starb, komponiert, bevor noch der Text fertig war. Überhaupt ist ihm alles ziemlich symphonisch geraten. Das klingt sehr nach abgerüsteter Spätromantik mit deutlichem Hang zum breit aufgetragenen, selbstverliebten cineastischen Sound, wie ihn ja viele seiner Kollegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts pflegten, wenn sie nicht gerade die Musik revolutionierten (wie Schoenberg) oder ihr eigenes spätromantisches Universum durchsegelten (wie Richard Strauss).

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Für Esmeralda ist es fünf vor zwölf – Quasimodo kann ihr nicht helfen

Musikalisch für sich genommen und in den Zeiten eines schmal gewordenen Kernrepertoires hat eine solche Ausgrabung allemal seine Berechtigung. Noch dazu an einem Haus, in dem die beiden Richards (Wagner und Strauss) die Hausgötter sind. Außerdem scheint man in Sachsen, von Leipzig bis Freiberg und von Chemnitz bis Radebeul, im Moment sowieso gerade mehr oder weniger erfolgreich auf dem Ausgrabungstrip zu sein.

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Quasimodo vor dem elektrischen Stuhl

So wie Günter Krämer Notre Dame inszeniert hat, erweist sich der 1914 uraufgeführte Dreiakter obendrein als offen für etliche auch heute noch virulente Fragen, die über das klassische Bühnen-Problem hinausgehen, dass mehrere Männer dieselbe Frau lieben, sich deswegen die Köpfe einschlagen, um am Ende dann die Frau auch noch umzubringen. Wenn hier eine Esmeralda (Camilla Nylund) mit Marilyn-Monroe-Frisur im Orange der US-Justiz in einem farblich und perspektivisch grell überzeichneten Hinrichtungsraum auf einen elektrischen Stuhl geschnallt ist, dann steht die Uhr auf Fünf vor Zwölf. Und obwohl der Sekundenzeiger in Echtzeitmaß rotiert, bleibt die Uhr bis kurz vor Schluss auf dieser symbolischen Marke. Die eigentliche Handlung wird somit zur Rückerinnerung an ein Leben, das die Begegnung mit verschiedenen Männern kennzeichnet. Wenn dazu von der Hinrichtung einer Unschuldigen erzählt wird, und das so aussieht, wie heute noch praktiziert, dann bleibt die Absurdität der Todesstrafe so präsent wie in der 2007 in Dresden auch schon gezeigten Oper Dead Man Walking von Jake Haggie. So versinkt sie jedenfalls nicht folkloristisch in der mittelalterlichen Ferne.

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Der Archidiakon – ein Mann mit einer zweiten Natur

Noch beklemmender ist das Porträt, das der exzellente Markus Butter vom Archediakon zeichnet. Der Rücken des smarten, jungen Priesters ist voll blutiger Striemen. Er geißelt sich immer wieder selbst, weil er mit dem Widerspruch zwischen seinem Keuschheitsgelübde und den sexuellen Obsessionen, die Esmeralda in ihm weckt, nicht anders fertig wird. In einer Ballettszene mit einem halben Dutzend Alter Egos mit dem gleichen Problem öffnet Krämer auch hier einen Assoziationsraum in die Debatten der Gegenwart, ohne sie gleich plakativ zu verramschen.

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Kirchenasyl in Notre Dame

Herbert Schäfer hat im zweiten Bild das Innere der Pariser Notre Dame sinnlich stilisiert nacherfunden. Lang gestreckte Buchstaben formen den Namen der berühmten Kirche und schaffen zugleich einen sakral anmutenden Raum. Hier versucht der gutmütige Glöckner Quasimodo (Jan-Hendrik Rootering) Esmeralda zu retten. Das wird erst vom Volk erst bejubelt. Als die Häscher sich nähern, fordern die die von Michaela Mayer-Michnay gut bürgerlich uniformierten Massen - opportunistisch wie sie sind - ihre Hinrichtung. Da waren die beiden anderen Männer in Esmeraldas Leben, ihr offizieller Ehemann Gringoire (Oliver Ringelhahn) und der von ihr wieder geliebte Hauptmann Phoebus (Robert Gambill) längst tot. Da hatte nämlich der eine erst den anderen und dann sich selbst erschossen. Am Ende ist es Punkt Zwölf und Esmeralda tot. Und der Priester hat fortan ein wirkliches Gewissensproblem.

Wie schon bei Othmar Schoecks „Penthesilea“ so war auch diesmal wieder Gerd Albrecht am (derzeit ja nach Fabio Luisis Abgang verwaisten) Pult der Sächsischen Staatskapelle der musikalische Anwalt dieser Ausgrabung. Dass er mehr auf Transparenz bedacht war, als darauf den eh schon weichgespülten Klang noch durch einen Feinzerstäuber a la Strauss zu schicken, bekam diesem im Ganzen gelungenen Unternehmen ausgezeichnet.


FAZIT

Der Semperoper ist eine Ausgrabung gelungen, die szenisch und musikalisch überzeugte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gerd Albrecht

Inszenierung
Günter Krämer

Bühne
Herbert Schäfer

Kostüme
Falk Bauer

Choreographie
Otto Pichler

Licht
Fabio Antoci

Choreinstudierung
Paolo Assante



Chor der Sächsischen
Staatsoper Dresden

Sächsische Staatskapelle
Dresden


Solisten

Der Archidiakon von Notre Dame
Markus Butter

Quasimodo
Jan-Hendrik Rootering

Phoebus, Hauptmann
Robert Gambill

Gringoire
Oliver Ringelhahn

Ein Offizier
Matthias Henneberg

Esmeralda
Camilla Nylund

Der alte Falourdel
Angela Liebold



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

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